Gemeinsam für die Freiheit: Bitte nicht schon wieder eine neue Partei!
Bündeln wir lieber unsere Kräfte
von Thomas Jahn drucken

Unser geschätzter Mitkolumnist Oliver Gorus hat es auf der letztjährigen ef-Konferenz auf Usedom „angedroht“. Die Rede ist von der Gründung einer wirklich freiheitlichen Partei, die endlich das besorgen soll, was andere bürgerliche Parteien nicht geschafft oder nicht gewollt haben: die Konzentration auf den konsequenten Rückbau des Staates, ohne Rücksicht auf eigene Pfründe und Politikerprivilegien (den Vortrag von Oliver Gorus hierzu finden Sie im untenstehenden Link). Die neue Partei soll, ähnlich wie das Bündnis Sahra Wagenknecht, einer Art exklusivem Klub gleichen. Mitglieder sollen nur in sehr geringer Zahl und nach eingehender Prüfung aufgenommen werden. Keimzelle für die neue Partei ist der bereits gegründete Verein „Team Freiheit“, angeführt von der früheren AfD-Vorsitzenden Frauke Petry. Wer es allerdings vielleicht als künftiges Parteimitglied ins „Team Freiheit“ schafft, darf nicht für öffentliche Ämter und Parlamentsmandate kandidieren, um zu vermeiden, dass eine gewöhnliche Partei entsteht, die letztendlich nur die üblichen Polit-Karrieristen anzieht und die inhaltliche Arbeit aus dem Blickfeld verliert.
Frauke Petry, die die von ihr mitgegründete AfD 2017 im Streit verlassen hatte und die ihre neu gegründete „Blaue Partei“ Ende 2019, ein Jahr nach deren Gründung, wieder auflöste, soll offenbar die künftige Gallionsfigur der neuen Partei werden. Im Interview mit der „Welt“ Anfang Mai 2025 gab sie weitere Einblicke zur inhaltlichen Ausrichtung, wonach die Lücke im Parteiensystem nicht nur zwischen CDU und AfD, sondern auch „in der Leerstelle eines anti-etatistischen, freiheitlichen Angebots“ klaffe. Das Programm der neuen Partei werde „eine Erneuerung der kulturellen Westbindung und ein anti-etatistisches Angebot als positiver Gegenentwurf zur bisherigen Parteienlandschaft sein“. Wichtigstes politisches Ziel sei die Senkung der Staatsquote von derzeit 50 auf 25 Prozent innerhalb von fünf Jahren, nach dem Vorbild der liberal-libertären Politik des argentinischen Präsidenten Xavier Milei.
Trotz dieses ungemein sympathischen und angesichts der multiplen Krisen in Deutschland mehr als notwendigen Programms erkannte schon Oliver Gorus die Komplexität der mit einer Parteineugründung verbundenen Herausforderungen, die mit dem Hinweis auf die sprichwörtliche Quadratur des Kreises noch harmlos umschrieben sind. Nicht umsonst lautete der Titel seines zuvor erwähnten Vortrags „Warum eine freiheitliche Partei unmöglich, aber notwendig ist“.
Unmöglich ist zum Beispiel der geplante Ausschluss der Parteimitglieder von Kandidaturen für die auf kommunaler und staatlicher Ebene zu vergebenden Ämter. Nach deutschem Recht wäre eine Parteisatzung unzulässig, die festlegt, dass Mitglieder derselben Partei nicht als Wahlbewerber im Sinne des Paragraphen 17 Parteiengesetz kandidieren dürfen. Das Parteiengesetz und die verfassungsrechtlichen Grundsätze verlangen, dass die innerparteiliche Willensbildung demokratisch erfolgt und dass alle Mitglieder der Partei grundsätzlich dieselben Möglichkeiten wie alle anderen Staatsbürger haben, an der politischen Willensbildung und somit an allen Wahlen teilzunehmen. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu mit Beschluss vom 20. Oktober 1993 (Aktenzeichen: 2 BvC 2/91) eine Reihe von detaillierten Anforderungen bei der Kandidatenaufstellung durch Parteien für eine Wahl, zum Beispiel zum Deutschen Bundestag, festgelegt. Das Bundesverfassungsgericht sieht in der Aufstellung der Wahlkreis- und Listenkandidaten durch die Parteien einen wesentlichen Bereich der Wahlvorbereitung, weil damit überhaupt die notwendige Voraussetzung für die Wahl selbst geschaffen und das aktive und passive Wahlrecht unmittelbar berührt werde. Die in Artikel 38 des Grundgesetzes festgelegten Wahlgrundsätze der Allgemeinheit, Gleichheit und Freiheit der Wahl müssten sich daher auch auf die Wahlvorbereitung, also auf das Wahlvorschlagsrecht beziehen. Damit ist klar, dass das „Team Freiheit“ nicht verhindern kann, dass künftige Parteimitglieder auch für Parlamentssitze oder Bürgermeisterämter kandidieren.
Unrealistisch ist auch die Vorstellung, die Mitgliederzahl der neuen Partei müsse klein bleiben, um die Exklusivität zu bewahren und Querulanten, Karrieristen und Selbstdarsteller fernzuhalten. Auch dieser durchaus sympathisch anmutenden und vernünftig klingenden Idee steht das deutsche Parteiengesetz entgegen, das für die Aufstellung von Kandidaten für alle Volksvertretungen eine geheime Abstimmung vorsieht. Um demnach erfolgreich in einem Flächenland wie Baden-Württemberg zu einer Landtagswahl antreten zu können, muss eine Partei Direktkandidaten präsentieren, also nicht nur eine Landesliste. Die Direktkandidaten können aber nicht „par ordre du mufti“ durch den Landesvorstand einer Partei bestimmt werden, sondern müssen im jeweiligen Wahlkreis, der auf Landesebene meist der Größe eines Landkreises entspricht, im Wege einer geheimen Wahl durch die im Wahlkreis mit Erstwohnsitz ansässigen Parteimitglieder nominiert werden. In Baden-Württemberg befinden sich derzeit 70 Direktwahlkreise. Für eine geheime Wahl sind nach Adam Riese daher mindestens drei Personen nötig, sodass eine neue Partei in diesem Bundesland über mindestens 210 Mitglieder verfügen müsste, was allerdings für eine gleichmäßige Verteilung niemals ausreichen dürfte, sodass wohl eher 500 Mitglieder angepeilt werden müssten.
Eine weitere, für viele neue Parteien unmöglich zu bewältigende Hürde stellt die Wahlzulassung durch Unterschriften dar. Um beispielsweise wiederum mit einer baden-württembergischen Landesliste zur nächsten Bundestagswahl antreten zu können, müssten landesweit 2.000 Unterstützerunterschriften gesammelt werden. Dies ist nur für eine mitgliederstarke Partei oder mit beachtlichem Geldeinsatz möglich.
Um es kurz zu machen: Das deutsche Parteienrecht und die rechtlichen Voraussetzungen für die Zulassung bei Wahlen haben bereits etablierte Parteien kreiert, die natürlich kein Interesse daran hatte, neuen Parteien das Leben leicht zu machen. Daher gab es in der deutschen Parteiengeschichte seit 1949 mit den Grünen und der AfD im Grunde zur zwei Parteien, die es über mehrere Legislaturperioden geschafft hatten, sich in den Parlamenten auf Landes- und Bundesebene zu etablieren.
Für die in der Tat mehr als notwendige Freiheitswende sollten sich alle Freiheitsfreunde daher besser auf Ideen konzentrieren, wie die bereits existierenden freiheitlichen Parteien – egal, ob „Bündnis Deutschland“, „Die Basis“, „Werteunion“, „Die Libertären“ oder die „Partei der Vernunft“ – fusionieren und ihre Wahlchancen dadurch erheblich steigern könnten. Es ist eben nicht egal, wie viele Mitglieder eine Partei hat, sondern es braucht eine bestimmte Anzahl von Mitgliedern, um allein die notwendigen Wahlen zur Aufstellung von Wahlbewerbern durchführen zu können. Diese Zahl dürfte bundesweit bei etwa fünf- bis sechstausend Personen liegen. Die Mitgliederzahl entscheidet auch über die Kampagnenfähigkeit einer Partei, um zum Beispiel die in vielen Bundesländern möglichen Bürgerentscheide auf kommunaler Ebene oder sogar Volksentscheide auf Landesebene anstoßen zu können. Das argentinische Vorbild von Xavier Milei hat gezeigt: Der Erfolg einer Freiheitswende liegt in der Überwindung der Zersplitterung des freiheitlichen Lagers und in der Bündelung der Kräfte.
Liebe Frauke Petry und lieber Oliver Gorus: Investieren Sie Zeit und Geld daher lieber in die Bündelung unserer Kräfte. Wir haben genügend freiheitliche Parteien in Deutschland. Verhelfen wir endlich der Sache der Freiheit gemeinsam zum Erfolg!
Oliver Gorus: Paradox: Warum eine freiheitliche Partei unmöglich, aber notwendig ist (ef-Konferenz)
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