Guter Einkauf: Der Adventskranz: Geknüpft und gedreht
Lasst die Lichter der Behaglichkeit leuchten
von David Andres
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In meiner Schulzeit war es noch verpflichtend, mit der ganzen Klasse zum sogenannten Berufsbildungszentrum zu stiefeln. In diesem piefigen Raum des örtlichen Amtes gab es Steckbriefe der üblichsten Ausbildungsberufe als kartonierte Zettel in A5 oder A6, gelb, wenn ich mich recht erinnere, und mittelmäßig layoutet. Darauf konnte man lesen, was ein Friseur so macht und verdient, eine Einzelhandelskauffrau oder eine Zahnarzthelferin. Völlig modern ging es in der Mitte des Raumes zu, wo wir an grauen Computern einen psychologischen Selbsttest machen durften. Er ergab die Berufe, die angeblich zu einem passen. Da ich unter anderem angekreuzt hatte, zwar einigermaßen gern mit Menschen zu arbeiten, aber noch lieber mit der Natur, spuckte die Maschine für mich aus: Florist.
Und was soll ich sagen? Als Kunde liebe ich es, kleine und unabhängige Blumengeschäfte zu betreten, die meist viel mehr sind als bloß Ausgabestellen für schön zusammengebundene Schnittware. Die Floristen stellen viele Arten von Pflanzen aus, bieten unter oft halbtransparenten Dächern, auf denen der Regen basslastig klingt, die Miniaturvariante eines Gartencenters. An den Wänden hängt Kunsthandwerk aus der Region, ganze Ecken sind ausgestattet mit Regalen voller Wein, handgemachten Senfsorten oder Manufaktur-Marmeladen. Feinkost, die sich samt „etwas Grün“ zu Geschenkkörben aller Art kombinieren lässt. In der sogenannten Pandemie durfte sich aus dieser Ecke niemand etwas nehmen, Blumen und Pflanzen aller Art jedoch durchaus erwerben. Die kleinen Unternehmerinnen fanden neue Wege der Kundenbindung, lieferten in härtesten Lockdown-Zeiten Kränze, Sträuße und Pflanztöpfe an die Tür.
Für die Adventszeit bestelle ich mir jedes Jahr einen Kranz vor, den die Floristin aus einzelnen Bestandteilen liebevoll auf meine Wünsche zuschneidet. Grundgesteck von satten fünfzig Zentimetern Durchmesser, ordentlich Tannenzweige voller Aroma und darin Zimtstangen, getrocknete Orangen, Kandissterne. Die Honigwabenkerzen finden später Platz in vier schwarzen, breiten Steckständern. Auch sie erwerbe ich vom lokalen Imker, der sie „on demand“ in gewünschter Dicke per Hand dreht und dafür sein wohlverdientes Bares zum Schwätzchen in der Tür erhält. Im Ergebnis füllt das so entstandene Kunstwerk das Wohnzimmer für vier Wochen mit behaglichem Licht, einnehmendem Duft und dem guten Gefühl, Menschen unterstützt zu haben, die trotz aller bürokratischen Schikanen sowie gegen die Konkurrenz von Gartencenter-Ketten oder auch Honigkerzen vom Drogeriemarkt, weiterhin mit Passion und Können ihre Waren feilbieten.
Daher empfehle ich Ihnen, die Vorweihnachtszeit ebenso mit einem schönen, großen, handgemachten Kranz der örtlichen Floristin zu begehen. Zusätzlich auch noch als dringendes Seelenbalsam und aktiver Widerstand gegen den Zustand der dauerhaften Verängstigung und Krisenbereitschaft, in dem wir seit mindestens einem Jahrzehnt verharren sollen, wo in der alten Republik gerade die gemütliche, gesetzte und an Traditionen festhaltende Bürgerlichkeit den erwünschten Maßstab bildete. Apokalyptiker, Berufsrevolutionäre, Tyrannen und Sozialisten aller Art wollen so etwas nicht. Auf dass sie dennoch hinter möglichst vielen Fenstern die Adventskränze leuchten sehen.
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