26. Oktober 2023 16:00

Reaktionen auf und Abschiede von Gunnar Kaiser Eine Art zweiter Nachruf über Bande

Am 12. Oktober verstarb der Philosoph, Schriftsteller und Youtuber im Alter von nur 47 Jahren

von André F. Lichtschlag

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Bildquelle: Youtube Unvergessen: Gunnar Kaiser (09.06.1976–12.10.2023)

Ich wollte eigentlich freudig diese Kolumne schreiben. Dann kam die Nachricht von Gunnars Tod. Der Philosoph, Schriftsteller und Youtuber Gunnar Kaiser ist mit nur 47 Jahren verstorben. Nicht völlig überraschend. Und doch so unglaublich traurig. Zu den schlimmsten Aufgaben eines Chefredakteurs zählt, dass von ihm zu Recht ein Nachruf erwartet wird, wenn ein wichtiger und besonders aufrichtiger Mitstreiter für immer gegangen ist. Das fällt mir sehr schwer, denn dieser Angang kommt immer viel zu drängend in den Stunden, da man eigentlich selbst erst mal den Verlust verarbeiten muss.

Nun, ich habe mich bemüht, der Nachruf ist auf der Seite unseres Partnermagazins eigentümlich frei zu finden und unten verlinkt. Jetzt also diese Kolumne, notgedrungen eilig und irgendwie mit den Gedanken noch bei Gunnar. Deshalb möchte ich als eine Art kleinen Nachtrag auf zwei andere der vielen schönen und oft bewegenden öffentlichen Abschiede von Gunnar Kaiser hinweisen, die mir in besonderem Maße aufgefallen sind.

Erstens ist da der geschätzte Kollege Martin Lichtmesz auf der Internetseite der Zeitschrift „Sezession“. Das ist nun nicht unbedingt das Hausorgan von Gunnar Kaiser gewesen, aber Lichtmesz betont, dass er Gunnar Kaiser persönlich „nicht als Gegner wahrgenommen“ hat. Lichtmesz zitiert hier einen anderen Nachruf von der österreichischen Seite „Der Status“, der treffend schrieb: „Egal, wo sich die einzelnen Personen innerhalb des kritischen Lagers verorten, alle preisen den zu früh verstorbenen Kaiser für seine Menschlichkeit und seinen Mut zur Wahrheit gleichermaßen. Liberalkonservative, Neurechte, Sozialpatrioten, kritische Linke, Querdenker: Alle wussten ihn zu schätzen und trauern um ihn.“

Ja, das wurde in den letzten Tagen wirklich deutlich. Gunnar Kaiser wirkte weit über seinen libertären, anarcho-kapitalistischen Ursprung hinaus in den kompletten Bereich hinein, den viele heute „alternativ“ nennen. Und unter den alternativen Publizisten und Youtubern ragte er dann eben auch noch heraus. Oder mit den schönen Worten von Martin Lichtmesz: „Gunnar Kaiser war, im Gegensatz zu vielen anderen, die sich an eine alternative Gegenöffentlichkeit wandten, kein Spendenabgreifer, kein Jäger nach Klickzahlen, kein eitler Selbstdarsteller, kein seichter Schlagwortfabrikant, sondern ein vielseitig talentierter, aufrichtig an der Wahrheitsfindung interessierter, unkorrumpierbarer Geist.“

Dazu war er talentierter, rhetorisch überlegener und weitaus kenntnisreicher als die meisten anderen. Lichtmesz bemerkt deshalb hellsichtig, dass Gunnar „mit seinem Talent bequem Karriere im Mainstream und etwa einem Herrn Precht Konkurrenz hätte machen können. Dem zog er aus Gründen der persönlichen Integrität den Sprung ins Ungewisse einer geistig unabhängigen Existenz vor.“

Den gesamten Nachruf von Martin Lichtmesz auf Gunnar Kaiser empfehle ich sehr und verlinke auch diesen unten.

Ach ja, „der sogenannte Mainstream, der nun schweigt“, bemerkt Lichtmesz noch, „hat Kaiser schon lange für tot erklärt. Sein Verbrechen war, dass er sich in der ‚Corona‘-Zeit zu einem der klügsten und vehementesten Kritiker der Pandemiedoktrin entwickelte. Er wurde in der Folge als ‚Ideologe‘ abgestempelt und diskreditiert, eben deshalb, weil er sich der herrschenden Ideologie nicht fügen wollte, eben deshalb, weil er kein Ideologe, sondern ein skeptischer Geist, ein Anti-Ideologe war, der sich aber nicht scheute, vehement Stellung zu beziehen, wenn es nötig war.“ Und so wurde er im Mainstream radikal und auf niederträchtigste Weise gecancelt.

Aber ein einziger Nachruf erschien nun doch auch dort. In der „Welt“. Und dieser ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Geschrieben hat ihn die stellvertretende Leiterin des Feuilletons Hannah Lühmann. Auch dieser Artikel ist unten verlinkt.

Hannah Lühmann ist elf Jahre jünger als Gunnar Kaiser und traf diesen einige Male persönlich. In weiten Teilen liest sich ihr Nachruf wie eine zärtliche, aufrichtige Bewunderung. War Hannah vielleicht sogar ein wenig verliebt in Gunnar?

Hannah Lühmann schwärmt von Gunnars „immer etwas heiteren, untergründig humorvollen Pädagogenstimme“, von seinem „unendlichen Einsatz“, seiner „typischen, unermüdlichen Neugier“, seiner „immer riesengroßen Aufmerksamkeit“. Das Zusammensein mit Kaiser „machte Spaß, wir trafen uns noch ein-, zweimal zum Essen“. Gunnar „hat das getan, was er liebt. Wer kann das schon von sich sagen?“ Und ja, einer geht noch: „Gunnar Kaisers Vermächtnis ist ein Fußabdruck des Weltgeists.“ Oha.

Aber auch, wenn die „Welt“ inzwischen eine seltsame Scharnierrolle einnimmt – wir berichteten –, bleibt sie ein Organ des publizistischen Mittelstrahls. Klar, ihre Leser sind anders, informieren sich ansonsten in alternativen Medien, das ist gut in den Kommentarspalten zu erkennen. Und einige Autoren könnten auch gleich bei den Alternativen schreiben oder tun es sogar. Aber wenn es eng wird, bei den „alternativlosen Fragen“, da ist auch die „Welt“ stramm auf Linie. Darauf wird penibel geachtet. Das war beim journalistischen Rudel-Teddywerfen zugunsten der Millionen ankommenden afghanischen, irakischen und nordafrikanischen jungen Männer so (heute ist das den Machern der „Welt“ und insbesondere des Schwesternblatts „Bild“ ein wenig peinlich, also tut man so, als sei man selbst nicht ganz vorneweg als Claqueur mit dabei gewesen), das war bei „Corona“ so (auch da regt sich so ganz langsam erstes Schamgefühl), und das ist beim blinden (oder vielleicht besser: einäugigen und wutschnaubenden) Kriegsgeschrei seit Februar 2022 und auch heute wieder ganz genauso, wenn nicht noch schlimmer.

Um angelehnt an Gunnar Kaiser zu fragen: Wie konnte das eigentlich passieren, dass jene „Schwurbler“ und „Querdenker“ am Ende fast in jeder Frage recht behielten, jene, die man, anstatt offen und neugierig im Frühjahr 2020 das neue Phänomen zu diskutieren, wie auf Knopfdruck von jeglicher Diskursbeteiligung ausschloss, obwohl sie wie Wolfgang Wodarg noch kurz zuvor in den Redaktionen ein- und ausgingen oder in der Fachmedizin wie Sucharit Bhakdi höchstes Renommee genossen? Nun, eigentlich wissen wir es längst dank Julian Reichelts Veröffentlichung: Friede Springer hatte höchstselbst in den Redaktionen angerufen und eine strikte Order erteilt. So ist das nun mal, wenn man nicht das tun darf, was man liebt. Und so muss also auch die gute Hannah Lühmann in ihren Abschiedsbrief an Gunnar einstreuen, was sie in ihrer Position einstreuen muss – denn wer kann das schon von sich sagen?

Das wirkt etwas unbeholfen, aber irgendwie ist der Gunnar eben doch gleich im Titel „der Held einer Gegenwelt“, die nicht ihre Welt sein darf. Hat er nicht auch mal Jehova gesagt? Oder „Gentherapie“? Da haben wir es doch! Nicht mal für den Vorwurf der Kontaktschuld ist sich Lühmann zu schade, ich hatte diesen in meinem Nachruf einzuordnen versucht.

Die unfairste Hetze, die Gunnar ganz sicher auf den Magen geschlagen ist, erschien ausgerechnet in der „Welt“. Ich hatte auch dieses Pamphlet des Lühmann-Kollegen Mladen Gladić erwähnt, deshalb hier nur kurz: Gladić log eine gekonnt zugespitzte philosophisch-rhetorische Frage Gunnar Kaisers in einen Genozid-Aufruf um. Lichtmesz führt die Geschichte in seinem Nachruf weiter aus. Auch Lühmann räumt ein, dass Gunnar Kaiser in ihrer Zeitung damals „hart kritisiert“ wurde. Das ist nur leider stark untertrieben, denn Gladić ließ seinen schlimmsten Exklusions-Phantasien freien Lauf: „Natürlich sollte man alles diskutieren in einer freien Gesellschaft. Aber nicht mit Gunnar Kaiser.“ Warum erschien damals kein Gegenartikel? Warum sprang Hannah dem Gunnar nicht bei, als es einmal bitter nötig war? Weil, wer kann das schon von sich sagen?

Lühmann berichtet stolz (und „schlau“ in einer Passage erst, nachdem sie den Angriff Gladićs bereits abgehandelt hatte), dass Gunnar Kaiser auch mal einen Gastkommentar in der „Welt“ schreiben durfte. Was sie nicht sagt: Das war vor der perfiden Exklusion! Das war, bevor Gladić Gunnar Kaiser nun auch für die „Welt“ zum Unberührbaren erklärt hatte. Danach erschien keine Zeile („er bot immer mal wieder Beiträge an“) eines eigenen Meinungsartikels mehr von Gunnar (nur eine Gesprächsaufzeichnung mit seiner Stiefschwester), nirgends in der Mittelstrahl-Presse.

Eine Mainstream-Autorin wie Hannah Lühmann kann sich vermutlich nicht im Entferntesten vorstellen, was es heißt, im alternativen Bereich vom politmedialen Establishment geschnitten zu werden. Sie versteht nur ansatzweise, mit welchen Mitteln da gearbeitet wird. Sie ahnt nicht, was es bedeutet, wenn man, um wenige Beispiele zu erwähnen, von der Google-News-Suche ausgeschlossen wird, obwohl man alle Kriterien erfüllt, wenn Videos einfach gelöscht werden, wenn eine mit Geheimdienstmethoden arbeitende Wikipedia-Mafia die Lexikoneinträge in bösartigste Schmähungen umschreibt, wenn die staatsalimentierten Schlägerbanden der Antifa vor der Tür lungern. Könnte sie es sich vorstellen, wäre sie vielleicht Gunnar Kaiser beigesprungen. Hätte sie nur ein geringes Verständnis davon, hätte sie ihn nicht zum guten Schluss noch mit dem Vorwurf der Kontaktschuld aus dem kleinen Handbuch des Stalinisten beschmutzt. Hätte sie es auch nur im Ansatz verstanden, dann hätte sie dazu nicht den Schweizer Historiker Daniel Ganser benutzt – „der regelmäßig russische Staatspropaganda vorträgt“; auch das ein konstruierter Blödsinn. Ein doppelter Missbrauch am Ende.

Und trotz all dieser Unfairness und Unmenschlichkeit im Umgang hat Gunnar Kaiser, anders als Hannah Lühmann und erst recht Millionen Mal erfolgreicher und geliebter als Gladić, wie Lühmann mit allergrößtem Respekt feststellt, einen Status erreicht, „vergleichbar mit dem von alternativen amerikanischen Medienstars wie Joe Rogan oder Jordan Peterson“.

Dafür auch an dieser Stelle noch einmal: Danke Gunnar, für alles!

Ruhe in Frieden!

Erwähnte Nachrufe auf Gunnar Kaiser:

Nachruf: Gunnar Kaiser von André F. Lichtschlag

Nachruf auf den Philosophen und Dissidenten Gunnar Kaiser (1976–2023) von Martin Lichtmesz

Gunnar Kaiser: Er war der Held einer Gegenwelt von Hannah Lühmann


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