Freiheitsespresso XIV: Machtlos gegen Macht?
Ein unlösbares Problem. Und nicht einfach privatisierbar
von Michael von Prollius (Beendet)
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Die Macht ist weiblich. Praktisch ist sie in der Menschheitsgeschichte noch dominant männlich. Macht bezeichnet die Fähigkeit von Akteuren, ob Einzelpersonen, Gruppen oder Organisationen, auf das Denken und Handeln anderer so einzuwirken, dass diese sich auch gegen ihren eigenen Willen und ihre eigenen Wünsche unterordnen und entsprechend verhalten. Das klassische Max-Weber-Zitat lautet bekanntlich: „Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“
Macht war, ist und wird immer existieren – solange es soziale Beziehungen gibt.
Macht lässt sich nicht zuletzt als ein strukturelles Phänomen begreifen und analysieren. Die Rede ist von Netzwerken und Beziehungsgeflechten. Jeder Mensch ist Teil von Netzwerken. Macht manifestiert sich hier unter anderem als Zugang zu anderen Akteuren. Machtvolle Positionen sind vor allem zentrale Positionen, zudem Bindeglieder zwischen Gruppen. Dazu gehört die Fähigkeit, einen Ressourcentausch und damit Abhängigkeiten zu organisieren. Hinzu kommt Macht als Kontrolle. Akteure in zentralen Positionen können Informationen zurückhalten, offenbaren und verändern, um die Wahrnehmungen anderer und das Zumessen von Macht zu verändern.
Diese Perspektive lässt sich auf staatliche, private und protostaatliche Akteure gleichermaßen anwenden. Macht ist kein rein staatliches Problem, wenn hier auch absolute Macht absolut korrumpieren kann. Private Gewaltakteure förderten Staatsbildungen und wurden selbst zu Staaten. Mit Ludwig von Mises mag der Wurstkönig nur durch Verdienste an die Konsumenten zu dem Titel gelangt sein. Indes ist eine marktbeherrschende Position mit Macht verbunden – Kunden und Zulieferer fügen sich mindestens zeitweise. Umgekehrt besitzen Medien und Zulieferer sowie Schlüsselgruppen Macht und machen Bahnreisende ohnmächtig. Große Finanzinstitute, darunter die größten, die Zentralbanken, sind Inbegriff politik-ökonomischer Macht. „Alle Macht unterliegt dem Missbrauch, und je größer die Macht, desto größer die Wahrscheinlichkeit des Missbrauchs“, konstatierte Henry Hazlitt bemerkenswerterweise in „The Inflation Crisis, and How to Resolve It“ (1978).
Theoretische Ausführungen müssen sich in der Praxis bewähren. Es gilt, die Realität zu analysieren. Dafür sind Annahmen erforderlich, denn unterschiedliche Annahmen führen zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Betrachtung von Machtverhältnissen und deren Entwicklung.
Betrachten wir politische Macht in der Antike. In der (späten) Römischen Republik im ersten Jahrhundert vor Christus galten als entscheidende Quelle von Macht sowohl Überzeugungs- als auch Bündnisfähigkeit, zumindest mit Michael Sommers „Volkstribun. Die Verführung der Massen und der Untergang der Römischen Republik“. Im Lauf der Antike hatten sich Institutionen ausgeprägt, die den politischen Willen weniger Tausender Bürger eine Form gaben. Monarchie, Aristokratie und Demokratie waren wesentliche Herrschaftsformen.
Zum Einhegen von Macht wurden Führer auf Zeit gewählt wie in den griechischen Poleis. Zugleich war die Stellvertretung der Bürger durch spezialisierte Personen und Institutionen sowohl Lösung (arbeitsteilige Professionalisierung) als auch Problem. So galt es das Verhältnis zwischen Führern respektive Eliten und Bevölkerung zu gestalten. Losprinzipien, Scherbengerichte, befristete Verbannungen waren Hilfsmittel.
Gleichwohl verdichtete sich Macht immer wieder in einzelnen Personen. Redegewandte Persönlichkeiten konnten die Stimmungen der Massen aufnehmen und formen. Die Verführbarkeit der Massen bildet den Gegenpart zur Stellvertreterproblematik – Eliten und die Massen als Problem.
In Rom gab es Beziehungsgeflechte, die als soziale Kontrolle die Ordnung stützten: politische Freundschaft (amicitia), Schutz (patrocinium), Solidarität (fides). Trotz aller Absprachen kam es immer wieder zu Erschütterungen, die zum Beispiel in der gewaltsamen Demagogie von Publius Clodius Pulcher (92 bis 52 vor Christus), dem antiken Donald Trump, kulminierten.
Heute ist in Demokratien ein friedlicher Machtwechsel gesichert, ohne dass das Stellvertreterproblem gelöst wäre, ein politischer Kurswechsel tatsächlich stets wählbar ist oder der Zentralisierung und damit bürgerferner Machtballung Einhalt geboten wird. Während die Eliten und ihre Kontrolle Ziel der Kritik waren, ist es um die Stimmungen der Massen lange ruhig geblieben.
Macht ist ein unlösbares Problem. Die Geschichte lehrt stete Wachsamkeit, enthält zahllose Warnungen vor Machtbündelung, empfiehlt den Ausgleich von Interessen. Good Governance mit echter Transparenz und Verantwortung fördert Legitimität und Selbstbeschränkung. Der Arabische Frühling war eine Reaktion auf das Gegenteil. Entmachtungsverfahren in Demokratien sollten bewährte Losprinzipien berücksichtigen. Konsequente Meinungsfreiheit ist ein Bollwerk gegen ideologische Machtkanalisierung – politische Korrektheit nicht. Politischer Wettbewerb mit territorialer Vielfalt und experimentell darüberhinausgehend als Dienstleistung ist nicht selbstverständlich. Warum nicht? Und was müsste sich ändern?
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