17. Februar 2024 23:00

Nato-Propaganda Keine Angst vor Putin

Sorgen werden gezielt geschürt

von Thorsten Brückner

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Bildquelle: kirill_makarov / Shutterstock Aufbau eines Bedrohungsszenariums: Die Angst vor den Russen geht um …

Als Kind war ich oft bei meinen Großeltern zu Besuch, die im selben Dorf wohnten. Mein Großvater geriet dabei immer gern ins Plaudern. Nicht selten erzählte er von dem sicher prägendsten Ereignis seines Lebens, seiner Zeit als Soldat im Zweiten Weltkrieg. Was mir dabei wohltuend in Erinnerung geblieben ist: Nie hat mein Großvater den Krieg glorifiziert und ich habe ihn nie irgendwelche nationalistischen Reden schwingen hören. Bemerkenswert fand ich, dass mein Großvater, obwohl er Heimatvertriebener war und lange Zeit in russischer Gefangenschaft verbracht hat, niemals schlecht über Polen oder Russen gesprochen hat. Im Gegenteil: Er freute sich über jede Gelegenheit, mit Leuten auf Polnisch oder Russisch zu kommunizieren. Mit den Polen, die mittlerweile in seinem schlesischen Elternhaus lebten, schloss er Freundschaft. Und als mein Vater zur Bundeswehr eingezogen werden sollte, kam der größte Widerstand dagegen von meinem Großvater. 

Er wusste eben noch, was Krieg bedeutet und Militär anrichten kann. Wieder zurück in meinem Heimatdorf gehe ich heute oft am Grab meiner Großeltern vorbei. Während Covid dachte ich mir jedes Mal: Gott sei Dank, dass ihr das nicht mehr erleben müsst! Und heute frage ich mich, wenn ich so über den Friedhof schlendere, oft, was wohl mein Opa zu der wieder offen zur Schau getragenen und medial geschürten Feindseligkeit gegenüber Russen oder zur wiederentdeckten Kriegsgeilheit der deutschen Bevölkerung gesagt hätte. Den CDU-Verteidigungsexperten Roderich Kiesewetter, der zuletzt forderte, der Krieg müsse „nach Russland getragen werden“, hätte mein Großvater vermutlich für einen gefährlichen Irren gehalten, der nichts aus der Geschichte gelernt hat. 

68 Prozent finden laut einer Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PWC, dass Deutschland verteidigungsfähiger werden müsse. Die Sehnsucht nach Aufrüstung nach fast 80 mehr oder weniger friedlichen Jahren in Zentraleuropa ist schwer nachvollziehbar. Die sinnvollste Erklärung scheint mir eine von westlichen Politikern und Medien gezielt geschürte Angst vor einer Expansion Russlands auf Nato-Territorium. Eine Angst, die man interessanterweise im ehemals von den Russen unterjochten Ungarn nur bedingt nachvollziehen kann, und das, obwohl das Land, anders als Deutschland, eine direkte Grenze mit der Ukraine hat.

Geschürt wird die Angst auch durch großspurige Manöver wie „Steadfast Defender“, die die Situation nur weiter anheizen und den Menschen suggerieren sollen: Hier existiert eine reale Bedrohung. Die Botschaft richtet sich dabei mindestens genauso an die eigene Bevölkerung wie an Putin. Es ist ein wenig wie in der Anfangszeit von Covid. Dieselben Leute, die sich gerade noch über Masken tragende Chinesen lustig gemacht hatten und in dem vermeintlich neuartigen Virus keine größere Bedrohung sahen, änderten oft von einer Woche auf die andere im März 2020 ihre Meinung. Natürlich nicht, weil das Virus sich verändert hatte oder sie nach eifrigem Nachdenken und Recherchieren zu einer anderen Gefahreneinschätzung gekommen wären, sondern weil sie wegen des staatlichen Restriktions-Boheis annahmen, es werde schon gefährlich sein, sonst würde die Regierung so was ja nicht machen. 

Ich gehöre nicht zu denen, die in Putin eine Bedrohung erkennen. Aus zweierlei Gründen. Erstens halte ich die Vorstellung, dass Putin Nato-Territorium angreift für an den Haaren herbeigezogen. Nato-Propaganda, sonst nichts. Für wie irrational muss man Putin halten? Nicht bösartig und gefährlich, denn das ist er zweifellos, aber irrational? Man muss nur mal einen kurzen Blick auf die Eckdaten der russischen Demographie werfen, um den Gedanken, russische Soldaten könnten halb Europa angreifen, sinnvoll einzuordnen. 

Und zweitens glaube ich nicht, dass die Dinge hier unter Putin notwendigerweise so viel schlechter werden würden, als sie momentan sind. Russische und russlanddeutsche Freunde in freikirchlichen Gemeinden haben mir immer wieder vorgeschwärmt, wie viel Freiheit sie in der alten Heimat hatten, ihre Kinder zu Hause nach ihren Vorstellungen zu erziehen. Homeschooling ist in Russland legal, während deutsche Heimunterricht-Eltern stets einen Besuch des Jugendamts oder der Polizei bis hin zum Sorgerechtsentzug fürchten müssen. Und auch was etwa den privaten Waffenbesitz angeht, präsentiert sich Putins Russland wesentlich liberaler als die Bundesrepublik. Aber im Gegensatz zu Russland gebe es in Deutschland Meinungsfreiheit, kann ich schon die Einwände derer hören, die vorgestern noch auf Zuruf der Regierung Querdenker verunglimpft haben, sich danach von Politik und Medien zum Hass gegen Russen haben anstacheln lassen und die jetzt auf deutschen Straßen auf Geheiß des Bundeskanzlers gegen die größte Oppositionspartei demonstrieren und sich dabei auch noch für kritische Geister halten.

Natürlich fühlt man sich nicht in seiner Redefreiheit eingeschränkt, wenn man seine Parolen direkt von den herrschenden Politikern übernimmt. Das kann man selbst in China oder Nordkorea gefahrlos tun. Ich kenne mich mit Russland zu wenig aus und möchte mich deswegen nicht auf einen Vergleich der dortigen Meinungsfreiheit zu Deutschland einlassen. Was ich aber sicher weiß ist: Wer den tatsächlichen Zustand der Meinungsfreiheit in Deutschland erfahren will, sollte sich nicht bei Pro-Regierungs-Demonstranten erkundigen, sondern mit den „Querdenkern“ der Covid-Jahre sprechen, mit dem von der Berliner Staatsanwaltschaft verfolgten Autor und Satiriker C. J. Hopkins oder ganz aktuell Akif Pirinçci, den das „freieste Land, das es je auf deutschem Boden gegeben hat“ (Steinmeier) wegen unliebsamer Schriften gleich mal für neun Monate ohne Bewährung in den Bau schicken will. Da bekommen selbst manche Vergewaltiger in Deutschland weniger harte Strafen. Ich stünde einem Einmarsch Putins indifferent gegenüber: Ein bösartiges Regime geht, ein anderes bösartiges Regime kommt, immer leiden am Ende die einfachen Menschen. „A-bopa“ hätte der Schuster Kraus in Oskar Maria Grafs „Unruhe um einen Friedfertigen“ es genannt. Meine größte Sorge in einem solchen Szenario wäre übrigens, dass die Deutschen auf Befehl ihrer Chefs in Washington verrückt genug wären, tatsächlich gegen die russische Armee zu den Waffen zu greifen, anstatt das Land friedlich zu übergeben.

Eine Mehrheit der Deutschen steht laut derselben Umfrage der Nato übrigens weiterhin positiv gegenüber. Doch ist die Zustimmung hier seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs von 65 auf 52 Prozent zurückgegangen. Immerhin 30 Prozent sehen das sogenannte Verteidigungsbündnis jetzt kritisch. Das ist ein erfreulicher Trend, aus dem gerade die AfD so viel mehr machen könnte. In der Vergangenheit ist die Partei vor der Forderung nach einem Nato-Austritt noch mehrheitlich zurückgeschreckt. Grund waren immer deplatzierte Aufrufe zur bürgerlichen Mäßigung, teilweise aus der Partei selbst, teilweise aus ihrem publizistischen Umfeld. Man braucht wenig Phantasie, um sich auszumalen, dass die Ablehnung der Nato unter der Klientel, die die AfD für sich gewinnen will, in den nächsten Jahren nur noch weiterwächst. Will man da wirklich Sahra Wagenknecht das Feld als einziger Antikriegspartei überlassen? 


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