05. Dezember 2023 17:00

Auch ein politisches Spaltungsthema Der Wolf ist auf dem Vormarsch

Verträgliche Lösungen können jedoch nur dezentral gefunden werden

von Christian Paulwitz

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Bildquelle: Shutterstock Wolfsdichte: In Deutschland bestimmt selbstverständlich auch hierüber der Nanny-Staat

Seit dem Ende der DDR, in der der Wolf konsequent bejagt wurde, wenn einzelne Tiere über Polen oder die damalige Tschechoslowakei einwanderten, breitet sich der Wolf in Deutschland, aber auch in Österreich immer weiter aus, ungehindert von Grenzanlagen. Da er von der EU unter Naturschutz gestellt wurde – besonders streng beachtet natürlich in Deutschland – und die Bejagung daher verboten ist, sind dem Bestandswachstum erst einmal keine Grenzen gesetzt, außer einer noch unbekannten natürlichen Sättigung. In Deutschland hat er sich vor allem in Brandenburg, das mittlerweile die höchste Wolfsdichte in Europa aufweist (sic!), Sachsen, Mecklenburg und Niedersachsen ausgebreitet, während der Bestand in Bayern noch nicht sehr groß ist und sich deutlich langsamer entwickelt. Nur im nördlichen Bayern kommt der Wolf über die Osteuropa-Route; von Süden wandern Wölfe über die Alpen zu. In meiner Umgebung waren mir bisher in der nördlichen Oberpfalz bestätigte Meldungen bekannt sowie ein Wolfsrudel im Altmühltal in der Gegend von Eichstätt, wo ich aufgewachsen bin. Nun ist mir Mitte November auch ein Wolf vor eine Wildkamera gelaufen, im Landkreis Regensburg – ein guter Grund, sich ein bisschen mehr mit ihm zu befassen.

Wie alle Themen in diesem Land ist auch der Umgang mit dem Wolf hoch politisiert und anscheinend von unversöhnlichen Gegensätzen geprägt, da Sonderinteressen gegen Eigentumsinteressen mit Hilfe zentraler staatlicher Vorgaben durchgesetzt werden. Man könnte überspitzt die beiden Lager der städtischen Latte-Macchiato-Naturschützer mit den Naturschutzverbänden für die ungehemmte Wolfsausbreitung auf der einen Seite ausmachen und auf der anderen die Landbevölkerung, die in ihrer Lebenswelt eher vor Augen hat, mit dem Wolf direkt oder indirekt in Kontakt zu kommen und gut darauf verzichten könnte. Aber das trifft es natürlich nicht, und das Bild ist auch nur Ausdruck der politischen Spaltung, die dadurch begründet ist, dass eine zentrale politische Instanz mit flächendeckendem Anspruch eine radikale einseitige Position einnimmt und sich gleichzeitig zur Bittstelle um Ausnahmen oder für materiellen Ausgleich macht – natürlich auf Kosten Dritter, wie immer in der Politik. Das ist der zentrale Fehler, der irgendwann auch der Akzeptanz des Wolfes dann so weit schaden wird, dass die Duldung der ungehinderten Ausbreitung direkt wieder in eine konsequente Bekämpfung umschlagen könnte. Mehr als 4000 Risse von Nutztieren im Jahr 2022 in Deutschland durch Wölfe sind schon eine deutliche Zahl, mit steigender Tendenz, und natürlich hat man bei einer gewissen Nähe zur Landwirtschaft eine andere Vorstellung davon, was das an Aufwand, Umständen und Kosten für Schutzmaßnahmen, aber auch für bürokratische Anträge erfordert, als das in technokratischen Polito­rganisationen präsent ist, die nur in Kategorien von Verboten, Vorschriften und finanziellen Kompensationen denken können, und wo Geld einfach da zu sein scheint, wenn die Politik „ja“ sagt.

Der politisch organisierte Naturschutz lebt von Protagonisten, die sich dem Schutz einer Tierart verschrieben haben, sich dabei gut fühlen, sie mit Hilfe des Staates unantastbar zu machen und die daraus entstehenden Kosten steuerfinanziert auf Dritte abzuwälzen. Im medial organisierten Gut-Böse-Diskurs werden dann auch die Kosten für andere Tierarten ausgeblendet, für die sich der politisch vernetzte Naturschützer halt nicht so interessiert, wie zum Beispiel das Muffelwild, dessen Koexistenz mit dem Wolf in flachem Gelände auf Dauer nicht möglich ist, was sich in Brandenburg mittlerweile zeigt. Das Mufflon, ein Wildschaf, das ursprünglich aus Kleinasien kam, wo die Bestände mittlerweile jedoch sehr niedrig sind, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von Korsika und Sardinien aus nach Deutschland eingeführt. Zwar ist es hier nicht heimisch, doch spielt die Population in Deutschland angesichts des Rückgangs andernorts eine nicht unbedeutende Rolle für die Art insgesamt. Im Raum Lüneburg sollen die Bestände genetisch zudem mit am ursprünglichsten gewesen sein. Dort und in Brandenburg werden sie durch die Ausbreitung des Wolfs voraussichtlich in wenigen Jahren ausgelöscht sein. Auch dem Damwild setzt der Wolf stark zu. Vor dem Naturschutz sind eben nicht alle Tierarten gleich – einige sind etwas gleicher.

In dicht besiedelten Regionen ist es selbstverständlich, dass es bei zunehmenden Wolfspopulationen zu Konflikten kommen muss, wo die Reviere, die pro Wolfsrudel die Größenordnung von 200 Quadratkilometern ausmachen, an die Zivilisation grenzen. Da geht es weniger um den direkten Konflikt mit dem Menschen, denn Wölfe sind scheu. Kein erwachsener Mensch muss sich beim Waldspaziergang vor einem Wolf fürchten. Eher schon hat der Familienhund ein Problem, wenn er mal ausbüchst oder sich zu weit entfernt und dann an einen Wolf gerät, der keinen Konkurrenten in seinem Revier duldet. In der Regel wird dieser kurzen Prozess machen. Vor allem lernt der Wolf aber, dort zu jagen, wo er am einfachsten Beute machen kann. Das führt je nach Region und dort üblicher Weidetierhaltung zu unterschiedlich großen Problemen. Ob Wölfe, die sich an die zivilisatorischen Verlockungen leicht zugänglicher Beutetiere so sehr gewöhnt haben, dass sie diese immer häufiger aufsuchen, dadurch mit zunehmender Wahrscheinlichkeit in Situationen geraten, wo es zu einem direkten Konflikt mit unbeteiligten Menschen kommen kann – zum Beispiel mit Kindern –, ist letztlich noch nicht abschließend geklärt. Der Großversuch läuft ja jetzt erst gerade.

Einstweilen wird das ausgeblendet. Beispielsweise in größeren Waldgebieten jedoch könnte der Wolf durchaus auch in Deutschland seinen Lebensraum in Koexistenz mit dem Menschen finden, ohne dass dies zu größeren Problemen führen würde. Wie groß die Population dann sein dürfte, ist unbekannt, und kein zentraler politischer Entscheider, ob in Brüssel oder Berlin und nicht einmal in München, kann dies wissen und beurteilen. Es müsste dezentral herausgefunden werden und würde zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, die über die Zeit auch noch angepasst würden.

Was läge näher, als auf möglichst kleiner regionaler Ebene über die Bestandskontrolle zu wachen, je nach den jeweiligen Bedürfnissen? Traditionell wäre das Jagdrecht in Deutschland ohnehin an den Boden gebunden und damit dort verankert, wo mögliche Schäden in der Viehwirtschaft eine Rolle spielen, für die kein anderer aufzukommen hat. Zugegeben, bei fehlender Sozialisierung der Schäden würde es mancherorts zu einer konsequenten Verfolgung des Wolfes kommen – dort, wo die Schäden groß sind. Doch dass dies ohne zentrale Steuerung überall der Fall wäre, davon ist nicht auszugehen, denn die Bejagung des Wolfes ist mit Aufwand verbunden. Schließlich ist auch die Bekämpfung des Wolfes im 18. und 19. Jahrhundert in Sachsen und Preußen bis zu seiner vorübergehenden Ausrottung eine Folge staatlicher Zentralpolitik, ebenso wie die Verhinderung der Neuansiedlung in der DDR.

Der Wolf ist eine interessante und beeindruckende Tierart und hat sicher ihren Platz – nur eben nicht überall. Ich jedenfalls bin neugierig geworden und gespannt, ob mir der Zufall einmal die Gelegenheit zur Beobachtung in freier Wildbahn schenkt.


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