Das Geheimnis der Verantwortung: Freiheit reden oder Freiheit leben?
Der Schlüssel zu den unsichtbaren Ketten deiner Versklavung
von Manuel Maggio
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Wir schreiben Samstag, den 13. Juli 2024, einen Tag vor dem EM-Finale ohne deutsche Beteiligung. Für mich Grund genug, etwas tiefer in meiner Gedankenkiste zu kramen und mich grundlegenden Prinzipien der Philosophie der Freiheit zu widmen.
Zuerst möchte ich eine Beobachtung – oder besser gesagt: eine Analyse des Ist-Zustandes unserer Gesellschaft – mit Ihnen teilen. Freiheit ist wieder in vieler Munde und das Interesse an freiheitlichen Themen ist so groß wie nie. Verstehen Sie mich nicht falsch – in Bezug auf die Gesamtheit in diesem Land sind das natürlich immer noch verdammt wenige, die an Freiheit ein echtes Interesse haben. Ich möchte aber dennoch behaupten: Freiheit ist wieder etwas mehr in Mode, und durch die Möglichkeiten der Informationsverbreitung verschafft (verschaffen) sich die Lehre(n) der Freiheit auch ein immer größeres Publikum. Diese Annahme müsste eigentlich auch dazu führen, einen höheren Grad an Freiheit in unserer Gesellschaft zu spüren, und freiheitliche Ideen müssten sich meiner Auffassung nach besser verbreiten. Doch wenn ich hier alle Werte in meine Gleichung packe, dann stimmt da etwas nicht. Der Grad der Freiheit ist in meinen Augen nicht im entsprechenden Verhältnis – bezogen auf den Grad der Popularität des Begriffs Freiheit – angestiegen. Alle reden von Freiheit, aber es scheint eben oft nur beim Reden zu bleiben. Was genau fehlt in unserer Gesellschaft, wenn es um den Unterschied zwischen dem theoretischen Wissen über Freiheit und der gelebten Freiheit im Alltag geht?
Ich halte das Fehlen von Verantwortung für einen der größten Faktoren. Natürlich interessiere ich mich dafür, wie viele Menschen sich mit den Ideen der Freiheit auseinandersetzen, und freue mich auch über jeden, der Politik und Bevormundung den Rücken kehrt. Blicke ich aber auf die Auswirkungen der Handlungen von Menschen und betrachte dabei auch den deren Wirkungskreis, dann stelle ich eines fest: Immer genau dort, wo Menschen direkt Verantwortung für ihr Handeln übernehmen und wo keinerlei Verantwortungstransfer stattfindet, entsteht ein Umfeld, das von Freiheit und Eigenständigkeit geprägt ist.
Die deutsche Sprache ist schon faszinierend, denn Freiheit als Begriff hat so seine Eigenheiten. Freiheit ist ein Zustand, der eigentlich keinen Weg beinhaltet, wie dieser erreicht werden kann. So spricht man immer wieder von Freiheit erschaffen, Freiheit erbauen, Freiheit errichten, Freiheit erreichen und so weiter. Natürlich können wir hier Freiheit in diversen Kombinationen mit einem Verb verbinden, und man wird verstehen, was ich meine; doch keines dieser Verben ist direkt mit dem Begriff Freiheit verbunden. Eine Mauer wird gebaut, ein Zaun wird errichtet, ein Ziel wird erreicht. Das alles sind eindeutige und klare Verbindungen von Dingen und einem Verb, die die Erreichung dieses Zustandes oder einer Sache beschreiben. Bei der Freiheit fehlt das, und genau deshalb fällt es uns auch so schwer, die konkrete Handlung zu beschreiben, die dazu geeignet ist, mehr Freiheit zu erschaffen. Ich hoffe, dass dies jetzt nicht zu abstrakt war und Sie meinen Gedanken noch folgen können.
Ich möchte nun den Sprung zur Verantwortung wagen, denn bei dieser ist es vollkommen klar, wie wir sie erlangen können: Verantwortung wird übernommen. Das mag auf der einen Seite ebenso abstrakt klingen, doch ist es das keineswegs. Verantwortung wird nicht errichtet, sie wird auch nicht erbaut – nein, sie wird übernommen. Etwas übernehmen bedeutet, dass da etwas ist, das man annimmt. Das Übernehmen passiert in einem einzigen Moment – doch könnte man sagen, dass es eine Entscheidung mit langfristigen Auswirkungen ist. Bei dem Wort „übernehmen“ fühle ich auch sofort: Es geht hier nicht um diesen kurzen Augenblick der Entscheidung, sondern man übernimmt ab diesem Moment Verantwortung für sein gesamtes Leben. Eine Rolle übernehmen ist auch etwas Absolutes und nichts, was man mit jemandem teilen könnte. Die Verantwortung ist somit unteilbar, wenn man das Wesen von Verantwortung ehrlich betrachtet.
Der moralische Zerfall unserer Gesellschaft ist somit auch mit dem Verlust von echter Verantwortungsübernahme verbunden, wobei sich auch wieder der Kreis zu meiner Analyse zu Beginn dieser Kolumne schließt. Über Freiheit reden ist das eine, sich dem Wesen von Freiheit in Bezug auf Verantwortung annehmen etwas ganz anderes. Aufklärung und Freiheitsbewusstsein sind wichtig, was aber in der Realität erst spürbar wird, wenn auch wieder auf individueller Basis für das eigene Leben zu 100 Prozent Verantwortung übernommen wird.
Wenn ich also das nächste Mal gefragt werde, „Manuel, was kann ich als Einzelner nur tun, wenn ich mich für die Freiheit einsetzen möchte?“, dann wird meine Antwort lauten: „Geh raus und übernehme für dich wieder Verantwortung. Mache nur das, was du auch selbst verantworten kannst.“
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