01. Dezember 2023 19:00

(Pseudo-) Religion Christentum und Zeitgeist

Die katholische Kirche und die Frage des Privateigentums

von Thomas Jahn

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Bildquelle: Nicola Perscheid / Wikipedia Pius XI., Papst von 1922 bis 1939: Widmete sich in der Enzyklika Quadragesimo anno der Frage der Sozialbindung des Eigentums

„In der nach menschlichen Gesichtspunkten manchmal unverständlichen Logik des Glaubens besteht ihre Vollkommenheit darin, dass sie nicht mehr sich selbst in den Mittelpunkt stellen, sondern dass sie sich entscheiden, nach dem Evangelium zu leben und damit gegen den Strom zu schwimmen.“ 

Dieses Zitat von Papst Benedikt XVI. aus seiner Botschaft anlässlich des 25. Weltjugendtages im Jahre 2010 illustriert das wichtigste Prinzip des christlichen Menschenbilds, nämlich die Einzigartigkeit und Gottesebenbildlichkeit jedes Menschen und den jenseitigen, weltabgewandten Auftrag des Evangeliums. Echte Christen widerstehen daher modischen Zeitgeisterscheinungen, dem Zwang staatlicher Kollektive oder politischen Ideologien.  

Nicht mit dem Strom zu schwimmen, heißt, dass Christen vor allem den Strömungen des Zeitgeistes besonders kritisch gegenüberstehen und stattdessen dem Prinzip von wahr und falsch folgen sollten. Der Wahrheitsbegriff des Zeitgeistes ist relativ. In der Bundesrepublik gilt natürlich der Satz des linken „Staatsphilosophen“ Jürgen Habermas, wonach die Wahrheit aus der offenen Kommunikation und dem gesellschaftlichen Nutzen hervorgehe. Wenn es die Mehrheit also als wahr und nützlich ansieht, dass die Erde eine Scheibe ist, dann muss die Erde demnach tatsächlich eine Scheibe sein. Oder einfacher gesagt und auf aktuelle Zeitgeisterscheinungen übertragen: Wenn alle vom menschengemachten Klimawandel reden, wird schon was Wahres dran sein.

Für echte Christen kann es aber nach dem Evangelium nur eine Wahrheit geben. Diese Wahrheit liegt in Jesus Christus, denn er sagte: „Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr wahrhaft meine Jünger, und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen“ (Johannes 8, 31 f.).

Diese Abwendung von politischen Moden, Ideologie und Zeitgeist setzt echte Christen aber auch großen Gefahren aus, denn machthungrige Menschen sehen im wichtigsten biblischen Gebot „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben“ ihr Streben nach Macht und Kontrolle bedroht. Egal, ob Konkurrenzreligionen wie der Islam oder Ersatzreligionen wie Sozialismus, Ökologismus und Genderismus, die sich vor allem in Europa und den USA, in ein geistiges Vakuum vorstoßend, ausbreiten konnten: Sie alle wollen auch Gott sein und wittern seit Jahrzehnten Morgenluft. Denn obwohl sich die Kirchen leerten, blieb das menschliche Bedürfnis nach Seelenheil konstant. Es suchte sich lediglich andere Wege. Die neue „Frömmigkeit“ irrlichtert irgendwo zwischen dem Dalai Lama, Greenpeace und veganem Essen umher. Und natürlich haben auch diese Pseudoreligionen ihre Todsünden und ihre Heiligen. Nehmen wir zum Beispiel den Ökologismus. Er fußt auf dem Glauben, dass die Natur, vom Grottenolm bis zum Silberfisch, heilig und der Menschen nur ein Störenfried ist. Das wichtigste Gebot des Ökoglaubens lautet daher: Du sollst immer ein schlechtes Gewissen haben! Denn wer lebt, schadet der Umwelt – allein schon durch seine CO2-schwangere Atemluft. Durch dauernde Buße und einen neuen Ablasshandel kann man sich aber von seinen Sünden befreien: Mit dem Kauf fair gehandelter Waren im Dritte-Welt-Laden oder von E-Autos kann man sich sein Seelenheil sichern. Besonders wichtig ist diese Art von Buße für die schlimmsten Sünder, denn die Schuld ist weiß, männlich und westlich! Die Unschuld ist eine Urwaldindianerin.

Sozialismus und Genderismus setzen zur Durchsetzung ihrer Machtansprüche auf die Spaltung der Gesellschaft, also auf das bewährte Prinzip des „Teile und Herrsche“. Dabei versuchen sie, die Sprache der Menschen zu manipulieren und zu dominieren. Stéphane Courtois, Herausgeber von ,,Das Schwarzbuchs des Kommunismus“, sieht ein ,,wesentliches Kennzeichen des Leninismus“ und anderer linker Ideologien wie dem Interventionismus in ,,der Manipulation der Sprache, also in der Abkoppelung der Wörter von der Realität“. So wurde die Berliner Mauer zum ,,antifaschistischen Schutzwall“, Regimegegner zu ,,Faschisten“ und Verteidiger der Freiheit zu ,,Reaktionären“.

Dieser linken Sprachmanipulation steht leider auch zunehmend die katholische Kirche sprach- und dadurch machtlos gegenüber. Anstatt die wahren Feinde des christlichen Glaubens beim Namen zu nennen und dem Zeitgeist mutig die Stirn zu bieten, haben viele Kleriker ihren wahren Feind im Kapitalismus entdeckt, obwohl die Staatsquoten nahezu explodieren und die Kommandowirtschaft, wie der „Green Deal“ der EU, immer neue Urstände feiert. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger hat sich leider vor allem Papst Franziskus auf einen sozialismusfreundlichen Irrweg begeben und die längst totgeglaubte marxistische „Befreiungs“-Theologie wiederbelebt.       

Die katholische Kirche steht aber nicht auf der Seite der Antikapitalisten, Sozialisten oder Etatisten, sondern heiligt das Privateigentum, selbst wenn es missbraucht oder missachtet wird. Zu nennen ist zum Beispiel Papst Pius XI., der dies unter Bezugnahme auf die Enzyklika Rerum novarum in Quadragesimo anno (Paragraph 47) bekräftigte. Das unerschütterliche christliche Eintreten für die Unantastbarkeit des Privateigentums ist auch Ausfluss der unverzichtbaren christlichen Ethik von der Einzigartigkeit und Gottesebenbildlichkeit jedes Menschen. Zu dieser Personalität des Menschen gehört natürlich auch jede zeitliche Dimension der menschlichen Existenz, nämlich in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Das Eigentum jedes Menschen manifestiert sich dabei in der Vergangenheit, also in den Leistungen seines bisherigen Lebens. Daher befassen sich auch gleich drei der zehn Gebote mit dem Schutz des Eigentums, nämlich das siebte, das neunte und das zehnte Gebot.

Auch die katholische Soziallehre als Antwort auf die Industrialisierung im 19. Jahrhundert und die Arbeiterfrage ist keine Handlungsanleitung für Enteignungen, Staatseingriffe und Planwirtschaft – ganz im Gegenteil:

Papst Leo XIII. betonte in der für die katholische Soziallehre entscheidenden Enzyklika Rerum novarum, (Paragraph 12): „Bei allen Versuchen, den niederen Klassen aufzuhelfen, ist also als Grundsatz festzuhalten, dass das Privateigentum unangetastet zu lassen sei.“

Im 20. Jahrhundert erklärte Papst Johannes XXIII., „dass das Privateigentum das Recht des Menschen auf Freiheit schützen und zugleich einen unentbehrlichen Beitrag zum Aufbau der rechten gesellschaftlichen Ordnung leisten muss“.

Am deutlichsten trat bislang Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika Centesimus annus (Paragraph 42) für das Privateigentum und die Marktwirtschaft ein: „Eine Gesellschaft, in der das Privateigentum unverletzlich ist, können wir eine vollständig freie Gesellschaft nennen, und ihr wirtschaftlicher Aspekt kann freier Markt oder freie Marktwirtschaft genannt werden. Wenn eine solche Wirtschaft durch christliche Nächstenliebe vervollkommnet wird, fördert sie wahrlich den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt.“

Die wahre katholische Lehre lehnte auch schon immer politischen Machtmissbrauch ab, auch wenn er verkleidet im Gewand des umverteilenden Wohlfahrtsstaates daherkam. Papst Johannes Paul II. äußerte sich in Centesimus annus (Paragraph 48) auch zu diesem Problem unmissverständlich: „Der Wohlfahrtsstaat, der direkt eingreift und die Gesellschaft ihrer Verantwortung beraubt, löst den Verlust an menschlicher Energie und das Aufblähen der Staatsapparate aus, die mehr von bürokratischer Logik als von dem Bemühen beherrscht werden, den Empfängern zu dienen; Hand in Hand geht eine ungeheure Ausgabensteigerung. Wie es scheint, kennt tatsächlich derjenige die Not besser und vermag die anstehenden Bedürfnisse besser zu befriedigen, der ihr am nächsten ist und sich zum Nächsten des Notleidenden macht. Es muss hinzugefügt werden, dass nicht selten eine bestimmte Art von Bedürfnissen keine bloß materielle Antwort erfordern, sondern dass es darauf ankommt, die tiefere menschliche Not und Anfrage herauszuhören.“

Der neosozialistische Öko- und Umverteilungsstaat und seine Jünger kennen natürlich diese Inhalte der wahren katholischen Lehre und fürchten deshalb die christliche Botschaft. Sie fühlen sich in ihrem ersatzreligiösen Heilsversprechen durch den als dreist empfundenen Wahrheitsanspruch des Christentums und insbesondere der katholischen Kirche gestört. Vor diesem Hintergrund sind viele Kultur- und Kirchenkämpfe der Vergangenheit und die gegenwärtigen Versuche der mannigfaltigen Unterwanderung und Spaltungen der Kirchen besser zu verstehen. Der Zeitgeist braucht die ersatzreligiöse Aura diverser Ideologien, die in unerbittlicher Feindschaft zu einer Religion stehen, die wie das echte Christentum, die Weltabgewandtheit in den Mittelpunkt ihrer Lehre gestellt hat.


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