19. Dezember 2023 17:00

Der Aufgang des Lichts Wintersonnwende

Im Dunklen hat auch der kleinste Schein einer Kerze eine unerhörte Macht

von Christian Paulwitz

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Bildquelle: Shutterstock Dunkelheit: Möge sie durch unser Entzünden des Lichts weichen

Viel zu häufig geht es in meiner Kolumne um Dinge, denen eigentlich der Raum genommen werden sollte, statt sie in den Mittelpunkt zu stellen, was auch dann geschieht, wenn man das Unechte und das Verlogene als solche benennt, sie in Spott und Ironie tunkt, um sie anschließend neben dem Wahren und Schönen umso lächerlicher und abstoßender dastehen zu lassen. Es ist eine Gratwanderung, der ich mir sehr wohl bewusst bin. Man kann das Dunkle und Falsche nicht einfach ignorieren, denn es manifestiert sich durch das Handeln vieler Menschen um uns herum in der Realität und hat damit Einfluss auf unser Leben. Also muss man es auch immer wieder in den Blick nehmen, um sich abzugrenzen und nicht auf seine Schmeicheleien und Verkleidungen hereinzufallen. Immer wieder: Das heißt nicht permanent, denn wichtiger ist das, was es zu schützen und zu hüten gilt. Das hat ein viel höheres Maß an Aufmerksamkeit verdient: Das Authentische, das Echte, das objektiv Richtige, unser Bezug dazu, das Ich und seine Ideen, seine Ziele, seine Freiheit. Das Wunderbare.

In wenigen Tagen feiern wir Weihnachten. Heute ein christliches Fest, doch es ist bekanntlich viel älter. Das Christentum kam seinerzeit ja als Staatskirche nach Germanien, und da es als solche nicht alle gleich mit Begeisterung annahmen, ließ Karl der Große schon einmal einige Tausend widerspenstige (Nieder-) Sachsen hinrichten, um dem Glauben an seine Herrschaft etwas Überzeugungskraft zu verleihen. Das war kein besonders guter Start für das Christentum und seine nicht-staatliche eigene Botschaft. Zuvor kamen missionierende Mönche, die in ihrer Ignoranz und Borniertheit gegenüber dem alten Glauben unter militärischem Schutz öffentlichkeitswirksam uralte heilige Bäume fällten, sich einbildend, das Volk würde den neuen Glauben annehmen, wenn die Baumfrevler erwartungsgemäß nicht vom Blitz getroffen werden. Auf die heiligen Stätten setzten sie ihre eigenen Glaubenssymbole – uraltes Herrschaftswissen, das sich bis heute gehalten hat; immerhin gab es damals noch keine Windräder.

Das Volk seinerzeit dürfte dagegen einfach nur fassungslos über den Frevel gewesen sein, fremdelte umso mehr noch über viele Jahrhunderte mit dem aufgezwungenen neuen Staatsglauben und lebte seine alten Bräuche weiter, was die christliche Herrschaft nicht gerne sah. Doch das Christentum löste sich von seiner Rolle als Staatsreligion und hat viele alte, heidnische Bräuche einfach integriert. Es ist eine einzigartige kulturelle Leistung des Christentums, die Authentizität und den Wert alter Kulthandlungen soweit anzuerkennen, dass es sie mit den eigenen Erzählungen so sinnhaft miteinander verschmelzen lassen konnte, dass hieraus eine neue, abendländische Kultur entstand, ohne den Kern der christlichen Erzählung anzutasten. Deswegen feiern wir nicht nur Weihnachten mit einem kerzenbestückten Baum, sondern treiben zu Fasching die letzten Winter-Dämonen aus, um anschließend praktischerweise in einer Zeit zu fasten, in der es früher sowieso nicht allzu viel zu essen gab, und dann mit dem Osterei der Fruchtbarkeit zu huldigen – wieder ein Anfang, dem die Hoffnung innewohnt. Die Feste im Rhythmus der Jahreszeiten, wie ihn die Altvorderen nicht nur im kalten Germanien mit gutem Grund gelebt hatten.

Die heutige Staatskirche ist mal wieder dabei, ihrer wichtigen Aufgabe der Entfremdung des Volkes von der Herrschaft gründlich nachzukommen. Wiederum hilft sie beim Versuch, die alten Bräuche durch neue Riten und Symbole zu ersetzen, während die Kirchen, die offiziell das Christentum verkörpern wollen, längst den Staat anbeten, der sie bezahlt. Bisweilen sind die Mittel erstaunlich ähnlich wie schon zu vergangenen Zeiten. Nicht einmal weit entfernt von der Stätte, an der die Donar-Eiche gefällt worden sein soll (etwas südlich von Kassel), liegt der Reinhardswald (etwas nördlich von Kassel), in dem gerade Rodungen stattfinden, um Windkraftanlagen als Kulisse für die Sababurg, das Dornröschen-Schloss der Brüder Grimm, wachsen zu lassen. Jahrhundertealte Bäume müssen weichen – eine Demonstration der Macht derjenigen, die die Natur zu schützen vorgeben: Sie tun es, um zu zeigen, dass sie es können – wieder ein Frevel aus der Sicht anderer. Nicht umsonst geht die Geschichte seit einiger Zeit durch die Medien; auch im Mainstream. Erstaunlich, wie zielgerichtet dieser uralte Nerv nach vielen hundert Jahren aufs Neue getroffen werden kann und sofort anschwillt. Als Demonstration der Macht mag so etwas erfolgreich sein, Gläubige gewinnt man dadurch nicht. Es sollte uns daher eher mit Hoffnung füllen, wenn wir jetzt erleben dürfen, wie die ersten Organisationen in staatskirchlicher Trägerschaft ihre Weihnachtsfeiern durch Winterfeste und dergleichen ersetzen. Gut, wenn sie loslassen und nicht mehr das vereinnahmen und verhöhnen, worin Substanz zu finden ist für den Einzelnen, der sich auf die Suche danach macht. Denn das ist umso nötiger, je weiter der Staatsglaube kollektiv um sich greift und notwendigerweise zur Enttäuschung führt. Gut, wenn er dem Suchenden dann nicht unnötig im Wege steht.

Denn es ist die ganz individuelle Aufgabe des Ichs, seine Beziehung zum ewig Gültigen zu ergründen, das sich in den religiösen Bräuchen und Erzählungen spiegelt. Die Dunkelheit in den Tagen um die Wintersonnwende – bei uns sind es fast 16 Stunden täglich – hat eine konkrete Fassbarkeit, ebenso wie die Erwartung und das Wachsen des neuen Lichts aus der Dunkelheit, das ohne diese gar nicht möglich wäre. Es ist eine heilige Zeit. Die Erfahrung der Dunkelheit macht das Licht zum Mittelpunkt; das Entzünden einer Kerze lässt die Dunkelheit zurückweichen – jeder kann dies erfahren. Ich wünsche Ihnen eine frohe und erholsame Weihnachtszeit und das Weichen der Dunkelheit um sie herum vor dem Licht, das Sie ausstrahlen.


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