Silvester: Kein Feuerwerk ist illegal!
Rücksichtnahme statt Verbote
Es käme mir nie in den Sinn, Geld für Silvesterfeuerwerk auszugeben. Jedes Seidla Bier ist für mich eine bessere Investition, als mein Geld wortwörtlich in die Luft zu jagen. Das haben mir schon meine Eltern so vorgelebt. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals in der Neujahrsnacht einen Böller abgeschossen hätten.
Anderen diese Freude zu nehmen, nur weil wir selbst nicht mitmachen, wäre uns aber nie in den Sinn gekommen. Leben und leben lassen. Wer böllern will, soll böllern. Das muss man in Deutschland betonen, weil hier für viele Menschen leider gilt: Was ich persönlich für falsch halte, sollte staatlicherseits am besten gleich für alle verboten werden. Fast 60 Prozent der Deutschen wollen laut einer repräsentativen Umfrage der Verbraucherzentrale Brandenburg aus dem Spätsommer ein Feuerwerksverbot. 20 Prozent sind für ein generelles Verbot, weitere 39 Prozent wollen Feuerwerk nur noch von ausgebildeten Pyrotechnikern erlauben. Alle Altersgruppen, mit Ausnahme der 35- bis 49-Jährigen, fordern mehrheitlich ein Verbot. Deutlich ausgeprägter sind die Unterschiede zwischen Geschlechtern und Regionen. Während 70 Prozent der Frauen ein Feuerwerksverbot befürworten, sind es bei den Männern nur 46 Prozent. Im Westen wollen 62 Prozent ein Ende der privaten Silvesterknallerei, im Osten dagegen nur 42 Prozent.
Durch die derzeit wieder aufflammende Verbotsdiskussion werden bei mir auch Erinnerungen wach an den Jahreswechsel 2020/21, den bisher letzten, den ich in Deutschland verbracht habe. Damals galt ein Feuerwerksverbot, das mit Covid gerechtfertigt wurde. Doch in jener Neujahrsnacht wurde bei uns am Dorf geschossen. Weniger als sonst, aber das vereinzelte Feuerwerk von den verschiedenen Grundstücken und Höfen entfaltete dadurch, dass sonst niemand schoss, eine nur noch größere Wirkung. Und seitdem wissen wir, wer sich bei uns am Ort im Zweifel einen Dreck um staatliche Verbote schert. Ein Wissen, das ich für die nächste Plandemie gerne im Hinterkopf behalte.
Einen ganz anderen Level von zivilem Ungehorsam erlebte ich mit Blick auf das Silvesterfeuerwerk übrigens später in Albanien. Da ist der Verkauf von Pyrotechnik seit Jahren verboten, und doch kaufen und horten Albaner Feuerwerk in Beständen, als wollten sie damit Serbien einnehmen. Tirana in der Neujahrsnacht gleicht einem Kriegsschauplatz. Und doch war an den Tagen danach relativ wenig von Verletzten oder gar Toten die Rede. Vielleicht auch, weil die Albaner in Sachen Feuerwerk über ganzjährige Erfahrung verfügen. Geburten und Geburtstage feiern viele Albaner mit einem privaten Feuerwerk – und das auch gerne mitten in der Stadt. Erlaubt ist das nicht. Aber was der Staat ihnen großzügigerweise erlaubt oder nicht, interessiert die meisten Albaner ohnehin einen feuchten Kehricht. Wenn Sie in der albanischen Hauptstadt eine Wohnung im zehnten Stock mit Blick über die ganze Stadt mieten, werden Sie jeden Abend – fast ohne Ausnahme – in den Genuss eines Feuerwerks kommen.
In Deutschland haben zahlreiche Städte Feuerwerksverbote für die Silvesternacht erlassen, die keineswegs nur auf den Schutz von historischen Bauwerken oder Kirchen abzielen, in deren Nähe Feuerwerk ja auch bisher schon tabu war. Die meisten Städte etwa machen keinen Unterschied zwischen öffentlichem Raum und Privatgrundstücken. Wenn sich Ihr Haus in einer designierten Verbotszone befindet, machen sie sich sogar mit Böllern auf dem eigenen Grundstück strafbar.
Was ich übrigens nie verstanden habe, ist, wie sich das ständige Loblied, das Politiker auf den freien Warenverkehr im gemeinsamen Binnenmarkt singen, damit verträgt, dass die bayerische Polizei an der Grenze zu Tschechien Menschen mit „illegalem Feuerwerk“ abfängt. Wie kann in einem angeblich gemeinsamen Europa etwas, das man ein paar Kilometer östlich der Grenze legal erwerben kann, in Bayern illegal sein? Und ich frage mich auch: Kommt es in Tschechien und Polen, wo doch diese angeblich so gefährlichen Feuerwerkskörper herkommen, vor denen der Staat die Menschen hier unbedingt schützen muss, in jeder Neujahrsnacht zu einem Massensterben?
Doch ein Dorf in Bayern ist nicht mit einer Großstadt zu vergleichen, das verstehe ich. Müsste nicht also zumindest in Berlin nach den Silvesterkrawallen des vergangenen Jahres und der möglicherweise nochmals zugespitzten Situation durch den Nahostkonflikt privates Feuerwerk nun verboten werden? Berlin ist eine flächenmäßig riesige Stadt, mit jeweils ganz unterschiedlichen demographischen Schwerpunkten, in der Regelungen nach dem Gießkannenprinzip noch absurder sind als anderswo. Die Beschränkung auf drei Verbotszonen am Alexanderplatz, in der Sonnenallee und im Schöneberger Steinmetzkietz zeugt von Augenmaß, könnte man auf den ersten Blick meinen.
Offiziell drängt das Land Berlin bei der Innenministerkonferenz auf ein einheitliches Verbot. Ich denke allerdings nicht, dass der Staat ein Interesse daran haben kann, in einer Stadt wie Berlin privates Feuerwerk in der Neujahrsnacht generell zu verbieten. Ein solches Verbot, das nicht durchsetzbar wäre und absehbar in allen Stadtteilen mehr oder weniger ignoriert werden würde, könnte dem ganzen Land vor Augen führen, wie sehr der Staat die Kontrolle über weite Teile seiner Hauptstadt bereits verloren hat. Und wer Einsatzkräfte mit Feuerwerkskörpern attackieren will, der wird dies im Zweifel auch trotz eines Verbots tun. Oder er benutzt eben andere Gegenstände. In dieser Hinsicht ähnelt die Debatte sehr der Waffenverbotsdiskussion.
Nicht staatliche Verbote, sondern gesunder Menschenverstand und gegenseitige Rücksichtnahme sind der Garant für eine ruhige und verletzungsfreie Silvesternacht. Anderswo klappt das ja auch ganz ohne entsprechende Bevormundung. Und wem es im öffentlichen Raum in der Neujahrsnacht zu gefährlich ist, der darf gerne für sich die Entscheidung treffen, in der Wohnung zu bleiben – selbes Prinzip wie bei Covid. Ich habe einige Jahre in Berlin gelebt, war dort aber nie in der Silvesternacht auf der Straße. Warum ein Risiko eingehen, wenn man ohnehin kein großer Fan der ganzen Knallerei ist.
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