17. Oktober 2023 13:00

Guter Einkauf: Frankfurter Buchmesse Die Freude in den Nischen

Wie sich die Veranstaltung doch mit Gewinn besuchen lässt

von David Andres

von David Andres drucken

Artikelbild
Bildquelle: Nadiia Gerbish / Shutterstock.com Trotz politischer Ideologisierung in den vergangenen Jahren lohnenswert: Frankfurter Buchmesse

Gute Geschenke zu finden, wirklich originelle, die alles übertreffen, was der Präsenzhandel in der Stadt als Gelegenheitskauf anbietet – das ist schwer. Nehmen wir an, Sie wollen jemanden beschenken, der es immer noch liebt, zu baden. Der gern lange im heißen Wasser liegt, Schaum bildet, dabei Mozartkugeln aus einer Schüssel am Wannenrand nascht und gemütlich liest. Und nun stellen Sie sich vor, es gäbe kleine, wasserfeste Bücher. Farbenfroh und kristallklar gedruckt nicht auf Papier, sondern auf einem Material wie von Gummibooten. Kurzkrimis, Liebesromane, Ratgeber und sogar winzige Historienschinken, deren Lesedauer rund fünfzehn Minuten beträgt. Wäre das nicht ein wahrhaft witziges, liebevolles und überraschendes Mitbringsel?

Nun, die „Edition Wannenbuch“ gibt es, ein kluger Mann aus Chemnitz hat sie vor Jahren zum Leben erweckt und schon oft habe ich ein schönes Stück davon an Freunde und Bekannte verschenkt. Entdeckt habe ich das originelle Produkt auf der Frankfurter Buchmesse, in einer Halle, die vor frischen Einfällen nur so strotzt und aus der Sie, wenn Sie offenen Auges und Herzens sind, kaum mehr herauskommen, ohne Mitte Oktober bereits eine Menge Geld für Weihnachtsgeschenke ausgegeben zu haben. Sie finden dort Notizbücher und Kalender aus Graspapier, höchst ästhetisch und einzigartig auch dann, wenn Ihnen der Umweltaspekt dieser Ware herzlich egal ist. Sie entdecken kleine Handschmeichler aus Holz, die entlang eines „keltischen Baumhoroskops“ je nach verwendeter Holzart bestimmten Geburtszeiträumen zugeordnet sind und diese wiederum gewissen Eigenschaften. Der Beschenkte kann so entdecken, „aus welchem Holz“ er geschnitzt ist. Und was soll ich Ihnen sagen? Was die Esche mir zuschreibt, passt wie der Ast aufs Auge.

Ja, die Frankfurter Buchmesse hat eine schlechte Figur gemacht in den vergangenen Jahren. Heckmeck und Ausgrenzung politisch devianter Verlage, moralische Erziehung des Publikums, linker Konsens. Doch sie ist und bleibt eben auch ein Marktplatz mit sehr vielen Akteuren, von denen eine große Menge schlichtweg unpolitisch ist und unsere Entdeckung als Unternehmer in Sachen Buch oder einfallsreicher „Non-Book-Ware“ verdient hat. Für Ästheten lohnt es sich, die Ausstellung der Werke anzuschauen, die den Preis für das beste Design, die beste Buchgestaltung erhalten haben. Für Selbermacher ist Frankfurt eine gute Gelegenheit, sich einfach mal bei sämtlichen Anbietern seriöser Möglichkeiten des „Selfpublishings“ darüber zu informieren, wie solides Publizieren abseits der Türhüter eigentlich geht. Und wer schlicht und einfach bloß ein Freund guter Literatur ist, ohne sich ob umgekehrter ideologischer Scheuklappen das Stöbern bei den großen wie kleinen Verlagen zu verbieten, der entdeckt in den herbstlichen Hallen weiterhin Lektüren für ein ganzes Jahr.

Freilich, mir wäre es auch lieber, dass Frankfurt nicht bloß seine örtliche Agora als schöne Innenfläche zwischen den Hallen hätte, auf der sich in der Herbstsonne gut flanieren und ein Imbiss nehmen lässt, sondern wenn diese Messe auch eine offene Agora der Meinungen wäre, wie sie es vor nicht allzu langer Zeit einmal war, als selbst der Lichtschlag-Verlag dort einen Eckstand hatte. Doch selbst heute finden sich für den, der sich ernsthaft Zeit nimmt, immer noch Gänge mit den obskursten Nischen. Christliche Fundamentalisten aus den USA verschenken in diesen Gassen buchdicke, „schwurbelige“ politische Manifeste auf dünnem Papier. Kleinstverleger oder gar Einzelpersonen preisen auf zwei Quadratmeter ihre ganz persönlichen, erfrischend  ungelenken, aber überaus authentischen Visionen an. Und natürlich können Sie sich auch an die Inseln großer Publikumsverlage wie „Suhrkamp“, „dtv“ oder „Langen-Müller“ begeben, dort einen Roman von Uwe Tellkamp oder Martin Mosebach oder ein Sachbuch wie „Mehr Anarchie, die Herrschaften!“ von Wolfgang Herles in die Hand nehmen und andere, denen das auffällt, in ein Gespräch über die unmöglichen Zustände in der pädagogischen Volksrepublik Deutschland verwickeln. Sie werden erleben, wie viele ihnen erleichternd zustimmen.

Wer unpolitisch bleiben und einfach nur zwecks Geschenken für das kommende Weihnachtsfest reale Marktteilnehmer mit guten Ideen belohnen möchte, indem er an den verkaufserlaubten Tagen bei ihnen ein paar schöne Dinge in bar erwirbt, hat aber auch schon eine gute Zeit. Die „Edition Wannenbuch“, die übrigens bereits den Publikumspreis der Messe gewann, finden Sie dieses Jahr übrigens in Halle 3.1, Standnummer A 95.

Quellen:

Frankfurter Buchmesse

Edition Wannenbuch

Baumstark

Herles‘ kleiner Ruf zur Freiheit


Sie schätzen diesen Artikel? Die Freiheitsfunken sollen auch in Zukunft frei zugänglich erscheinen und immer heller und breiter sprühen. Die Sichtbarkeit ohne Bezahlschranken ist uns wichtig. Deshalb sind wir auf Ihre Hilfe angewiesen. Freiheit gibt es nicht geschenkt. Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit.

PayPal Überweisung Bitcoin und Monero


Kennen Sie schon unseren Newsletter? Hier geht es zur Anmeldung.

Artikel bewerten

Artikel teilen

Kommentare

Die Kommentarfunktion (lesen und schreiben) steht exklusiv nur registrierten Benutzern zur Verfügung.

Wenn Sie bereits ein Benutzerkonto haben, melden Sie sich bitte an. Wenn Sie noch kein Benutzerkonto haben, können Sie sich mit dem Registrierungsformular ein kostenloses Konto erstellen.