10. August 2024 06:00

Querdenken-Demo in Berlin – Stars benötigen eine Bühne Freiheit rufen – aber dann wollen sie Demokratie

Michael Ballweg und die Spendenbox

von Manuel Maggio

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Bildquelle: Syda Productions / Shutterstock Spendenbox: Spielte bei der Querdenker-Demo eine (zu) wichtige Rolle

Letzten Samstag, am 4. August 2024, war mal wieder eine Großdemo in Berlin angesagt. Anknüpfend an die bekannten Querdenken-Demos zur Corona-Zeit, wollte es Michael Ballweg noch mal wissen und lud zur Demo nach Berlin unter dem Motto: „Für Frieden und Freiheit“. Ich selbst war nicht vor Ort und habe mir lediglich ein paar Videos angesehen und möchte hier auf ein paar Missstände aufmerksam machen, die in meinen Augen einen Widerspruch zum Motto darstellen.

Beginnen wir mit dem Ursprung der Querdenken-Großdemos, der wohl auf den 1. August 2021 in Berlin fällt – ein Tag, an dem auch ich vor Ort war und den ich in meinem ganzen Leben nicht mehr vergessen werde. Niemand wusste an diesem Tag, was in Berlin los sein wird, und viele Menschen kamen, um ein klares Zeichen zu setzen: Man ist mit der Politik und den Freiheitseinschränkungen nicht einverstanden. Bereits vier Wochen nach der ersten Demo gab es dann gleich Teil 2 – Sie erinnern sich sicher an die Inszenierung des sogenannten „Reichstagssturms“. Für mich war bereits schon vor dieser zweiten Großdemo klar: Hier wird eine Opposition gekapert und an die Wand gefahren. Rückwirkend betrachtet kam es auch so. Keine dieser Großdemos hatte einen spürbaren Einfluss auf das politische Geschehen; erst die vielen dezentralen Spaziergänge haben den entsprechenden Druck erzeugt und somit auch eine Wirkung erzielt. Ich bin der Meinung, dass nur dadurch der Impfzwang abgewendet wurde – denn nichts ist wirkungsvoller als ein dezentraler, unorganisierter, aber doch bundesweiter Protest.

Fassen wir also zusammen: Aus freiheitlicher Sicht haben die großen angemeldeten Demos keinen Effekt gezeigt. Wieso dann jetzt ein Comeback des Querdenken-Stars Michael Ballweg? Ich habe keinerlei Beweise und stelle hier nur Vermutungen an. Kennen Sie auch Rockstars oder Popbands, die nach ein paar Jahren aus der Versenkung wieder auf dem Bildschirm auftauchen und eine neue Tournee verkünden? Oft hat dies etwas mit den versiegenden Geldquellen zu tun – denn nichts ist für einen Künstler lukrativer als eine Live-Tour. Als ich mir dann ein Video des Auftritts von Michael Ballweg auf dieser Megabühne angesehen habe, fiel mir sofort auf, dass sich die erste Ansage durch das Mikro auf die Spendenboxen bezog, die dort im Umlauf waren. Ballweg wies darauf hin, dass es offizielle Spendenboxen gebe und dass nur diese dann das Geld an richtiger Stelle sicher abliefern würden. Er betonte auch, dass alle Spenden ihn persönlich, „Querdenken 711“ und den „Digitalen Aktivisten“ unterstützen würden. Wenn wir auf der Website https://digitaler-aktivist.de/ ins Impressum blicken, sehen wir aber auch hier Michael Ballweg als Inhaber aufgeführt. Ich finde es alleine schon dreist, als Erstes Ansagen zur Spendenbox zu machen. Selbst in der Kirche wird der Klingelbeutel nicht direkt am Anfang der Messe durchgereicht, aber das ist ein ganz anderes Thema.

Ein weiterer Kritikpunkt ist der Aufbau mit dieser Megabühne als zentralem Element der Kundgebung. In was für einer Welt leben wir, wenn sich angebliche Freiheitsaktivisten Bühnen errichten, die jenen eines Popstars oder eines Politikers gleichen? Alleine dies zeigt mir schon, wer hier der Star und wer das Fußvolk ist. Ich finde es abstoßend, wenn sich Aktivisten mit dem Begriff der Freiheit schmücken, sich dann aber doch nur wieder mit Applaus, Aufmerksamkeit und Spenden bereichern. Abgrenzungen und Zäune wie bei den Rolling Stones – und die Masse stellt sich dann auch noch brav für Autogramme der sogenannten Corona-Helden an?! Ich bin da raus, definitiv. Für mich hat es wirklich den Anschein, als habe man hier weniger die Freiheit oder den Frieden zum Ziel – viel eher scheint es den Akteuren um eine große Bühne, viel Publikum und Puder für das Konto und das eigene Ego zu gehen.

Nächste Frage: Was hat Freiheit mit dem Wunsch nach „echter“ Demokratie zu tun? In einer Demozusammenfassung auf Kla.tv habe ich ein paar Interviews von Demoteilnehmern angesehen. Alle wollen Frieden und Freiheit – aber gefühlt jeder Zweite äußert den Wunsch nach einer „echten“ Demokratie. Niemand scheint zu begreifen, dass auch Demokratie eine Form der verdeckten Herrschaft ist und eventuell weniger mit Freiheit zu tun hat als eine Monarchie, wenn ich an dieser Stelle etwas übertreiben darf. Jeder schreibt sich den Kampf für die Freiheit auf die Fahne – doch wie viele der Demoteilnehmer am letzten Samstag meinen damit auch wirklich das Abhandensein von Herrschaft? Ich vermute, dass selbst bei einer Demo wie dieser der Anteil der Menschen mit echter freiheitlicher Gesinnung im einstelligen Prozentbereich angesiedelt ist. Wir, und damit meine ich eigentlich mich selbst, haben noch viel zu tun – das steht fest.

Zu guter Letzt noch ein besonderes Schmankerl: In dem 20-minütigen Clip der Demo-Eröffnung durch Michael Ballweg ist nicht das Anpreisen der Spendenbox mein persönliches Highlight, sondern die Darbietung eines Gesanges auf der Bühne, bei dem die Menschen im Publikum aufgefordert wurden, mitzumachen. Eine Sängerin stimmt folgende Zeilen an und Michael Ballweg zeigt, wie man seine Arme dabei bewegen soll. Der Text des Einstimmungsliedes lautet: „Hab Sonne im Herzen und alles ist gut!“ Dies wird dann insgesamt drei Minuten in Dauerschleife gesungen, und man hält die Arme anfangs offen wie ein Prediger und verschränkt sie dann bei der Zeile „Alles ist gut“ wieder vor seinem Körper. Der Gesang der im Grunde professionell wirkenden Sängerin sitzt leider nicht auf dem Klavierplayback, und eigentlich tut mir die Dame leid. Das Gefühl an Fremdscham, als ich das Video das erste Mal gesehen habe, war kaum noch zu überbieten, das können Sie mir glauben. Auf der einen Seite mag ich den Ansatz ja verstehen können, aber auf einer Demo für Frieden und Freiheit ist das etwas zu infantil, wie ich finde.

Sich mit Gleichgesinnten zu treffen, sich nicht mehr alleine zu fühlen, sich zu vernetzen, das mag ja alles ein schöner Effekt einer derartigen Demo sein, doch dafür benötigt niemand eine zentrale Riesenbühne und eine Spendenbox, die dann von den angehimmelten Stars wie ein Klingelbeutel durch die Reihen des Pöbels gereicht wird.


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