17. Oktober 2023 23:00

Die Psychologie der Politik Praxistipps. Indoktrination und Propaganda

Der Weg

von Andreas Tiedtke (Pausiert)

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Bildquelle: Shutterstock Tägliche Propaganda-Beschallung: Seien Sie hellwach!

In meiner letzten Kolumne legte ich dar, dass unsere tiefsitzenden, oft unbewussten Einstellungen und Überzeugungen der Angelpunkt sind, der unser Denken und Fühlen bestimmt. Als Beispiele führte ich Johann Wolfgang von Goethes (1749–1832) und Max Stirners (1806–1856) Haltungen zu sich und der Welt an.

Weil gerade Max Stirners Einstellungssatz „Wir sind allzumal vollkommen!“ erfahrungsgemäß auf Ablehnung stößt – wir wurden ja auch wirklich nicht trainiert, so von uns und den anderen zu denken –, möchte ich hier nochmals kurz einhaken. Ja, auch beispielsweise ein „Klimaaktivist“ (weil das Stichwort in der Kommentarbox fiel) muss so ticken, wie er tickt. Er hätte nichts „Besseres“ hervorbringen können, und „besser“ und „schlechter“ sind keine objektiven Kategorien, sondern subjektive Werturteile, die interpersonal nicht vergleichbar sind, weil es keinen objektiven Standard für Wert oder Nutzen gibt. Wer hier tiefer einsteigen möchte, dem empfehle ich den unten verlinkten Artikel „Nichts ist so eindeutig, dass es sich nicht umdeuten ließe“ sowie mein Buch „Der Kompass zum lebendigen Leben“. Dort beschreibe ich auch, wie Sie sich neue Einstellungen zulegen können.

Aber nicht nur Sie selbst können Ihre Einstellungen und Überzeugungen beeinflussen, auch von außen können Ihre Haltungen zu sich und der Welt manipuliert werden, beispielsweise um Sie willfährig im Hinblick auf gesellschafts- oder geopolitische Vorhaben anderer zu machen.

Gaslighting, Indoktrination und Propaganda

Edward Bernays (1891–1995), Sigmund Freuds Neffe und Autor des Buches „Propaganda“, definierte Propaganda als das stetige, konsequente Bemühen, Ereignisse zu formen oder zu schaffen mit dem Zweck, die Haltung der Öffentlichkeit zu einer Idee oder Gruppe zu beeinflussen. Hier geht es also genau um diesen Angelpunkt: Ihre – oft unbewussten – Einstellungen und Überzeugungen und wie man sie erzeugt. Ich verwende den Begriff Propaganda im Übrigen wertfrei. Es ist das „Business“ der „Haltungsingenieure“.

Unbewusst verankert wird Propaganda hauptsächlich so, wie wir auch sonst lernen: Durch Wiederholung. Hinzu kommen Suggestionen. Darunter kann man – knapp beschrieben – etwa „Einflüsterungen“ oder „Haltungsvorschläge“ verstehen, die am „Torwächter“-Bewusstsein vorbei ins Unterbewusstsein geschmuggelt werden sollen.

Propaganda begegnet Ihnen zum Beispiel, wenn Sie die Nachrichten im Radio hören. Gerade wenn Sie sich nicht bewusst auf das Gesagte konzentrieren, weil Sie beispielsweise Auto fahren und sich auf die Straße konzentrieren, ist Propaganda besonders effektiv. Dann nehmen Sie die Botschaften unbewusst wahr – oder besser: ungeschützt –, weil Ihnen Ihre kognitiven „Abwehrfähigkeiten“ nicht zur Verfügung stehen. Die ständige Wiederholung leistet das Übrige. Wenn im Radio an einem Tag beispielsweise alle halbe Stunde der Name des Politikers Müller oder Huber fällt, dann führt das dazu, dass Ihnen dieser Name immer bekannter wird. Da uns für gewöhnlich das Bekannte vertrauter ist, wird Ihnen dieser Politiker vertrauter. Wenn Sie ihn dann abends auch noch auf dem Bildschirm sehen, in Ihrem Haus, in Ihrem Wohnzimmer, geht dies weiter, obwohl Ihnen Herr Müller vielleicht in Wirklichkeit absolut fremd ist und Sie ihm noch nie begegnet sind.

Und was hier für Ihre Haltung zu Herrn Müller gilt, gilt auch für Ihre Haltung zu den Botschaften, die Herr Müller für Sie hat. Was Herr Müller „fordert“, vor was Herr Müller „warnt“, wogegen Herr Müller eine „Brandmauer“ errichten will, überhaupt Herrn Müllers vielfältige moralische Intuitionen, die er von sich gibt, all das findet Eingang in Ihre Psyche. Und auf der Couch im Wohnzimmer befinden sich viele in einem Dämmerzustand, der dem Dämmerzustand nicht unähnlich ist, in dem sich Menschen etwa bei einer Hypnose oder beim Tagträumen befinden.

Ein weiterer Begriff im Zusammenhang mit Indoktrination und Propaganda ist „Gaslighting“. Hier geht es darum, die Menschen „hinters Licht zu führen“, sie zu verwirren, ihre Wahrnehmung der Realität psychologisch zu manipulieren, oft über einen längeren Zeitraum hinweg. Die Mittel sind das Verdrehen von Tatsachen, etwas Reales als Einbildung darstellen – und umgekehrt –, Vorwürfe machen, unterschwelliges Sticheln gegen Personen oder Gruppen, Witze auf Kosten anderer, abschätzige Bemerkungen bis hin zu Beleidigungen und dergleichen.

Das erleben Sie beispielsweise, wenn Ihnen Mutmaßungen als Gewissheiten verkauft werden sollen, wenn Glaubenssätze moralisch aufgeladen werden oder „Ungläubige“ als „Leugner“ verunglimpft werden, obwohl man nur etwas leugnen kann, von dessen Wahrheit man überzeugt ist. Sie erleben es, wenn abweichend Denkende mit Verbrechern verglichen werden, etwa als „Nazis“ bezeichnet werden oder als „Faschisten“, obwohl es bei dem im Streit stehenden Thema ganz offensichtlich nicht um Rassismus geht oder um Faschismus als Staatsform. Sie erleben es, wenn man entmutigt werden soll, zu eigenen Urteilen über die Realität zu gelangen, und stattdessen gefordert wird, man müsse bestimmten „Experten vertrauen“, „der Wissenschaft“ folgen oder „nur amtlichen Quellen glauben“. Zig andere Beispiele könnten hier noch genannt werden.

Hello, Hello, Turn Your Radio Off

Ein Praxistipp in Bezug auf Propaganda und Indoktrination ist es, das Radio auszuschalten, wenn Nachrichten drankommen, und auch keine Nachrichten auf dem Sofa im Wohnzimmer anzuschauen, etwa nach der Arbeit, wenn man erschöpft in den Sessel sinkt. Das heißt nicht, dass Sie sich keine Nachrichten oder Leitmedien-Berichte oder dergleichen mehr ansehen „sollten“. Aber wenn Sie das tun, dann ist es aus „psycho-hygienischer Sicht“ besser, wenn Sie es in einem wachen und bewussten Zustand tun, wenn Sie sich auf die Nachrichten konzentrieren und Sie eine bewusste Haltung zum Aussagenden und zur Aussage parat haben.

Trennen Sie sich emotional. Wut und der Ausgang aus dem Gaslighting

Der Vorschlag, der bei Gaslighting in zwischenmenschlichen Beziehungen oft gegeben wird, ist, sich aus der Beziehung zu lösen. Doch bei erzwungenen Beziehungen ist das leider oft nicht möglich. Manche Menschen möchten mit gewissen anderen Menschen lieber überhaupt nichts zu tun haben, aber diese anderen Menschen lassen ihnen leider keine Wahl. Wenn man sich jedoch schon nicht aus gewissen erzwungenen Verhältnissen lösen kann, so besteht doch kein Grund, sich ohnmächtig zu fühlen.

Es ist schlicht ein Datum des Universums, dass uns andere Menschen zwingen wollen, uns Vorschriften machen wollen, Forderungen an uns stellen, uns bedrohen für den Fall, dass wir nicht bezahlen oder diese und jene Gebote und Verbote nicht beachten. Solche Menschen, die andere, friedliche Menschen beherrschen möchten, sehen sich nach ihren eigenen moralischen Intuitionen unter Umständen sogar noch „im Recht“, mit anderen so umzugehen. Das Ringen um die Herrschaft über seine Mitmenschen ist so alt wie die Zivilisation selbst, es ist ein Datum, ein Gegebenes, so wie es in unseren Breiten gegeben ist, dass es öfter regnet, es im Winter Glatteis gibt und dass Wölfe keine Schafe hüten. Der Praxistipp wäre, sich von seiner Wut hierüber nicht mitreißen zu lassen.

Es spricht überhaupt nichts dagegen, sich darüber wütend zu machen, wie andere Menschen einen behandeln. Wut hilft uns, den anderen aus unserem Herzen zu werfen und die Gaslighting-Beziehung emotional zu beenden, Schluss zu machen mit dem „Stockholm-Syndrom“ und anzuerkennen: „Ja, ich werde gezwungen, dieser Mensch ist mir gegenüber nicht wohlmeinend, sondern ihn interessiert es wahrscheinlich gar nicht, wie ich mich damit fühle. Das ärgert mich!“ Kinder – und infantile Erwachsene – werden von ihrer Wut mitgerissen, aber „ausgereifte“ Erwachsene können sich beispielsweise sagen: „Das ist Wut, so fühlt sich Wut an. Interessant!“ Sie entscheiden selbst, wie lange sie sich wütend fühlen wollen beziehungsweise wie sie mit dem Gefühl umgehen.

Wer so „gut in seine Wut kommt“ – und dann auch wieder gut heraus –, der wird zwar immer noch bedroht und gezwungen und kann sich gegen die Übermacht der anderen auch nicht wehren, aber er wird nicht mehr hinters Licht geführt. Dass es andere nicht gut mit uns meinen, dagegen können wir oft nichts tun. Aber dagegen, dass man hinters Licht geführt wird, dagegen, dass versucht wird, einen zu manipulieren, zu verwirren und zu verängstigen, dagegen kann man etwas tun.

Ausblick

In meiner nächsten Kolumne möchte ich insbesondere auf Praxistipps zum Umgang mit Propaganda im Hinblick auf Spielfilme, Fernsehshows, Serien oder auch Pop-Musik eingehen. Welche Suggestionen können darin enthalten sein? Damit meine ich keine Filme, die leicht erkennbar mit einer gewissen Haltungsbotschaft daherkommen, sondern vielmehr Filme oder Musik, die vordergründig als harmlose Unterhaltung daherkommen und doch dem Betrachter ein infantiles Bild seiner selbst und seiner Welt vermitteln.

Bis dahin wünsche ich Ihnen eine gute Woche, auch wenn Sie sich gerade vielleicht etwas wütend gemacht haben.

Quellen

Andreas Tiedtke: Nichts ist so eindeutig, dass es sich nicht umdeuten ließe (Ludwig von Mises Institut)

Andreas Tiedtke: Der Kompass zum lebendigen Leben

Gaslighting: So wehren Sie sich gegen Manipulation (Geo)


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