Ökonomik: Die fiskalische Theorie des Preisniveaus
Sind Staatsschulden und Steuern essenziell für Inflation?
von Karl-Friedrich Israel (Pausiert)
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Die Ursachen von Inflation sind vielschichtig. Angebot und Nachfrage aller Güter, inklusive des Geldes, wirken in komplexen Prozessen zusammen und lassen ein allgemeines Preisniveau entstehen. Wir können dieses Preisniveau zwar nicht immer objektiv in einer einfachen Zahl zusammenfassen, aber es ist da. Manchmal fällt es höher und manchmal niedriger aus. Manchmal steigt es, manchmal fällt es. Wir nennen dies Preisinflation und -deflation.
Eine grundsätzliche Frage in der Bestimmung des Preisniveaus und der Inflation ist, warum Menschen überhaupt Geld nachfragen. In den Ursprüngen der Geldentwicklung gab es eine Nachfrage, weil das Geld eine anderweitig verwendbare Ware war. Historische Edelmetallwährungen hatten deshalb einen von der Geldnutzung unabhängigen Wertanker. Dies ist für bei den ungedeckten Papierwährungen unserer Tage nicht der Fall. Sie sind durch keine Ware gedeckt, und trotzdem führt dies nicht automatisch in die Hyperinflation. Was hält die Nachfrage nach ungedecktem Geld hoch? Diese Frage hat viele Ökonomen der Vergangenheit und Gegenwart beschäftigt.
Adam Smith verwies in seinem ökonomischen Hauptwerk „Der Wohlstand der Nationen“ auf eine gängige Perspektive des Problems: „Ein Fürst, der verfügt, dass ein bestimmter Anteil seiner Steuern in einem Papiergeld einer bestimmten Art zu zahlen ist, könnte diesem Papiergeld einen bestimmten Wert verleihen.“
Ein reines Papiergeld kann durch staatlichen Zwang, insbesondere durch Steuern und Abgaben, die in diesem Papiergeld entrichtet werden müssen, einen bestimmten Wert erhalten. Diesem Grundgedanken ist in einem vor Kurzem erschienenen Buch zur Theorie des Preisniveaus von John Cochrane einmal mehr Ausdruck verliehen worden. Cochrane argumentiert auf über 500 Seiten, dass die sogrannte „fiskalische Theorie des Preisniveaus“ die Inflationsentwicklungen unserer Zeit sehr viel besser erklären kann als irgendeine andere gängige Theorie.
Entscheidend für die Inflation seien in erster Linie die Erwartungen über die zukünftige Fiskalpolitik des Staates. Es sei nicht so sehr von Bedeutung, wie viel Geld durch Neuverschuldung des Staates geschaffen werde. Stattdessen sei die entscheidende Frage, ob der Staat seine Schulden durch reale Primärüberschüsse in der Zukunft bedienen werde oder nicht. Die Frage ist also, ob der Staat durch direkte Steuern zukünftig mehr Geld aus dem System absaugen wird oder nicht. Wenn die Menschen erwarten, dass der Staat dies tun wird, so hält das Geld seinen Wert. Gehen sie aber davon aus, dass der Staat gar nicht vorhat, seine Schulden real zu bedienen, so fällt der Geldwert. Genau dies sei im Zuge der seit 2021 ansteigenden Preisinflation passiert. Die enorme Neuverschuldung des Staates erschien in den Augen der Marktakteure als nicht tragbar – ohne Preisinflation. Wenn Preisinflation aber erst einmal erwartet wird, dann kommt sie in aller Regel auch.
Die fiskalische Theorie des Preisniveaus hat ihre Schwächen. Sie weist aber auf einen sehr wichtigen Punkt hin. Geld- und Fiskalpolitik sind eng miteinander verzahnt. Solide Staatsfinanzen sind auch für ein solides Geldsystem entscheidend. Lebt der Staat über seine Verhältnisse, ist die Inflation nicht weit. Und fangen die Marktakteure an, sie einzupreisen, dann ist sie da.
J. H. Cochrane (2023): The Fiscal Theory of the Price Level. Princeton and Oxford: Princeton University Press.
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