21. Oktober 2023 23:00

Judenfeindlichkeit auf deutschen Straßen Meinungsfreiheit auch für Israel-Hasser?

Der Korridor des Sagbaren verengt sich weiter

von Thorsten Brückner

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Bildquelle: Natanael Ginting / Shutterstock Gewaltfreie Flaggenverbrennung als symbolische Handlung: Bereits seit dem 14. Mai 2020 in Deutschland strafbar

Aufgrund der hohen Zahl muslimischer Einwanderer werden Konflikte im Nahen Osten mittlerweile auch stets in Europa ausgetragen. Denn völlig überraschend haben muslimische Migranten aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan eine andere Meinung zum Thema Israel, als es die „deutsche Staatsräson“ vorsieht. Und diese zumeist jungen Männer entdecken auch nicht plötzlich bei einem staatlichen Integrationskurs ihren inneren Zionisten, egal, mit wie viel BRD-Erinnerungskultur sie in einer Sprache beschallt werden, die sie ohnehin nicht verstehen.

Doch dieselben Politiker, die eben noch mit Sozialstaats- und Gutmenschenrhetorik Hunderttausende nach Deutschland gelotst haben, vergießen jetzt Krokodilstränen über den Judenhass auf deutschen Straßen und schlagen mit Forderungen nach drakonischen Strafen für Meinungsdelikte um sich. Die schärfsten Töne kommen dabei aus der CSU. „Wer sich bei uns antisemitisch äußert, wird dafür zur Rechenschaft gezogen“, so die stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Andrea Lindholz. Zur Rechenschaft gezogen für eine bloße Meinungsäußerung? 

Doch wie stellt sich das Lindholz vor? „Wer das nicht akzeptieren will, der muss die Konsequenzen des Straf- und Versammlungsrechts, aber auch des Aufenthalts- und des Einbürgerungsrechts tragen.“ Mit anderen Worten: Sie können sich völlig legal im Land aufhalten, nie eine Straftat begangen haben, aber bei antisemitischen Äußerungen heißt es nach dem Willen von CDU/CSU Abflug in die Heimat? Eine Nulltoleranzpolitik, die man in dieser Form noch nicht einmal gegenüber ausländischen Intensivtätern fährt. Und was fällt für Lindholz genau darunter, was hält sie für ausweisungswürdig in einer Zeit, in der für manche ja schon antisemitisch ist, wer nicht das lächerliche Narrativ der israelischen Regierung wiederkäut? 

Doch nicht nur von den Migranten erwartet die Union ein Bekenntnis zum Staat Israel. „Ausnahmslos alle Menschen, die in unserem Land leben, tragen Verantwortung dafür, dass die Anerkennung des israelischen Staates und der Schutz des jüdischen Volkes untrennbar zu Deutschland gehören“, meint Lindholz weiter. Also ich trage überhaupt keine Verantwortung für irgendeinen Staat.

Und den Schutz jüdischen Lebens in Deutschland? Nichts wünsche ich mir mehr. Doch es ist ziemlich verlogen, wenn jetzt diejenigen „Wolf“ schreien, die die Wölfe in den Schafstall gelockt haben. Bereits 2005 wurde ich damit konfrontiert, wie bedroht sich Juden in deutschen Städten fühlen. Damals nahm ich an einem Jugendaustausch der Stadt Nürnberg mit ihrer israelischen Partnerstadt Hadera teil. Mein Austauschpartner Rafael, ein orthodoxer Jude, den ich davor und danach nie ohne Kippa gesehen hatte, nahm beim gemeinsamen Stadtbummel durch Nürnberg wie selbstverständlich die religiöse Kopfbedeckung ab. Damals lernte ich, dass es auch viele deutsche Juden aus Angst vor Übergriffen oft so halten. Und seit damals hat sich die Lage für Juden in Deutschland noch einmal dramatisch verschlechtert. Als ich Rafael damals gefragt habe, vor wem er sich denn fürchte, stellte sich übrigens heraus, dass seine Sorge selbst in der früheren Stadt der Reichsparteitage und Rassegesetze nicht irgendwelchen Braunhemden galt.

Vor allem das Verbrennen von Israel-Flaggen erhitzt momentan wieder die Gemüter. Rechtzeitig für die erneute Konfrontation in Nahost wurde vor drei Jahren auch das Strafrecht geändert. Mittlerweile steht nicht mehr nur das Verbrennen der Deutschlandflagge und der EU-Symbole, sondern auch das „Verunglimpfen“ von Flaggen ausländischer Staaten unter Strafe. Natürlich eine Lex Israel. Und zudem ein völlig opferloses Verbrechen. 

In Amerika wäre das unmöglich. Dort hat der Oberste Gerichtshof 1989 entschieden, dass das Verbrennen der US-Flagge durch den Ersten Verfassungszusatz geschützt ist. Und um das Verbrennen ausländischer Flaggen hat sich in den USA ohnehin noch nie jemand geschert. 

Ich halte das Verbrennen einer Flagge für eine ziemlich infantile Form des Protests. Aber selbstverständlich handelt es sich um eine politische Meinungsäußerung, die in Ländern, in denen Meinungsfreiheit nicht nur auf dem Papier besteht, natürlich nicht strafbar sein darf. Ich kann mir nur zwei Situationen vorstellen, in denen ich eine Strafverfolgung unterstützen würde: erstens, wenn die Flagge gestohlen wurde. Oder zweitens, wenn beim Verbrennen Eigentum oder Leben anderer Menschen gefährdet oder gar geschädigt wurde.

Wie schon bei Covid und dem Ukraine-Krieg wird auch der aktuelle Konflikt von den Herrschenden zu einer weiteren Beschneidung der Meinungsfreiheit, zu einer weiteren Verengung des Diskurses genutzt. „Wer gegen Israel hetzt, soll mit mindestens sechs Monaten Haft rechnen müssen“, forderte zuletzt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Pro-palästinensische Demonstrationen werden in Berlin derzeit meist mit der Begründung verboten, es werde bei den Kundgebungen „judenfeindliche Hetze erwartet“. Der bloße Verdacht eines Meinungsverbrechens reicht aus. Werden da nicht Erinnerungen wach an die Zeit zwischen 2020 und 2022, als regierungskritische Kundgebungen immer wieder mit der Begründung verboten wurden, man erwarte Verstöße gegen die „Schutzauflagen“? So sehr mich auch diese Typen entsetzen und anwidern, die Israel-Flaggen verbrennen und sich öffentlich über den Tod Unschuldiger freuen – Meinungsfreiheit muss auch für sie gelten, sonst ist es keine. Gewalt, nicht Worte, sind die Grenze.


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