Foto- und Hyperrealismus in der Kunst: Magie des Augenblicks
Über gute, wahre und schöne Gemälde
von André F. Lichtschlag (Pausiert)
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Spüren Sie das auch, verehrte Leser, wie sich die Lage um uns herum gesellschaftlich, ökonomisch und politisch immer weiter zuspitzt? Wie die Spannungen ansteigen, im Inland und weltweit? Wie Politiker und ihre Mittelstrahlmedien immer hemmungsloser gegen Andersdenkende hetzen und unbotmäßige Meinungen kriminalisieren? Wie politmediale Herrscherkasten an vielen Stellen dennoch die Kontrolle verlieren? Wie vor wenigen Jahren noch seltene, ja damals sensationelle Nachrichten sich erst häuften und heute fast täglich auf uns eingehen? Wie die Menschen zunehmend gereizter werden?
In einer solchen Zeit erfordert es die Charakter- und Psychohygiene, wo immer möglich Abstand zu gewinnen, im Privaten, im Philosophischen, im Spirituellen oder Religiösen. Oder bei guter zeitloser Literatur mit einem Buch in der Hand, bei ausgedehnten Wanderungen in der Natur. Oder in und mit anderen Formen und Weisen der Kontemplation, Kultur oder Kunst.
Wenn die Welt da draußen zwangsläufig verrücktspielt, weil die mit Schein- und Schuldgeld überfüllten Blasen zu platzen beginnen, dann muss jeder für sich selbst – am besten gestärkt in und mit einer intakten Familie – dafür Sorge tragen, sich von alledem nicht auch noch mental anstecken zu lassen. Sehr viel innere Kraft werden wir alle nötig haben in zunehmend spannenden Zeiten wie diesen. Nicht zu vergessen: Eine Prise Humor hilft über vieles hinweg. Jetzt lassen sich ja sogar die legendären Witze aus der Endphase der DDR wieder wunderbar recyceln.
Ja, Politik ist nicht die Lösung. Alles andere als das. Aber eben eine Erklärung dafür, warum die Menschen um uns herum immer gereizter werden. Was also tun? Im November 2023 hatte ich in eigentümlich frei Nummer 237 im Themenschwerpunkt „Magie des Augenblicks“ meine ganz eigene Form der Psychohygiene vorgestellt: die Beschäftigung mit guten, wahren und schönen Gemälden. Manche Leserreaktion hat mir dann Mut gemacht, in der neuen Ausgabe ef 240 in diesem Monat eine Kolumne zu starten und den Einblick zu vertiefen.
Auch den Lesern der Freiheitsfunken möchte ich diese Passion der Beschäftigung mit foto- und hyperrealistischen Gemälden hier und heute einmal vorstellen. Foto- und hyperrealistische Gemälde sind gewissermaßen ein Gegenpol zu den oft bewusst hässlichen, destruktiven und allzu einfachen Blendwerken der modernen Kunst. Tatsächlich ist die moderne abstrakte Malerei mit kulturmarxistischen Ideen eng verbunden. Sie dekonstruiert und zerstört. Oft ist sie talentbefreit und eine Spielwiese für Nichtskönner. Sie negiert die Realität und zelebriert das Wolkenkuckucksheim. Sie feiert die Falsch- und oft genug auch Hässlichkeit und verabscheut alles Schöne, Wahre und Gute.
Ganz anders die Foto- und Hyperrealisten, die mit viel Akribie und feinsten Pinselstrichen genau jene Momente ins rechte Licht rücken, in denen Menschen anderen Menschen das Leben gegenseitig angenehm machen – direkt oder (meist) indirekt mittels Früchte ihrer Arbeit und Schaffenskraft. Fotorealisten feiern die Magie des Augenblicks etwa von Märkten, Städten, Bauten und Straßen, Küchen- und Studiodesigns, chromglänzenden Autos oder Motorrädern, sie vergrößern überdimensional die liebsten Süßigkeiten oder Spielsachen unserer Kindheit, zeigen Menschen wie du und ich. Mit ihren modern interpretierten Genrebildern, (Städte-) Landschaften, Porträts oder Stillleben knüpfen die Künstler dieser Bewegung bewusst an die alten Meister an, die sich ihrerseits beim Anblick vieler anderer moderner „Kunstwerke“ sicher im Grab herumdrehen – als Vorbild wird insbesondere immer wieder der legendäre Jan Vermeer van Delft (1632–1675) genannt, der wie die modernen Foto- und Hyperrealisten mit Reflexionen „spielte“ und auf die scharfe Wiedergabe von Form, Licht und Farbe bedacht war. Vermeer, was für ein Zufall, war übrigens auch der Lieblingsmaler der Philosophin des Kapitalismus, Ayn Rand. Und Vermeer ist es auch, dem nachgesagt wird, dass er Mitte des 17. Jahrhunderts eine Camera obscura für seine Werke nutzte – exakt jene Vorläuferin der modernen Fotografie, ohne die die Arbeiten der heutigen Foto- und Hyperrealisten ihrerseits nicht möglich wären.
Dabei entstammt der Fotorealismus der Bewegung der Pop-Art und damit auch dem ursprünglich im Zweifel linken Spektrum der Kunst und Kultur, bevor er Ende der 1960er, Anfang der 1970er seinen Weg antrat. Eine Gemeinsamkeit mit dem Libertarismus, der dem Liberalismus und Anarchismus als in der Französischen Revolution ursprünglich linken Ideen entsprang und sich davon schrittweise lossagte.
Die foto- und hyperrealistische Malerei ist sicher die aufwendigste, handwerklich anspruchsvollste, ehrlichste Art der Malerei. Und sie ist, wie der Name schon verrät, auch die radikalste Form des künstlerischen Realismus – in der Konsequenz dabei oft visionär, ja – auch hier deutet es der Name an – irgendwie fotorealistisch und hypervisionär.
Kommt Ihnen, verehrte Leser, das bekannt vor: eine radikal-realistische, zutiefst ehrliche Bestandsaufnahme und gleichzeitig ein großer augenöffnender Entwurf? Wieder eine Gemeinsamkeit, die ich zwischen foto- und hyperrealistischer Malerei auf der einen und der Österreichischen Schule der Ökonomie sowie den libertären Ideen auf der anderen Seite entdecken konnte. Auch der Foto- und Hyperrealismus ist zum Beispiel in den USA entwickelt worden, hat aber wie der Libertarismus Wurzeln ausgerechnet in Deutschland. Dabei liegt es mir völlig fern, eine Bewegung der Kunst – die immer für sich selbst steht und nur für sich selbst – politisch oder philosophisch vereinnahmen zu wollen. Ich frage mich lediglich, was zusammenpassen könnte und was sich an welcher Stelle widersprechen muss.
Nicht zu vergessen: In bewegten und zunehmend inflationären Zeiten sind diversifizierte Investitionen in Sachwerte zielführend. Auch aus dieser Perspektive lohnt sich ein Blick auf die foto- und hyperrealistische Malerei als Speicher echter Werte. Gemälde aufstrebender junger Künstler sind bereits für wenige Tausend Euro erhältlich – Meisterwerke werden sechsstellig und höher gehandelt. Aber das ist, wie sagt man so schön, „high end“, der große Barren und nicht die kleine Unze.
Wer mehr zum Thema erfahren möchte, dem empfehle ich die wunderbare Informationsseite hyperrealism.net, die vom Franzosen Jacques Bodin und vom Schweizer Christoph Eberle – beide selbst meisterhafte Maler des Genres – betrieben werden. Hier findet sich unter anderem ein ausführliches „Who’s who“ der Szene, zweisprachig auf Englisch und Französisch, sowie ein kenntnisreicher Einführungstext, beinahe eine Art Manifest der beiden Maler unter der Überschrift „Panorama“.
Sicher, die Abbildungen der Gemälde können nicht das Erlebnis ersetzen, ein Bild selbst im Original zu bewundern. Das eigentliche Paradoxon bringen Bodin und Eberle auf den Punkt, wenn sie schreiben: „In der mehrdeutigen Beziehung zwischen Fotografie und Gemälde entsteht ein echtes Problem, nämlich bei der fotografischen Reproduktion hyperrealistischer Gemälde. Tatsächlich tendiert diese dazu, auf die ursprüngliche Quelle für das Gemälde, das Foto, zurückzukommen. Das Gemälde selbst ist im Grunde nicht fotografierbar. Anders gesagt: Die Reproduktion eines Werkes von Picasso, Matisse oder Rembrandt verrät dem Betrachter etwas darüber, wie das Gemälde aussieht. Die Reproduktion eines hyperrealistischen Gemäldes zeigt lediglich, wie ein Faksimile seiner fotografischen Quelle aussieht.“
Wir kommen also nicht umhin, uns die Gemälde irgendwann selbst anzuschauen. Wo? Auch dazu werde ich in meiner monatlichen Kolumne in eigentümlich frei immer wieder zurückkommen. Einstweilen möchte ich aber den am Thema interessierten Lesern neben hyperrealism.net eine zweite Quelle im Internet ans Herz legen: Fast alle lebenden Künstler – Ausnahmen bestätigen die Regel – sind heute auf Instagram mit einem eigenen Account zu finden. Instagram ist für Künstler und Kunstinteressierte ähnlich wie X (ehemals Twitter) für Journalisten und Politiker zur zentralen Austauschplattform avanciert. Ein schöner Effekt: Lange war in Künstlerkreisen das Marketing in eigener Sache verpönt – das „Geschäftliche“ überließ man naserümpfend den Galeristen. Instagram als virtuelle Begegnungsstätte hat hier manches verändert und partiell auch gleich die Kunst mit der Wirtschaft versöhnt.
Sie, verehrte Leser, werden auch mich mit einem kleinen, auf das Kunstinteresse beschränkten Account auf Instagram finden – und wenn Sie dann „anklicken“, wem ich folge, dann haben Sie so wie ich schon einmal ein paar Hundert foto- und hyperrealistische Maler und viele ihrer Werke im Visier. Schauen Sie doch mal rein.
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