Lehren der Covid-Jahre: Mobilität statt Wohneigentum
Immer der Freiheit nach
Wohneigentum ist viel erschwinglicher als früher. Zu diesem Schluss kommt zumindest eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft. Seit 1980 sei der Weg in die eigenen vier Wände im Großen und Ganzen immer einfacher geworden, so das arbeitgebernahe Institut. Dem stehen die nackten Zahlen gegenüber. Deutschland ist weiterhin das EU-Land mit der niedrigsten Wohneigentumsquote. Etwas weniger als 50 Prozent der Deutschen lebten 2021 in den eigenen vier Wänden. Zum Vergleich: In Albanien, dem europäischen Land mit der höchsten Wohneigentumsquote, sind es 96,3 Prozent. Rumänien liegt als erstes EU-Land hier mit 95,3 Prozent auf dem zweiten Platz.
Auch in den USA ist die Wohneigentumsquote am Sinken. Gerade mal noch 66 Prozent sind dort Eigentümer ihres Hauses oder ihrer Wohnung. Deutlich mehr als in Deutschland und doch deutlich weniger als in vergangenen Jahrzehnten. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie fasziniert ich bei meinem ersten USA-Besuch von der Tatsache war, dass sich selbst junge Menschen in ihren 20ern dort oft ein Haus leisten konnten. Während ich damals als Journalist in Berlin kaum meine Miete bezahlen konnte, stemmte die Tochter meiner Gasteltern mit einem Krankenschwesterngehalt den Hauskauf. Fairerweise muss man natürlich sagen, dass Häuser in den USA nicht nur deutlich billiger sind als hierzulande, sondern auch in der Regel von wesentlich schlechterer Bauqualität.
Mit der Familie im eigenen Haus irgendwo im ländlichen Franken zu leben, das war früher immer mein Traum. Doch mittlerweile denke ich anders darüber. Ein Haus kann auch ein Klotz am Bein sein, das ist mir so richtig während der Covid-Jahre bewusst geworden. Während meine Frau und ich mit unserem vollbepackten Nissan Primera damals quer durch Südosteuropa fuhren, immer der Freiheit nach, immer dorthin, wo die Schikanen am geringsten, die Bevölkerung am umkooperativsten war, erlebte ich, wie Freunde oder auch die eigenen Eltern sich mit einem Haus in Deutschland mehr oder weniger an dieses Land gefesselt hatten. Spätestens als die Debatte über einen möglichen Impfzwang aufkam, war mein Wunsch nach Wohneigentum in Deutschland endgültig beerdigt.
Klar kann man ein Haus auch verkaufen. Aber wenn der Immobilienmarkt etwas ungünstig ist, macht man dabei gleich mal ein paar Zehntausend Euro Verlust. Von der ganzen Arbeit und dem ganzen Geld, das man jahrelang in dieses Haus gesteckt hat, ganz zu schweigen.
Ich priorisiere Mobilität mittlerweile ganz klar vor stationärem Eigentum und fühle mich als Mieter freier denn als Hausbesitzer. Aber so richtig träume ich von etwas anderem. Eigentum auf Rädern, auch das eine Lektion der Covid-Jahre. Ein Wohnmobil vielleicht. Oder ein Tiny House? Zum ersten Mal bin ich durch die Netflix-Serie „Tiny House Nation“ auf diese nicht nur in den USA wachsende Bewegung gestoßen, die bei mir gleich mit mehreren Vorurteilen aufgeräumt hat. Assoziierte ich früher in meiner vagen Vorstellung ein Tiny House vor allem mit Enge, ist mir erst durch die Serie vor Augen geführt worden, auf welch kreative Weise sich auch wenig Platz optimieren lassen kann.
Auch handelt es sich nicht in erster Linie um irgendwelche Öko-Minimalisten, die diese Form des Wohnens für sich gewählt haben. Meist sind es schon immer noch ökonomische Gründe, die den Ausschlag für eine Verkleinerung geben, was auch im Zuge der Finanzkrise 2007/2008 den Tiny-House-Boom ja überhaupt erst ausgelöst hat. Ganz ohne Verzicht auf „Sachen“ geht ein solch minimalistisches Wohnen natürlich nicht. Doch gerade die Digitalisierung eröffnet hier ganz neue Möglichkeiten. Man muss heute schließlich keine Bücher, Schallplatten, CDs oder DVDs mehr umziehen.
Doch zurück zur Wohneigentumsquote. Ich bin mir sicher, dass diese in Deutschland nicht deshalb so niedrig ist, weil viele Menschen, so wie ich, lieber mieten als kaufen. Den meisten fehlt schlicht das nötige Eigenkapital, um sich ein Haus oder auch nur eine Wohnung leisten zu können. Um die Wohneigentumsquote in Deutschland zu erhöhen, empfiehlt das Institut der deutschen Wirtschaft übrigens mehr staatliche Anreize, „damit sich mehr Menschen diesen Schritt trauen“. Die Politik müsse nachhelfen, um den Kauf lukrativer zu machen. Dabei ist es gerade die Politik, die durch hohe Grunderwerbssteuern (und andere Steuern natürlich) auf der einen und sozialen Wohnungsbau auf der anderen Seite diese Quote künstlich niedrig hält.
Doch selbst an Orten, wo die Ausgangslange für potenzielle Eigenheimbesitzer besser ist: In dem Moment, wo ich irgendwo ein Haus baue, werfe ich dort meinen Anker auf einem Stück Land, das sich auf dem Gebiet eines Staates befindet, über dessen Verhalten ich keinerlei Kontrolle habe. Ich fürchte, eine von Staaten und Regierungen geprägte Welt wird zumindest für den Rest meines Lebens traurige Realität bleiben. In einer solchen Welt ist mir die Option, schnell und flexibel mit meiner Familie an Orte ziehen zu können, wo man freier (oder vielleicht auch nur etwas weniger unfrei leben kann) enorm wichtig. Wichtiger als der einstige Traum vom Eigenheim.
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