14. November 2023 22:00

Keine „Ausbeutung“ in Privatstädten Populäre Irrtümer der Linken (und Rechten)

Moralische Intuition versus Ökonomie

von Andreas Tiedtke (Pausiert)

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Bildquelle: Shutterstock Friedrich A. von Hayek: „Würden Sozialisten etwas von Ökonomie verstehen, wären sie keine Sozialisten.“

Ich erinnere mich, als ich noch etwas blauäugiger und politisch tätig war, gab es in einem Gremium eine Diskussion über „Fair-Trade“ und ob die Firma, die das Label vergibt, aus Steuermitteln unterstützt werden sollte. Ich bat die „politischen Mitbewerber“ um Beispiele, was denn ihrer Meinung nach „Unfair-Trade“ sei? Wenn ein Mensch im Ausland zu niedrigeren Löhnen arbeitet, als er hier entlohnt werden würde, so stört das die moralische Intuition der Linken (und Rechten), aber ökonomische Argumente können sie nicht vorweisen.

Keine „Ausbeutung“ der Arbeiter in Privatstädten

Ein Argument von Linken gegen freie Privatstädte ist, dass die Arbeiter dort keine „Arbeitnehmerrechte“ hätten, sie also „ausgebeutet“ würden. Da die Linke keine handlungslogisch schlüssige Rechtstheorie hat, sondern unter dem hergebrachten „Rechtspositivismus“ (Mehrheits-) Macht mit Recht gleichsetzt, kommt sie zu falschen Schlüssen. Ein Recht erfordert eine freiwillige Verpflichtung, und der Arbeiter, der in einer freien Privatstadt einen Arbeitsvertrag eingeht, hat natürlich das Recht, seinen Lohn als die Hauptgegenleistung zu fordern. Dieser Lohn mag manchem Linken nach seinem Bauchgefühl zu niedrig erscheinen, aber für den Arbeitnehmer ist es seine beste Option, sonst würde er zu diesem Lohn nicht arbeiten. Betrachtet man eine freie Privatstadt in einer weniger entwickelten Region, dann mag die Alternative des Arbeiters eine weitgehend autarke Existenz mit Hausvieh und Selbstanbau für den Eigenbedarf sein; aber das ist für ihn offensichtlich die noch weniger wünschenswerte Alternative, mit der er nur ein geringeres Einkommen erwirtschaften kann.

Dass der Arbeitnehmer so wenig Lohn erhält, liegt daran, dass zu wenig Kapital vorhanden ist, weil es in der Gegend, in der er lebt, bislang zu wenig Kapitalismus gegeben hat, weil die Menschen behindert wurden beim „freiwilligen Austausch unter Kapitaleinsatz“. Aber das ist nicht die „Schuld“ des Kapitalismus, sondern der Mangel an Kapitalgütern und Arbeitsteilung ist zunächst der Urzustand, und je unfreier die Menschen sind, weil sie ökonomisch ausgebeutet und sozial unterdrückt werden, desto weniger Kapitalaufbau und Arbeitsteilung sind möglich. Ob nun Stammesfürsten, Militärdiktatoren, Sozialisten, Faschisten, Kommunisten oder wer auch immer die Menschen geknechtet und sie davon abgehalten hat, Privateigentum zu haben und freiwilligen Austausch zu entwickeln, ist gleichgültig. Entscheidend ist, dass die Ursache für die relative Armut diese ökonomische und soziale Unterdrückung ist – und nicht der Kapitalismus, dessen einfachste, verkürzte Formel schlicht „Privateigentum“ ist.

Arbeitsverbote und Zwangsversicherungen sind keine „Arbeitnehmerrechte“, sondern sie erschweren es den Arbeitnehmern, ihren Lebensunterhalt zu erwirtschaften – wie auch die Lohnsteuer oder die indirekten Steuern, wie Mehrwert- oder Energiesteuern. So wurde die zwangsweise Rentenversicherung der Arbeitnehmer von Bismarck (1815–1898) auch keinesfalls aus wohlmeinenden Motiven eingeführt, sondern aus politisch-strategischen, um die Arbeiter vom Staat abhängig zu machen. Ein Mindestlohn wiederum ist kein „Recht“, sondern ein Arbeitsverbot, wenn er nicht zur Disposition des Arbeiters steht und er oberhalb des Marktlohnes liegt, sodass der Arbeiter zu diesem Lohn keine Anstellung findet.

Auch die moralischen Intuitionen, die im Hinblick auf die konkrete Höhe von Mindestlöhnen ins Feld geführt werden, sind handlungslogisch betrachtet Unsinn. Wieso nur 15 Euro pro Arbeitsstunde Mindestlohn und nicht 50 Euro? Oder 500 Euro? Politiker verdienen in der Regel ja viel mehr als Mindestlöhner – wieso sind sie so wenig gönnerhaft? Die Obergrenze des Lohnes liegt im Kapitalismus nicht im Belieben des Arbeitgebers, sondern in der Marktwirtschaft ist eben der Kunde König. Die Obergrenze wird von den Erwartungen der Unternehmer bestimmt, welche zusätzlichen Umsatzerlöse sie durch die Anstellung des Arbeiters bei ihren Kunden erzielen können. Das ist es, was die Ökonomen unter der „Grenzproduktivität der Arbeit“ verstehen, die ökonomisch die Lohnobergrenze bildet. Erwartet der Unternehmer bei 15 Euro Stundenlohn keine Umsatzerlöse, die diese Ausgaben rentabel erscheinen lassen, wird er den Arbeiter nicht einstellen.

Dass die Wirtschaft trotz all der staatlichen Diktate, die die Arbeiter im Endeffekt benachteiligen, noch einigermaßen „funktioniert“, liegt daran, dass Mindestlöhne, die unterhalb der Marktlöhne liegen, schlicht wirkungslos sind. Und dass sich die Aufwendungen für die Arbeiter durch die fortschreitende Vertiefung der Arbeitsteilung und die Kapitalakkumulation trotz der behindernden Interventionen nach der Einschätzung der Arbeitgeber immer noch rechnen, sonst würden sie die Arbeiter nicht beschäftigen. Die Leidtragenden sind natürlich die Arbeiter, denen durch Zwangsversicherungen und hohe Zwangsabgaben Mittel genommen werden, die sie – ohne die Bevormundung – nach ihren eigenen Vorstellungen verwenden könnten.

Schlussbetrachtung und Ausblick

Grund für höhere Löhne sind nicht staatliche Interventionen – und können es auch nicht sein –, sondern die Vertiefung und Verbreiterung der Arbeitsteilung und Kapitalaufbau. Das Argument der Linken, dass es in freien Privatstädten zu einer Ausbeutung der Arbeitnehmer kommen müsse, ist nicht nur falsch, das Gegenteil ist richtig: Die Arbeiter haben ohne behindernde Interventionen mehr Arbeitsmöglichkeiten und mehr Mittel zur Verfügung, als wenn sie durch Arbeitsverbote und Zwangsversicherungen – sowie hohe Steuern – belastet werden.

In meiner nächsten Kolumne will ich auf einen weiteren Kritikpunkt an freien Privatstädten eingehen, nämlich dass diese zu „Steuerflucht“ führen könnten und somit den „linken Weltbürgern“ Vermögen „entrissen“ würde, welches in Privatstädten nicht mehr zur Verfügungsmasse der Nomenklatura der Staaten gehört.

Quellen:

Der Kampf des Versorgungsstaates gegen die Selbständigkeit (Gerd Habermann, Misesde.org)

Das bedingungslose Grundeinkommen ist unsozial (Andreas Tiedtke, Misesde.org)

Gewerkschaften sind arbeitsfeindlich (George Reisman, Misesde.org)

Der Kompass zum lebendigen Leben (Andreas Tiedtke)


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