Politischer Wandel: Wird Markus Krall der deutsche Milei?
Über das Erfordernis zur Schaffung von „Freiheits“-Räumen
von Thomas Jahn
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Am 10. Dezember 2023 wird Argentinien erstmals in seiner Geschichte von einem libertären Staatspräsidenten regiert, der dem abgewirtschafteten Schuldenstaat mit seiner Inflation, Bürokratie und Korruption den Kampf angesagt hat. Könnte es auch in Deutschland eine ähnliche Entwicklung geben und, wenn ja, könnte Markus Krall ein deutscher Milei sein und in die Fußstapfen Ludwig Erhards treten?
So sehr man sich als vernunftbegabter Realist und Freiheitsfreund Markus Krall als Bundeskanzler oder zumindest als Wirtschaftsminister wünschen würde: Deutschland ist aus mehreren Gründen leider noch nicht reif für eine Regierung, die den unheilvollen Teufelskreis aus immer mehr Staatsausgaben, Steuern, Misswirtschaft und Inflation durchbricht und die Fahrt in Richtung Sozialismus stoppt.
Liegt es daran, dass alles, ähnlich wie in Argentinien, erst noch viel schlimmer werden muss, bevor es besser werden kann? Müssen sich die aktuellen Krisen erst noch vertiefen und zu einer spürbaren Verarmung größerer Teile der Bevölkerung führen?
Markus Krall, der zu Recht bereits seit einigen Jahren vor einem wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenbruch Deutschlands warnt, kündigte vor wenigen Wochen an, eine neue Partei als „Brücke“ zwischen Union und AfD gründen zu wollen, um auf Bundesebene endlich wieder eine Regierungsbildung ohne linke Parteien zu ermöglichen.
Dabei dürfte es wahrscheinlich zumindest innerhalb der EU kein Land geben, in dem die Gründung und vor allem die Etablierung einer neuen Partei auf derart viele rechtliche Hürden stößt wie in Deutschland. Während sich in den letzten 20 Jahren die Parteienlandschaft in fast allen europäischen Staaten, vor allem in Frankreich, Italien, Tschechien und den Niederlanden, völlig verändert hat, blieb sie in Deutschland vergleichsweise statisch. In der gesamten Geschichte der Bundesrepublik konnten sich neben deren Gründungsparteien dauerhaft nur zwei Parteien, nämlich Bündnis 90/Die Grünen und die AfD neu etablieren, wobei die Partei „Die Linke“ keine Neugründung war, sondern nur die Fortsetzung der mächtigen und reichen Staatspartei der DDR unter neuem Namen.
Die Geschichte zeigt also, dass die Erfolgschancen für eine neue Partei denkbar schlecht stehen. Umso interessanter wäre es, die Rahmenbedingungen und die Voraussetzungen für Xavier Mileis Wahlerfolg in Argentinien genauer zu analysieren. Dabei lassen sich für seinen Erfolg schon jetzt zwei mögliche Ursachen ausschließen:
Erstens: Die wirtschaftliche Lage Argentiniens ist nicht erst seit einigen Jahren desolat. In nicht einmal zehn Regierungsjahren schaffte es der National-Sozialist Juan Perón, das einst reichste Land Südamerikas in ein Wirtschaftschaos zu stürzen. Die Zeit für eine Politik der wirtschaftlichen Vernunft wäre in Argentinien also schon vor 65 Jahren reif gewesen.
Zweitens: Drei Jahre nach der gewaltsamen Entmachtung Peróns hielt Ludwig von Mises 1958 seine sechs berühmten Vorlesungen über Wirtschaft und Politik an der Universität von Buenos Aires. Die Mitschriften wurden 1979 in englischer Sprache und erst 1983 auf Deutsch unter dem Titel „Vom Wert der besseren Ideen“ veröffentlicht. Diese Ideen sind und waren auch die Ideen Xavier Mileis. Und auch der Titel ist charakteristisch für Ludwig von Mises, der zeitlebens meinte, dass sich die guten Ideen und Argumente des klassischen Liberalismus von alleine durchsetzen würden, weil sie in sich konsistent, logisch und für jedermann nachvollziehbar seien. Leider sollte Ludwig von Mises in dieser Frage nicht recht behalten. Denn andernfalls wäre Argentinien heute schon längst wieder eines der reichsten Länder der Erde. Die besseren Ideen und Argumente setzen sich auch oder gerade in Demokratien nicht von alleine durch.
Gerade das Beispiel Argentiniens beweist, dass die oft, auch in libertären oder liberal-konservativen Kreisen geäußerte Ansicht, es brauche nur eine ausreichend große Krise, damit sich die Mehrheit der Menschen sehr schnell von den linken Versprechen des Interventionismus und des Umverteilungsstaates abwenden würde, trügerisch ist. Ähnlich wie die Vorstellung, dass eine neue, unverbrauchte Partei mit gutem Programm Freiheit, Wohlstand und Recht zum Durchbruch verhelfen könnte, dürfte sich auch der Glaube an die Vernunft und Einsichtsfähigkeit der Mehrheit als Irrtum erweisen. Beide Sichtweisen unterschätzen die Macht und den Machthunger der „anderen Seite“, die viel zu verlieren hat. Populistische Umverteilungspolitiker wie Perón und seine zahllosen Nachahmer in Deutschland, Europa oder Amerika sind nicht inkompetent, unwissend oder unfähig. Im Gegenteil: Das Spiel mit der Krise ist ihr Geschäft und ihre Machtbasis. Sie geben vor, als Politiker unentbehrlich zu sein und Probleme, die sie erst selbst geschaffen haben, mit immer neuen Regierungsbefugnissen lösen zu können. In diesem Teufelskreis stirbt nach der wirtschaftlichen auch die politische und persönliche Freiheit – Stück für Stück. Kein Interventionist, der bereit wäre, Abgaben senken, Schulden zurückzuzahlen und den Menschen wieder Freiräume einzuräumen! Müsste er dann doch zugeben, dass er sich immer schon grundlegend geirrt hatte.
In Deutschland wird diese staatliche Interventionsspirale schon seit Jahrzehnten auch durch ein stilles breites Bündnis aus Konzernen, Banken, Gewerkschaften, Kirchen, Verbänden und Medien angefacht. Dieses Kartell fürchtet Newcomer und freien Wettbewerb wie der Teufel das Weihwasser. Es ruft in jeder Krise nur nach neuen staatlichen Transfers, würde aber am ökosozialistischen Kurs nach Marx, Murks und Merkel an sich nie rütteln. Wird in Berlin die Direktive ausgegeben, dass nun der Euro zu retten sei, koste es, was es wolle, sekundieren alle Banken und Konzerne. Wünscht die Regierung den Bau von E-Autos, steht die Autoindustrie bereitwillig Gewehr bei Fuß, sei dieser Wunsch auch noch so absurd.
Das mächtige Kartell aus Staatslobbyisten, Umverteilungspolitikern, Subventionsempfängern und sonstigen Profiteuren eines leistungslosen Systems schätzt weder den freien Austausch von Argumenten noch den Wert besserer Ideen und bekämpft daher jeden Kritiker unnachsichtig als Feind. Viele Tausend „gecancelte“, wirtschaftlich und sozial zerstörte Existenzen, gerade auch in der Zeit der „Corona-Maßnahmen“, mögen dies belegen.
Die Gründung einer Partei oder Kandidaturen wie die von Xavier Milei sind daher immer nur der zweite Schritt. Der erste Schritt besteht darin, mediale und vorpolitische Räume zu schaffen, in denen die besseren Ideen präsentiert und frei diskutiert werden und in denen sich Persönlichkeiten wie Krall, Milei oder andere Verfechter der Freiheit bewegen und entfalten können. Solche „Freiheits“-Räume können nur durch breite Bündnisse und durch die Konzentration auf das Wesentliche entstehen. Gerade die Macher vieler kleiner alternativer Medien sollten sich daher fragen, wie und wo es mit anderen Alternativmedien einen kleinen, aber gemeinsamen Nenner geben könnte. Sie sollten sich nicht durch Randthemen auseinanderdividieren lassen, sondern durch Zusammenarbeit und durch den Fokus auf Reichweitenstärke gemeinsam diejenigen ins Visier nehmen, die den freien Austausch neuer Ideen seit Jahren verhindern. Freiheitliche Politik entsteht nicht durch Zufall. Ein neuer „Messias der Freiheit“ fällt nicht vom Himmel und schafft es nie im Alleingang. Es braucht vielmehr Menschen und Institutionen, die sich zunächst auf wenige existenzielle Grundlagen einer echten Meinungsfreiheit verständigen und es schaffen, die Mauer der Ausgrenzung und Diskriminierung Andersdenkender zu durchbrechen.
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