10. Dezember 2023 07:00

Freiheitsespresso XVII Wer ist der GOAT, der größte Ökonom aller Zeiten?

Über eine Fan-Perspektive, Kriterien und GPT-4

von Michael von Prollius (Beendet)

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Bildquelle: Singularitysummit / Flickr (CC BY-NC-SA 4.0 Deed | Attribution-NonCommercial-ShareAlike 4.0 International) Tyler Cowen: Stellt sich die Frage nach dem größten Ökonomen aller Zeiten

GOAT, the Greatest Of All Time, ist eine Bezeichnung für den besten Spieler, zum Beispiel im Basketball, im Football oder im Fußball. Als Fan hat jeder seine persönliche Perspektive, seine Bewertung, seine Vorlieben und blinden Flecke bei der Beurteilung. Michael Jordan wäre ein guter Kandidat für den GOAT im Basketball. Tom Brady ist es im American Football. Wäre es Pelé im Fußball – auch heute noch? Statistiken helfen bei der Antwortsuche.

Der amerikanische Ökonom Tyler Cowen (*1962) von der George Mason University hat ein Buch geschrieben über den größten Ökonomen aller Zeiten: „GOAT: Who is the Greatest Economist of All Time and Why Does it Matter?“ Cowen ist kein ausgewiesener Experte für ökonomische Ideengeschichte, aber ein versierter Chronist der ökonomischen Ideengeschichte seiner Zeit, fachkundig über ökonomische Schulen hinweg, und er argumentiert sehr differenziert. Dabei reflektiert er explizit, dass auch sein Urteil durch eigene Interessen, Erfahrungen und Voreingenommenheiten geprägt sein kann. Ökonomen, die unserem Weltbild entsprechen, deren Ideen uns berühren und die uns auf eine neue Art denken lassen, gefallen uns besonders.

Wer ist für Tyler Cowen der GOAT?

Zunächst ist es wichtig, die Kriterien kennenzulernen, die er für die Bewertung anlegt. Sonst droht Streit mit Narrativen, der lediglich ein vehementes Austauschen von Meinungen wäre, anstatt sich über die Kriterien und deren Anwendung Gedanken zu machen. Das gilt umso mehr, als Leser dieser Kolumne Ludwig von Mises vermissen dürften, der es nicht einmal auf die Short List schafft – aus zutreffenden Gründen.

Tyler Cowens Kriterien für den Titel „Größter Ökonom aller Zeiten“ sind: erstens einflussreiche Theorien für die Wirtschaftswissenschaft, zweitens praktische Relevanz der Theorien für die reale Welt, drittens Innovation durch bahnbrechende neue Forschungsfelder oder Konzepte, viertens Langzeiteinfluss als Ökonom und Beeinflussung der Denkweise von Ökonomen und Praktikern, fünftens Breite des Werks und themenübergreifende Einsichten und sechstens Resilienz durch Überwinden von Hürden und starker Kritik über die Zeit.

Tyler Cowen bemüht sich um eine ausbalancierte Bewertung, die (breite) intellektuelle Performance und analytische Power mit Einfluss auf die Zunft und die Welt verbindet, dabei die Zukunft vorwegnimmt und sie formt. Anders als beim Sport gibt es in den Wirtschaftswissenschaften keine vergleichbaren Statistiken. Ähnlich wie beim Sport haben Ökonomen in ihrer (Lebens-) Zeit eine Rolle gespielt und die Zeiten haben sich geändert. Zudem lassen sich Ökonomen verschiedene Rolle zumessen: Theoretiker, Berater, empirische Wissenschaftler.

Machen wir es ein letztes Mal spannend. Wer ist der Ökonom, mit dem sich Tyler Cowen am liebsten unterhalten würde? John Maynard Keynes, aufgrund seines scharfen Verstands und seiner breiten Bildung sowie dessen Fähigkeit, Konversation auf dem höchsten Niveau zu betreiben. Und Keynes schafft es ins Finale.

Das gilt nicht für Ludwig von Mises, trotz bemerkenswerter Beiträge zum ökonomischen Denken, insbesondere dem Problem der Wirtschaftsrechnung im Sozialismus, der Praxeologie, der Theorie der Konjunkturzyklen. Mises’ Einfluss auf die ökonomische Zunft war im Vergleich mit Keynes und Friedman gering. Das gilt auch für die ökonomische Praxis. Außerdem war Mises vor allem Theoretiker und hat kaum empirische Arbeiten vorzuweisen, die er selbst mit Skepsis betrachtete. Schließlich bleibt Mises’ bleibender Einfluss vergleichsweise beschränkter und enger als der von beispielsweise Adam Smith.

The GOAT

Überraschung? Für Tyler Cowen gibt es nicht den GOAT der Ökonomen. Dafür ist das Fachgebiet Economics zu breit und divers und mit zu vielen unterschiedlichen Kontexten verbunden. Ein GOAT könnte die Beiträge anderer Ökonomen mindern, darunter auch die von Mises. Gleichwohl vergibt Tyler Cowen GOAT-Auszeichnungen für die Top Drei: Milton Friedman als bester Ökonom unter allen Wettbewerbern, Adam Smith als der originellste und grundsätzlichste Ökonom, John Stuart Mill als der tiefste und umfassendste Denker. Hinzu kommen Auszeichnungen in Kategorien: Keynes als einflussreichster politischer Ökonom, Hayek als Verfasser der besten ökonomischen Aufsätze aller Zeiten und Thomas Robert Malthus als am zweitmeisten unterschätzter GOAT-Wettbewerber nach John Stuart Mill.

Was wären Ihre Kandidaten und Ihre Kriterien?

Noch zwei Sätze zum Buch. Das Buch ist großartig, weil es in GPT-4 integriert ist und man eine Konversation mit EconGOAT GPT-4 führen kann. Der Text und das Interview mit Russ Roberts sind zusammen genommen ein Lehrstück für kriterienbezogene Argumentation und faire Diskussion mit klarem Standpunkt.


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