Deutsche sind schuld: The German Guilt
Die deutsche Nationalhymne und andere Sonderbarkeiten
von Manuel Maggio
von Manuel Maggio drucken
Es gibt Themen, die einem Autor besonders schwerfallen, und das heutige Thema mag eines davon sein. Wobei ich – als Sohn eines italienischen Gastarbeiters – hier noch einen kleinen Vorteil besitze: Ich kann mich zumindest zur Hälfte von dieser seltsamen deutschen Schuld befreien oder mich im besten Fall gar nicht erst angesprochen fühlen. Was ist diese sogenannte „Deutsche Schuld“, die wir auch noch 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges auferlegt bekommen?
Der englische Ausdruck „The German Guilt“ hatte mich damals, als ich das erste Mal davon hörte, schon sehr verwundert. Es scheint ein gängiger Begriff zu sein, der möglicherweise als Teil der Entnazifizierung gezielt eingesetzt worden ist. Ich denke, dass es auch für Sie kein Geheimnis ist, dass die Siegermächte – vorneweg England und die USA – nicht nur ein Interesse an der Befreiung Deutschlands von den Nazis hatten, sondern ebenso einen Krieg gegen das deutsche Volk führten, den sie gewonnen haben. Deutschland sollte niemals mehr zu einer Bedrohung und zu einem Machtzentrum werden, wozu meiner Meinung nach auch die Erfindung der „Deutschen Schuld“ als Konzept der Unterdrückung gehörte.
Selbstverständlich möchte ich hier keineswegs die Kriegsverbrechen der Nazis verharmlosen; jedoch muss die Frage erlaubt sein, wieso es uns Deutsche mit dieser auferlegten Schuld am härtesten getroffen hat. Noch nie habe ich von einer „Italian Guilt“ gelesen oder von der immer noch anhaltenden „Englischen Schuld“ gehört. Man mag über Fehler von Nationen lesen, von schuldigen Diktatoren oder über verbrecherische Regime reden. Aber die „Deutsche Schuld“ hat auch im Jahre 2024 noch immer eine ganz andere Gewichtung und ist nach meiner Auffassung ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Bedenklich ist daher nicht nur der Zustand, dass es eben diese – von den Siegermächten auferlegte – Schuld gibt, vielmehr verwundert es mich, dass es sogar einen Begriff dafür gibt, der diese nur an Deutschland, oder besser: an den Deutschen, anhaftende Schuld beschreibt.
Unser tägliches Leben wird durch diese – in aller Welt bekannte und akzeptierte – Schuld der Deutschen auch heute noch geprägt, und somit hat dies einen enormen Einfluss auf den Umgang mit Zuwanderung und dem eigenen Nationalstolz. Wer die deutsche Identität akzeptiert, adoptiert dadurch automatisch eines der größten Schuldtraumas, das ein Volk oder Kulturbereich wohl heutzutage haben kann.
Für mich bietet sich für einen Vergleich ein Blick nach Italien an; denn löse ich mich von dieser „Deutschen-Schuld“ aufgrund meiner Abstammung, dann habe ich nicht wirklich einen besseren Tausch gemacht. Waren die Italiener unter Mussolini nicht mindestens genauso menschenverachtend und faschistisch wie die Deutschen, nur mit dem Unterschied, dass die Italiener generell kriegsunfähig waren? Moment, was schreibe ich da, ich meine damit Italien in der Neuzeit und nicht das alte antike Rom. Denn wenn man es genau nimmt, dann müsste es durchaus eine „Roman Guilt“ in der Nachwelt des Römischen Reiches gegeben haben.
Sie werden sich vielleicht fragen, wie ich dazu gekommen bin, mich diesem Thema zu widmen, und was das alles mit der Nationalhymne nun zu tun hat?
Vor ungefähr einem Jahr habe ich mit dem Trompetespielen begonnen, und da habe ich mir neulich die deutsche Nationalhymne zum Üben vorgenommen. Die Melodie ist von Joseph Haydn aus dem Jahre 1796 und der Text wurde am 26. August 1841 von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben verfasst. Das Original wird auch als „Das Lied der Deutschen“ oder „Deutschlandlied“ bezeichnet. Das Lied besteht aus drei Strophen, wobei die ersten beiden nicht mehr aufgeführt werden. Die dritte Strophe ist heute als Hymne der Bundesrepublik Deutschland bekannt. Selbstverständlich habe ich mir die beiden verpönten Strophen angehört und kann verstehen, dass Zeilen wie: „Deutschland, Deutschland über alles …“ heute bei vielen eher links orientierten Menschen Unbehagen auslösen. Da der Ursprung eindeutig nachgewiesen nicht bei den Nazis liegt und dieses Lied daher nicht als Größenwahn der Macht zu bewerten ist, könnte man meiner Meinung nach in der Tat bei der Zensur des Textes von einer Selbstverstümmelung der deutschen Kultur sprechen. Es sind also weniger die eigentlichen Worte eines alten Liedes, sondern vielmehr die Macht des Framings der „Deutschen Schuld“, die ich beispielhaft am Umgang mit dem „Lied der Deutschen“ heute aufzeigen möchte.
Aus Neugier habe ich mir beim Trompeteüben neulich auch den Text der italienischen Hymne einmal genauer angesehen, und angesichts der politischen Ausrichtung der Italiener im Zweiten Weltkrieg möchte ich besonders den Refrain dieser Hymne einmal unkommentiert ins Deutsche übersetzen.
(Anmerkung: Erst am 12. Oktober 1946, bei der Ausrufung der Republik, wurde das Lied die offizielle Nationalhymne des italienischen Staates)
Refrain der italienischen Nationalhymne:
„Lasst uns die Reihen schließen,
Wir sind bereit zum Tod,
Wir sind bereit zum Tod,
Italien hat gerufen!
Lasst uns die Reihen schließen,
Wir sind bereit zum Tod,
Wir sind bereit zum Tod,
Italien hat gerufen!“
Kommentare
Die Kommentarfunktion (lesen und schreiben) steht exklusiv nur registrierten Benutzern zur Verfügung.
Wenn Sie bereits ein Benutzerkonto haben, melden Sie sich bitte an. Wenn Sie noch kein Benutzerkonto haben, können Sie sich mit dem Registrierungsformular ein kostenloses Konto erstellen.