29. Mai 2025 06:00

Geld für den Staat „Steuergerechtigkeit“

Ein Widerspruch in sich selbst

von Olivier Kessler drucken

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Bildquelle: Sira Anamwong / Shutterstock „Gerechte“ Besteuerung: Je mehr jemand hat, desto mehr wird aus ihm herausgepresst

Oftmals wird in politischen Debatten moniert, die „Steuergerechtigkeit“ müsse gewahrt bleiben. Steuergerechtigkeit bedeutet gemäß einem populären Erklärvideo des Bundesfinanzministeriums Folgendes: Wer mehr zur Finanzierung des Staatsapparates beitragen könne, müsse auch mehr schultern. Dabei wird so getan, als gäbe es eine klare und eindeutige Art, wie dieser Begriff verstanden und ausgelegt werden könnte. Doch „Gerechtigkeit“ ist ein typisches Wieselwort und hat für jeden eine andere Bedeutung.

„Steuergerechtigkeit“ aus Sicht der Steuereintreiber ist es natürlich, maximale Beute zu erzielen. Je mehr Mittel den staatlichen Ämtern zur Verfügung stehen, desto sicherer ist der Arbeitsplatz der Staatsbediensteten. Der plumpe Grund, weshalb es als „gerecht“ dargestellt wird, wenn den Erfolgreichsten und Produktivsten der Gesellschaft am meisten genommen wird, ist folgender: Hier gibt am meisten zu holen. Es geht nicht um Gerechtigkeit, sondern um Gier.

Doch nur weil eine gewisse Art der Besteuerung die Staatseinnahmen maximiert, bedeutet dies noch lange nicht, dass diese Art der Besteuerung auch gerecht ist. Diese Steuermaximierungsstrategie kann nur dann als „gerecht“ dargestellt werden, wenn von einem Irrglauben ausgegangen wird: vom Irrgauben, es entstünden umso mehr nützliche Sachen, je mehr Mittel dem Staat zukommen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Je mehr Mittel der Staat den Bürgern und Unternehmen abnimmt, desto größeren Schaden für die Allgemeinheit richtet er an. Insofern wäre also eher eine Vorgehensweise gerecht, die möglichst viele Mittel beim Einzelnen belässt.

Doch auch aus weiteren Gründen kann es nicht „gerecht“ sein, dass gerade jenen am meisten genommen wird, die am meisten verdient haben. Warum? Wer in einer Marktwirtschaft (also ohne Hilfe des Staates wie Subventionen oder Privilegien in Form von Sonderinteressenregulierungen) viel verdient, hat nachweislich einen hohen Nutzen für die Allgemeinheit geschaffen. Denn in einer Marktwirtschaft wechselt das Geld den Eigentümer nicht aufgrund von Zwangsbefehlen des Staates, sondern aufgrund freiwillig getroffener Übereinkünfte. Dies bedeutet, dass die Leute ihr Geld nur für Dinge hergeben, von denen sie sich einen höheren Nutzen versprechen als vom Geld, das sie hergeben.

Wenn also jemand in einer Marktwirtschaft viel Geld verdient, bedeutet dies nichts anderes, als dass er die Lebensstandards anderer angehoben hat. Dieses Geld ist sein verdienter Lohn dafür. Das, was ihm zukommt, ist seine angemessene und gerechte Entschädigung. Ihm von dieser Entschädigung gewaltsam etwas wegnehmen zu wollen, ist folglich ungerecht. Es ist ein Hohn, von „Steuergerechtigkeit“ zu sprechen, wenn gerade jene überproportional bestraft werden, die sich am stärksten für das Allgemeinwohl eingesetzt haben.

Dieser Befund gilt nicht nur hinsichtlich der prozentualen Steuerbelastung, also dass den Erfolgreicheren prozentual mehr Steuergelder abgeknöpft werden. Es gilt auch für die absolute Steuerhöhe. Warum sollte sich ein erfolgreicher Unternehmer mehr am Staatsbudget beteiligen müssen als Menschen mit einem geringeren Verdienst für die Allgemeinheit? Damit würde man ja gerade jene belohnen, die sich nicht in gleichem Ausmaß für die Allgemeinheit einsetzten, und jene bestrafen, die am meisten zum Allgemeinwohl beitrugen. Ein solches Steuersystem setzt perverse Anreize: Es lohnt sich weniger, Wohlstand für sich und andere zu schaffen – und es wird eher davon abgesehen, sich unternehmerisch zu betätigen. Das System progressiver Steuern, in dem Leistungsstarke überproportional belangt werden, verhindert Wohlstandsbildung. Es vergrößert die relative Armut im Vergleich zu einem Zustand ohne Besteuerung.

Es stellt sich die Frage, welches Steuersystem tatsächlich gerecht wäre. Aus konsequent-liberaler Sicht stellt man sich auf den Standpunkt, dass kein Steuersystem wirklich gerecht sein kann, weil hier in jedem Fall jemandem unter Androhung oder Anwendung von Gewalt sein Eigentum weggenommen wird und damit das elementare Menschenrecht auf geschütztes Privateigentum verletzt wird. Steuergerechtigkeit ist aus dieser Perspektive ein Widerspruch in sich selbst. Steuern zu erheben kann nie gerecht sein.

„Steuergerechtigkeit“ kann es aus dieser Perspektive lediglich dann geben, wenn man unter „Steuern“ freiwillige Beitragszahlungen versteht, wenn sich das Gebilde namens „Staat“ als freiwilliger Club versteht, an den unerzwungene Beiträge entrichtet werden können. Doch dann wäre er streng genommen kein Staat im eigentlichen Sinne mehr, unter dem man heute eine Organisation mit der Alleinentscheidungsmacht über Konflikte auf seinem Territorium und Besteuerungsbefugnis versteht.

Wenn man von der Existenz eines solchen Staates im traditionellen Verständnis ausgeht, bleibt die Frage, wie man einem gerechten Steuersystem möglichst nahekommen könnte. Weil Steuern – wie oben dargestellt – per se ungerecht sind und falsche Anreize setzen, sollte man den Staatsetat nicht aus Steuern, sondern aus Gebühren finanzieren. Gebühren, die nur dann anfallen, wenn die Bürger oder Unternehmen einen Service des Staates nutzen. So bezahlen sie zum Beispiel Abfallsackgebühren, wenn sie Abfall produzieren und entsorgen. Sie bezahlen TV-Gebühren, wenn sie das staatliche Fernsehen auch tatsächlich schauen. Sie bezahlen Gerichtsgebühren, wenn sie vor Gericht unterliegen. Sie bezahlen Eintrittsgebühren, wenn sie staatliche Museen und Kulturveranstaltungen besuchen. Sie oder die privat abgeschlossenen Versicherungen bezahlen Spitalgebühren, wenn sie dort Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen, und so weiter. Ein solches System wäre wesentlich gerechter als das heutige progressive Steuersystem. Denn der Nutzer einer staatlichen Leistung kommt so selbst für die von ihm verursachten Kosten auf, anstatt die Kosten einfach anonym auf die zahlende Allgemeinheit abzuwälzen und diese zu zwingen, für seinen Lebensunterhalt und sein Vergnügen aufzukommen.

Nun werden einige dagegenhalten, dass in einem solchen System die weniger Vermögenden „bestraft“ würden, weil sie gleich viel wie „die Reichen“ bezahlen müssten. Doch das ist Humbug: Niemand wird so „bestraft“. Niemand nimmt so jemandem etwas weg. Es ist jedem freigestellt, welche staatlichen Leistungen er in welchem Umfang beziehen möchte und welche nicht. Klar kommt man um gewisse Leistungen wie Abfallentsorgung nicht herum, doch auf viele Dinge wie Unterhaltungs-TV, Theater oder Gender-Lehrstühle kann man als weniger Vermögender auch verzichten, um dadurch Gebühren einzusparen. Ein solches „Opting-out“ steht ihnen im heutigen Steuersystem nicht zu.

Die weniger Vermögenden würden außerdem profitieren, weil die Produktiven nicht mehr länger bestraft würden und damit viel mehr Wohlstand für alle schaffen könnten, als das heute der Fall ist. Mehr Wohlstand bedeutet nicht nur diverse, vielfältigere und neuartige Produkte, die den Lebensstandard aller anheben, sondern auch eine tendenzielle Vergünstigung der Produktpreise, weil immer effizientere Produktionsmethoden günstigere Preise zur Folge haben.

Doch was wäre mit lebensnotwendigen Dingen, die den „Armen“ heute vom Staat unter vergünstigten Konditionen angeboten werden? Müssten die „Armen“ dann nicht auf diese Leistungen verzichten? Nein. Es gibt schließlich auch ohne zwangsweise Finanzierung Wege, wie man Bedürftige unterstützen könnte: freiwillige Solidarität, familiäre und kollegiale Hilfe auf freiwilliger Basis, Hilfswerke, Stiftungen, Versicherungen und so weiter. Dank geringerer Steuerbelastung dürfte diese viel großzügiger ausfallen, weil mehr Wohlstand auch mehr überschüssige Mittel zur Unterstützung der Mitmenschen hervorbringt.


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