Der Staat als Regelsetzer kann es nur falsch machen: Die Problematisierung von Verfügbarkeit
Wer Freiheit nie kennengelernt hat, vermisst sie auch gar nicht
von Christian Paulwitz drucken
Der Staat – genauer gesagt: Die Regierung, die im hiesigen Staatsgewaltensystem dem Parlament, das sie trägt, die Gesetzesvorlagen zum Abnicken zukommen lässt – ist gerade dabei, Anbau, Besitz und Konsum von Cannabis zu „legalisieren“, wie er es nennt. Das bedeutet im eigentlichen Sinn, ein absurdes und umfangreiches Vorschriftenwerk zu verfassen, um festzulegen, wer unter welchen Umständen anbauen darf, wie viel Gramm man unter welchen Randbedingungen mit sich führen darf und was guter und schlechter Konsum ist. „Es geht der Bundesregierung darum, die Qualität von Cannabis zu kontrollieren und den illegalen Cannabis-Markt einzudämmen.“ – Übersetzung etwa: Das Gewaltmonopol, das der Staat sich anmaßt, profitabler gestalten zu wollen, während seine Ausführungsorgane schon vorher sich die Haare raufen und zu verzweifeln drohen. Aber gut, deren Problem.
In derselben, nämlich der letzten Woche bleibe ich während einer längeren Autofahrt zufällig beim Scrollen durch die Radiosender beim Staatsfunk – genauer gesagt, dem Deutschlandfunk – hängen, der einen Beitrag mit einem Suchtmediziner bringt, in diesem Fall im späteren Teil der Sendung womöglich sogar mit realen und unzensierten Publikumsanrufen. Es geht um Alkoholabhängigkeit, Erfahrungen auch aus dem Umfeld und wie man wieder rauskommt. Inhaltlich wurden in der Gesamtzeit der Sendung durchaus einige interessante Punkte angesprochen, doch begonnen wurde erst einmal mit der Klage, Deutschland sei ein „alkoholpermissives“ Land, Alkohol sei ständig und überall gegenwärtig und leicht zu haben. Das müsse anders werden, die Abgabe von Alkohol müsse stärker kontrolliert und er müsse weniger leicht zugänglich gemacht werden. Jede Menge Alkohol sei schädlich – und das Trumpf-Argument: Alkohol vermisse nur derjenige, der schon einmal mit ihm in Berührung gekommen sei – wer Alkohol nie kennengelernt habe, vermisse ihn auch nicht.
Nicht nur in deutschen Staatsmedien hakt bei solchen Sätzen kein Moderator ein, denn es scheint eine weit verbreitete totalitäre Haltung zu sein. Die Leute merken es nicht, weil sie sich dabei auf ein bestimmtes Feld konzentrieren. Tatsächlich ist der Satz als Feststellung nichts Besonderes; er trifft praktisch auf alles zu, was über die existentiellen Grundbedürfnisse wie Wasser und Sauerstoff et cetera hinausgeht: Was man nie kennengelernt hat, vermisst man auch nicht. Wer Schokolade oder Mangosaft, das Rauschen an der Meeresküste, die Luft eines Buchenwaldes nach einem Sommerregen, den Sonnenaufgang von einem Berggipfel betrachtet über den im Nebel liegenden Tälern – und ja, wer Freiheit nie kennengelernt hat, vermisst sie auch nicht. Kein Grund für Kontroll-Psychopathen, dies alles dem normalen Durchschnittsmenschen vorzuenthalten, womöglich noch, um ihn vor sich selbst zu schützen.
Der propagandistische Trick, der für die Verbreitung von Kontroll-Wahnideen bezüglich alkoholhaltiger Getränke konsequent angewendet wird, ist die Gleichsetzung mit ihrem chemischen Bestandteil C2H5OH – vulgo Alkohol. Tatsächlich sind etwa die Biere, die ich in der Regel genieße, zu etwa 95 Prozent alkoholfrei (Tipp für die ef-Redaktionskonferenz am Dachthekentresen, wenn über Bier mal wieder nach den youtube-konformen Nutzungsregeln gesprochen werden muss), und es gehört schon eine offen antidemokratische Gesinnung dazu, ein solches Getränk mit einem Bestandteil in derartiger Minderheitsrolle einfach gleichzusetzen. Bei Wein sind es typischerweise noch um die 85 Prozent Alkoholfreiheit, und erst bei den Getränken, deren gesunde und vitaminreiche Ausgangsstoffe durch den Vorgang des Brennens veredelt werden, kann es vielleicht mal knapp werden mit den Mehrheitsverhältnissen.
Wer jetzt in Schnappatmung verfällt wegen der Verharmlosung eines Suchtmittels, dem ist offenbar mein Augenzwinkern entgangen – was dann wohl an der mangelnden Erkenntnis liegt, dass alkoholhaltige Getränke für die überwiegende Zahl ihrer Konsumenten eben keine Suchtmittel sind, sondern komplexe Genussquellen mit unbeschreiblicher Aromenvielfalt; handwerkliche Meisterleistungen mit einer kulturellen Entwicklungsgeschichte, die in der Atmosphäre ihres Genusses lebt. Was hat bitte ein zwölf Jahre alter schottischer Single-Malt-Whisky mit einem Glas Ethanol gemeinsam? – Nun ja, kulturelle Erlebnisse, die sich der Bevormundung durch den Staat entziehen, sind ja an sich schon ein rotes Tuch für die Kontrollfanatiker. Zumindest mit saftigen Steuern muss er sich da schon ins Gedächtnis rufen.
Bezüglich Cannabis gibt es bis weit in das vergangene Jahrhundert hinein kein nennenswertes kulturelles Milieu, das für eine verbreitete Akzeptanz als Suchtmittel als Begleiterscheinung einer veredelten Verwendung hätte dienen können. Während die staatliche Reglementierung es als Heilpflanze erfolgreich behindert hat, fand es im Laufe der letzten Jahrzehnte gerade als Suchtmittel und Einstiegsdroge für weit schädlichere Stoffe unter den Bedingungen des staatlichen Verbots zunehmende Verbreitung. Ob vor oder nach der geplanten Cannabis-Legalisierung, ob mit der bestehenden oder in einer restriktiveren staatlichen Alkoholregulierung, allen zunächst unterschiedlich erscheinenden Ansätzen ist eines gemeinsam: Der Staat legt fest, was erlaubt ist und was nicht, und er hält im Zweifel die Hand auf, um sich durch Zwangsgelder zu bereichern. Ein „Ist-nicht-meine-Sache“ hat der Staat für sich nicht vorgesehen. Und genau das ist das Problem, wenn es um Sucht und Abhängigkeiten geht, ist doch der Staat der größte Abhängig-Macher überhaupt. Wenn schon, dann sollte das Übel doch an der Wurzel gepackt werden.
Wie erwähnt gab es seitens des Mediziners in der besagten Sendung durchaus Interessantes zu hören, nämlich dann, wenn er sich nicht gesellschaftspolitisch äußerte, sondern als Therapeut, der betroffene Menschen aus der Alkoholabhängigkeit helfen will. Da gab es dann Botschaften wie: Eine erfolgreiche Therapie ist nur möglich, wenn es auch das Ziel des Alkoholkranken oder -gefährdeten ist. Auf einmal ist die Eigenverantwortung entscheidend. Der Patient solle sich gegebenenfalls unter Moderation selbst Ziele setzen, wenn er zum Beispiel seinen Alkoholkonsum reduzieren will, und ein Tagebuch führen, um festzustellen, wie erfolgreich er bei der Erreichung seiner Ziele ist.
Sieh an: Der handelnde Mensch, der selbst die Kontrolle über sein Leben behaupten oder wiedererlangen will, ist also der Dreh- und Angelpunkt, ohne den alles nichts ist. Aber er soll als Gesunder bevormundet werden und diese Bevormundung willig hinnehmen, um gar nicht erst in Versuchung zu kommen – als Gesamtkonzept nicht sehr schlüssig.
Wäre es nicht sinnvoller, die Mechanismen und Strukturen zu zerschlagen, die die Erziehung zur Verantwortungslosigkeit fördern und zur Verantwortungsabgabe an die „Gesellschaft“? Die dem einzelnen die Früchte seiner Arbeit durch Wegnahme entwerten, während er zunehmend durch staatliches Geld abhängig gemacht wird? Und was das scheinbar überzeugendste Argument für die staatliche Reglementierung zur Abgabe von Stoffen mit Suchtgefahr betrifft, den Jugendschutz: In der Tat können für Heranwachsende nicht dieselben Freiheiten gelten wie für erwachsene Menschen, da sie während ihrer Entwicklung vom abhängigen Kind zum selbständigen Erwachsenen Abschnitte durchlaufen, in denen sie besonders gefährdet sind. Staatliche Verbote schützen nicht – sie vermitteln nur die Illusion eines Schutzes! Der beste Schutz sind gesunde Sozialstrukturen, die auf der Familie und einem intakten und stabilen Umfeld basieren. Dagegen ist das Hineinziehen Jugendlicher in Milieus des Drogenkonsums aller Art als weit verbreitetes gesellschaftliches Phänomen gar nicht vorstellbar ohne die Rolle des verkommenen staatlichen Schulsystems, das zwar die gerade angesagten Ängste und politischen Agenden zu vermitteln weiß, nicht aber die Bedeutung des Einzelnen, der aus eigenen Antrieben und Interessen seinen ganz individuellen Lebenssinn finden muss, während die Eltern aufgrund des staatlichen Plünderungsdrucks kaum Zeit für den Nachwuchs haben oder sich gleich mit Hilfe staatlicher Alimentierung in der sinnentleerten Antriebslosigkeit eingerichtet haben.
Jedem Problem, das der Staat schafft, stellt er umfassende Regelwerke zu dessen Bekämpfung entgegen, die neue Probleme schaffen. Die Leute sollen sich über mehr oder weniger Reglementierung ereifern können; verlieren wird dabei immer die Freiheit.
Quellen:
Fragen und Antworten zur Legalisierung von Cannabis (bundesregierung.de)
So erkennt man erste Warnsignale (Deutschlandfunk)
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