16. Dezember 2023 22:00

250 Jahre Boston Tea Party Freiheitskampf mit Schönheitsfehlern

„No taxation without representation“

von Thorsten Brückner

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Bildquelle: Wikimedia Commons Boston Tea Party im Jahr 1773: Höhepunkt des Streits über die Steuern für US-Kolonien durch die britische Regierung

Kaum ein anderes Ereignis gehört so sehr zu den frühen Gründungsmythen der Vereinigten Staaten wie die Boston Tea Party, die sich am heutigen 16 Dezember zum 250. Mal jährt. Noch heute feiern Amerikaner das Ereignis als einen patriotischen Akt und heroischen Ausdruck zivilen Ungehorsams gegen Großbritannien. 

In der Tat ist zweifelhaft, ob es ohne die daran anschließende Repressionsspirale gegen die Kolonisten jemals zum Unabhängigkeitskrieg gekommen wäre. Als ich vor rund 20 Jahren begonnen habe, mich intensiver mit amerikanischer Geschichte zu befassen, muss ich zugeben, dass ich für die Boston Tea Party viel Sympathie, ja Begeisterung aufgebracht habe. Doch heute bin ich mir in der Bewertung des Ereignisses nicht mehr so sicher. 

Als am Abend des 16. Dezember 1773 mehrere Dutzend als Indianer verkleidete Kolonisten auf drei im Bostoner Hafen vor Anker liegende amerikanische Schiffe eindrangen und 342 Kisten Tee der East India Company ins Wasser warfen, war dies der Höhepunkt eines seit spätestens 1765 währenden Steuer- und Zollstreits zwischen den amerikanischen Kolonisten und der Regierung in London. Im selben Jahr gründeten sich auch in Boston die „Sons of Liberty“, die acht Jahre später für die Boston Tea Party verantwortlich waren. Die Forderung der Sons of Liberty: „No taxation without representation“ kennt heute in Amerika jedes Kind. In Washington, D. C. ziert der Slogan „End taxation without representation“ sogar die Nummernschilder. Eine anklagende Anspielung auf die Tatsache, dass die Bewohner der amerikanischen Hauptstadt keine Abgeordneten mit Stimmrecht in den US-Kongress entsenden dürfen.

Als einer der Planer der Boston Tea Party gilt übrigens einer der späteren Gründerväter der neuen Nation, Samuel Adams. Auch sein Cousin, Mitgründervater und spätere US-Präsident John Adams, lobte die Aktion im Bostoner Hafen als „die glorreichste Bewegung aller Zeiten“ und als eine „Anstrengung von Patrioten“, die er stark bewundere. Hintergrund war der Tea Act von 1773, der es der East India Company ermöglichen sollte, ihre Bestände zu leeren und zollfrei auf den nordamerikanischen Markt zu werfen, der angesichts der hohen Teesteuern damals unter Schmugglern aufgeteilt war. Der meiste Tee kam zur damaligen Zeit nicht aus Großbritannien, sondern aus den Niederlanden illegal auf den amerikanischen Kontinent. Der Tea Act war somit im Prinzip eine Rettungsaktion der britischen Regierung für eine Monopolgesellschaft, die allerdings zum damaligen Zeitpunkt noch nicht in Staatseigentum war.

Doch selbst unter den späteren Gründervätern war die Bewertung der Boston Tea Party sehr gemischt. Der spätere erste Präsident George Washington solidarisierte sich zwar öffentlich in einem Brief mit den Aufständischen, machte aber in einem Nebensatz klar, dass er die Vernichtung des Tees ablehne. Privat ging er noch weiter und warf den Patrioten in Boston vor, sie seien „verrückt geworden“. Der aus Boston stammende Benjamin Franklin drängte in einem Brief, der unter anderem an Samuel Adams adressiert war, gar auf eine Kompensationszahlung an die East India Company. Franklin beklagte darin vor allem die Zerstörung von Privateigentum und musste sich dafür von Adams anhören, er sei zwar ein großartiger Philosoph, aber ein schlechter Politiker. Franklin dürfte dies vielleicht sogar als Kompliment verstanden haben. Thomas Jefferson wollte sich in der Sache übrigens nicht ganz festlegen. „Falls sie sich etwas zuschulden haben kommen lassen“, so der spätere dritte Präsident über die Sons of Liberty, „waren sie bekannt und müssen sich vor dem Gesetz verantworten.“ Gleichzeitig gibt Jefferson in seinem Pamphlet „A summary view of the rights of British America“ seine Sympathie für die Aktion zu erkennen und fordert Milde für die Verantwortlichen.

Während die Boston Tea Party durch die politische Brille betrachtet eine durchaus begeisternde und auch gewaltfreie Freiheitsdemonstration war, die meiner Meinung nach schon Entwicklungen in die richtige Richtung losgetreten hat, bleiben der Diebstahl und die Zerstörung von Eigentum ein Problem. Ebenso wie die Tatsache, dass sich hier die „Söhne der Freiheit“ einfach mal so angemaßt haben, die ökonomische Freiheit ihrer Mitbürger zu beschneiden, indem sie deren Tee künstlich verteuerten. Stattdessen hätte man es doch den Patrioten Neu-Englands überlassen können, Company-Tee zu boykottieren und so den Großteil der Ware im Hafen verrotten zu lassen. Wer es ernst meinte mit „No Taxation without representation“ hätte ja weiterhin geschmuggelten und damit steuerfreien Tee trinken können. In den Jahren zuvor waren die Sons of Liberty auch immer wieder durch Einschüchterung von und Gewalt gegen angebliche Verräter aufgefallen. Ich finde, es bleibt immer ein komischer Beigeschmack, wenn Menschen behaupten, für Freiheit zu kämpfen, und dabei dann initiierende Gewalt anwenden oder sich an anderer Leute Eigentum vergreifen. Mit dem Taxation of Colonies Act von 1778 wurde die Teesteuer übrigens noch während des Unabhängigkeitskrieges abgeschafft – ein Versuch Großbritanniens, die Stimmung in den Kolonien zu drehen. 

Manche liberalen Historiker gehen sogar so weit zu sagen, die Tea Party habe den protektionistischen Ton für das 19. Jahrhundert gesetzt. Das verdient alleine deswegen schon Beachtung, weil die in ebendiesem Jahrhundert stattgefundene große amerikanische Katastrophe, die Aggression des Nordens gegen den Süden zwischen 1861 und 1865, maßgeblich auf einen Konflikt über eine drastische Anhebung von Zöllen durch die Bundesregierung 1861 zurückgeht und zumindest zu Beginn nur am Rande mit Sklaverei zu tun hatte, auch wenn Ihnen ein Amerikaner, der das öffentliche Schulsystem durchlaufen hat, meist etwas anderes erzählen wird. Das alles hätte verhindert werden können, wenn die angeblich so weisen Väter der amerikanischen Verfassung Zölle nicht zur Bundeskompetenz erklärt hätten. Der Begriff Boston Tea Party wurde übrigens erstmals im Jahr 1825 erwähnt. Zeitgenossen war das Ereignis als „Zerstörung des Tees“ bekannt – eine, wie ich finde, treffendere Beschreibung des Ereignisses. 


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