20. Juni 2025 18:00

Iran Schlüsselland im Nahen Osten

Ein Blick auf seine Geschichte

von Thomas Jahn drucken

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Bildquelle: Mansoreh / Shutterstock Repressives Mullah-Regime: Wäre der Iran ohne westliche Einmischung heute ein freieres Land?

Der nicht erklärte Krieg zwischen Israel und dem Iran hat die Aufmerksamkeit der Welt auf ein Land gelenkt, das seit Jahrzehnten von Machthabern regiert wird, die man zu Recht als Vorbote späterer islamistischer Regime bezeichnen kann. Wem verdanken die Mullahs ihre Macht?

Der Iran war bis 1979 ein Kaiserreich unter der Herrschaft der Dynastie der Pahlavi. Mohammad Reza Pahlavi, der letzte Schah von Persien, kam 1941 mit 21 Jahren an die Macht, weil die Alliierten seinen Vater, den deutschfreundlichen Schah Reza Pahlavi, den Gründer der Pahlavi-Dynastie, stürzten. Reza Schah wurde zur Abdankung gezwungen, weil er sich geweigert hatte, mit Großbritannien und der Sowjetunion zu kooperieren. Beide Mächte fielen 1941 in den Iran ein, um ihre Einflusssphären und den ungehinderten Zugang zum Persischen Golf mit seinen wichtigen Häfen für den Transport des Öls aus Saudi-Arabien, Kuweit und dem Irak zu sichern.

Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs blieb der Iran ein Spielball der Großmächte. Vor allem Großbritannien hatte sich mit der Anglo-Iranian Oil Company (AIOC, später British Petroleum, BP) die Kontrolle über die gerade erst entwickelte iranische Ölindustrie gesichert. Als der damalige iranische Ministerpräsident Mohammad Mossadegh diese Ölindustrie verstaatlichte, inszenierten die CIA und der britische MI6 1953 mit der Operation Ajax einen Staatsstreich gegen Mossadegh, der zum Rücktritt gezwungen wurde. Die USA und Großbritannien fürchteten, dass durch Mossadeghs Regierung der sowjetische Einfluss auf den Iran wachsen könnte, denn geostrategisch ist die Landmasse des Irans die kürzeste Verbindung zwischen Sowjetisch-Zentralasien mit den Ölfeldern des Kaspischen Meers und der Meerenge von Hormus mit ihrem Zugang zu den internationalen Schifffahrtsrouten. Mit dem Sturz Mossadeghs übernahm Schah Mohammad Reza Pahlavi endgültig die Regierungsmacht, die seither allerdings mit dem Makel einer amerikanisch-britischen Marionette belegt war.

Die ursprünglich von Moskau aus initiierte antikolonialistische Bewegung, die zuerst in Frankreich während des ersten Vietnam- und vor allem des darauffolgenden Algerienkriegs Fuß fasste und anschließend, während des zweiten Vietnamkriegs in den 60er Jahren, in den USA zu Hochtouren auflief, entdeckte den Schah von Persien schon früh als dankbares Hassobjekt. Auch die westdeutsche Apo, vor allem die von Rudi Dutschke angeführte linksradikale Studentenbewegung ergriff beim berühmt und berüchtigt gewordenen Staatsbesuch des Schahs 1967 in Westberlin die Gelegenheit, mit Krawall auf sich und die Unterdrückungsmethoden des Schah-Regimes aufmerksam zu machen. Tatsächlich führte Mohammad Reza Pahlavi sein Land mit autoritären Methoden. Oppositionelle wurden durch die Geheimpolizei Savak verfolgt. Insgesamt erlebte das Land aber eine beispiellose Modernisierung, die am ehesten nur mit der Politik Kemal Atatürks, dem Gründer der modernen Türkei, verglichen werden kann. Bis zum Sturz des Schahs war das Land ein wichtiger Stabilitätsanker im Nahen Osten. Der Schah kooperierte nicht nur mit allen westlichen Ländern, sondern auch mit Israel, was angesichts der heutigen Bilder kaum zu glauben ist. Teheran war bis 1979 eine moderne Großstadt. Kaum eine Frau trug ein Kopftuch oder den Tschador.    

Das Desaster nahm mit dem Jahr 1977 seinen Lauf. Damals errang der naive US-Demokrat Jimmy Carter die Präsidentschaft. Nach der Niederlage in Vietnam wollte er der Welt und seinen Wählern eine Politik präsentieren, die sich vor allem an der Wahrung von Demokratie und Menschenrechten orientierte. Als sich der Schah 1978 einer Welle von Protesten, angeführt von einer breiten Koalition aus Islamisten, Kommunisten und Nationalisten, gegenübersah, ließ ihn die US-Regierung fallen. Jimmy Carter hoffte, sich damit die Sympathie einer neuen gemäßigten Regierung sichern zu können. Noch blauäugiger agierte die französische Regierung: Präsident Valéry Giscard d’Estaing beugte sich dem Druck der antikolonialistischen und antiamerikanistischen Linken, angeführt von Intellektuellen wie Jean-Paul Sartre und Michel Foucault, und ließ den iranischen Revolutionsführer und Geistlichen Ajatollah Chomeini, der sich 1978 im Exil in dem nahe Paris gelegenen Dorf Neauphle-le-Château aufhielt, mit einer Air-France-Maschine nach Teheran bringen. Dort angekommen, ließ er die Maske des harmlosen, bescheidenen und ehrlichen schiitischen Geistlichen fallen und schaltete mithilfe seiner Revolutionsgarden und durch Mobilisierung der Massen die gemäßigte Übergangsregierung aus. Mit einem Verfassungsreferendum sicherte er sich als oberster religiöser Führer endgültig die absolute Macht in seiner neu formierten islamistischen Theokratie. Zu dieser „geglückten“ sogenannten „Islamischen Revolution“ kann man aus heutiger Sicht vor allem Jimmy Carter und Valéry Giscard d’Estaing gratulieren. Beide unterschätzten in fataler Weise die Dynamik der Mullah-Revolution und die Macht der islamistischen Fraktion unter Ajatollah Chomeini, was einen noch weitaus peinlicheren und einfältigeren Politiker wie Frank-Walter Steinmeier nicht davon abhielt, dem Nachfolger Chomeinis im Februar 2019 „im Namen meiner Landsleute“ zum 40. Jubiläum der Islamischen Revolution zu gratulieren.

Nur wenige haben sich seit 1979 mit der Frage beschäftigt, was der Welt erspart geblieben wäre, hätten westliche Regierungen, allen voran die USA, Großbritannien, aber auch Frankreich, auf Interventionen im Iran, vor allem 1953 und 1979, verzichtet. Die US-Botschaft in Teheran mit einer fast zweijährigen Geiselkrise wäre nicht gestürmt worden. Der blutige Iran-Irak-Krieg, der von 1980 bis 1988 tobte und wahrscheinlich bis zu 800.000 Menschen das Leben gekostet hat, wäre nicht ausgebrochen. Die schiitische Terrororganisation Hisbollah, die das neuen Mullah-Regime im Zuge des Libanonkriegs 1982 als Vorposten am Mittelmeer installierte, wäre nie entstanden, ebenso wenig wie die terroristische Hamas, die seit 1987 auch mit Geldern aus dem Iran finanziert wird.

Das iranische Regime entwickelte sich im gesamten Nahen Osten nicht nur zu einem Hauptfinanzier des islamistischen Terrors, sondern dehnte seinen Einfluss nach dem Sturz des Diktators Saddam Hussein auch in den Irak aus, hielt im Syrischen Bürgerkrieg Präsident Baschar al-Assad 13 Jahre an der Macht und entfachte im Jemen einen Stellvertreterkrieg gegen seinen regionalen Erzrivalen Saudi-Arabien.

Für dieses Desaster und den aktuellen Krieg tragen Politiker die Verantwortung, die sich in einem staatsgläubigen Machbarkeitswahn verfangen haben. Die außenpolitischen Vorstellungen dieser Protagonisten sind dabei ein Spiegelbild ihres kollektivistischen, technokratischen Menschenbilds, wonach die ideale Gesellschaft mit entsprechenden Interventionen geformt werden könne. Was die Verbots-, Hochsteuer- und Umverteilungspolitik im eigenen Land ist, kommt in der Außenpolitik als „Nation Building“ und „Demokratie-Export“ daher. Dieselbe Art von Interventionspolitik, die die heutigen Probleme im Nahen Osten geschaffen hat, schickt sich schon wieder an, ein zweifellos gefährliches Regime wegbomben zu wollen. Nach Jahrzehnten der Fremdherrschaft und der theokratischen Diktatur wäre es den Völkern des Irans zu wünschen, eine Zukunft ohne kollektivistischen Zwang, ohne Islamismus, ohne Diktatur und Gewalt selbstbestimmt gestalten zu können.              


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