Geldpolitik: Gäbe es ohne Zentralbanken kein Geld?
Über einen weitverbreiteten Irrtum

Die allermeisten Menschen beantworten die Frage, woher denn das Geld komme, das sie täglich benutzen, so: „Von der Zentralbank.“ Wer sich etwas weiter in die Thematik vertieft hat, weiß vielleicht auch noch, dass nur rund zehn Prozent des Geldes direkt von der Zentralbank selbst stammen, während die restlichen rund 90 Prozent von den Geschäftsbanken als elektronisches Giralgeld via Kreditvergabe geschaffen werden. Doch auch dieser wesentlich größere Teil der Geldmenge wird von der Zentralbank indirekt kontrolliert und gesteuert: Einerseits sind die Geschäftsbanken gesetzlich dazu verpflichtet, das von ihnen geschaffene elektronische Geld mit einem gewissen Anteil an Zentralbankengeld zu hinterlegen, wobei der sogenannte Mindestreservesatz diesen Anteil definiert. Andererseits ist es die Zentralbank, die die Konditionen (die Zinsen) dieser Reservehaltung festlegt.
So kommt es, dass die Zentralbanken nicht selten als Quelle und als ursprüngliche Schöpfer allen Geldes angesehen werden. Doch Zentralbanken sind eine relativ neue Erscheinung in der Geschichte der Menschheit. Die 1694 geschaffene Bank of England beispielsweise zählt zu den ältesten Zentralbanken der Welt. Motivation für die Gründung war nicht etwa die Erfindung von Geld, sondern die Stillung des Kredithungers der Regierung, die sich dank der Unterstützung der Zentralbank günstiger verschulden konnte. Noch später errichtet wurden die Bank of Japan (1882) die Schweizerische Nationalbank (1907) und die US-Notenbank Federal Reserve (1913).
Geld gibt es schon viel länger als Zentralbanken oder Staaten. Zur Entstehung und Verwendung von Geld braucht es keinen schöpferischen Akt eines Staates oder einer Zentralbank. Vielmehr ist das Aufkommen von Geld auf einen evolutionären Prozess zurückzuführen, in dem kreative Unternehmer darauf bedacht waren, die Transaktionskosten zu minimieren. Diese Kosten sind ohne die Verwendung von Geld offensichtlich um einiges höher: Gäbe es kein indirektes Tauschmittel, müsste man für jeden Handel jemanden finden, der bereit ist, das begehrte Gut gegen ein anderes Gut einzutauschen. Solche Tauschpartner zu finden, gestaltet sich ohne Geld als wesentlich schwieriger, aufwendiger und daher kostenintensiver – auch deshalb, weil es beispielsweise unmöglich ist, ein Paar Schuhe gegen eine halbe lebendige Kuh zu tauschen.
Geld ist in seinen verschiedenen historischen Ausprägungen – etwa in Form von Steinen, Muscheln, Federn oder Edelmetallen – als kostensenkende Innovation auf dem freien Markt eingeführt worden und erlangte seinen Wert gemäß dem Regressionstheorem des Ökonomen Ludwig von Mises dadurch, dass es einst einen nicht-monetären intrinsischen Wert oder einen Gebrauchswert hatte, weshalb es sich besonders gut als indirektes Tauschmittel eignete. Erst im Laufe der Zeit okkupierte die Politik das Geldwesen, weil sie sich davon Vorteile in Form von Monopol-Renten und einen nicht einfach zu durchschauenden Zugriff auf das Eigentum der Bürger via inflationäre Geldentwertung erhoffte.
Im Laufe der Geschichte zeigte sich immer wieder, wie problematisch die Verstaatlichung des Geldes sein kann: Die Kunden konnten einst einem fehlbaren privaten Geld-Produzenten, der mit anderen Produzenten im Wettbewerb stand, ihr Vertrauen entziehen und zu einem Konkurrenten wechseln. In einem staatsmonopolistischen System mit einem Alleinanbieter ist eine solche Handlung jedoch nicht mehr möglich, zumal sämtliche Kunden gesetzlich dazu verpflichtet werden, die (oftmals marode) Staatswährung zu benutzen. Der Mythos, wonach Geld ausschließlich von einer Zentralbank geschaffen werden könne und es ohne Zentralbanken kein Geld gebe, ist deshalb so problematisch, weil dieser die Perspektive für mögliche marktwirtschaftliche Alternativen zum staatlichen Geldmonopol trübt, in der die Lösung zur Behebung ständiger Systemkrisen liegen könnte.
1976 äußerte der Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek in seiner Schrift über die „Entnationalisierung des Geldes“ die Idee, die damalige Inflation durch eine freie Währungswahl zu stoppen und auch Privaten zu erlauben, eigene Währungen zu emittieren. Damit stellte Hayek das herrschende Denken auf den Kopf, welches großmehrheitlich annahm, dass Geld gesetzliches Zahlungsmittel sein müsse und nur von Staaten herausgegeben werden dürfe. Die Entstehung von privaten Kryptowährungen eröffnet nun möglicherweise die Chance eines von Hayek geforderten Geldwettbewerbs.
Wettbewerb ist in einer freien Marktwirtschaft immer zu begrüßen, weil Konsumenten dadurch eine größere Auswahl erhalten und Unternehmen sich stets um die Gunst der Kundschaft bemühen müssen, indem sie bessere Produkte und Dienstleistungen anbieten als die Konkurrenz. Beim Geld ist das nicht anders. Die Gefahren eines monopolisierten Geldmarktes sind eine schlechte Geldqualität und das Ignorieren von Benutzerbedürfnissen. Außerdem existiert in einem Monopol-Umfeld aufgrund fehlender Alternativen die Gefahr, dass die Nutzer des Geldes im Falle einer politischen Katastrophe – wie etwa einer Hyperinflation – wenige oder keine Ausweichmöglichkeiten haben, um weiterhin verlässlich Güter und Geld gegeneinander zu tauschen. Aus den genannten Gründen ist der Wettbewerb zwischen verschiedenen Geldanbietern positiv zu werten, selbst wenn die optimale Anzahl von Währungen in einer Volkswirtschaft aus Effizienzgründen und zur Vermeidung von Transaktionskosten bei eins liegen würde. Letzteres würde allerdings eine für alle Wirtschaftsteilnehmer perfekte Währung voraussetzen, die über keinerlei Verbesserungspotenziale mehr verfügt, die von der Konkurrenz realisiert werden könnten.
Inwiefern sich die Entwicklung von Kryptowährungen positiv auf diesen Geldwettbewerb auswirkt, muss sich erst noch zeigen. Zumindest weisen einige von ihnen vielsprechende Wettbewerbsvorteile gegenüber staatlichem Geld auf: Eine wichtige Eigenschaft von Geld ist seine Knappheit. Staatliches Geld erfüllt dieses Kriterium allerdings nur so lange, wie die Entscheidungsträger, die das Geldangebot kontrollieren und in die die Bürger ihr Vertrauen setzen müssen, Disziplin walten lassen. Praktisch auf Knopfdruck können Zentral- und Geschäftsbanken zu tiefen Kosten neues Geld schöpfen und damit den Wert bisher existierender Geldeinheiten mindern. Teilweise sogar drastisch, wie Erfahrungen mit der Hyperinflation gezeigt haben – etwa 1923 in der Weimarer Republik, 2008 in Simbabwe oder in Venezuela, wo nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds die Inflationsrate im Jahr 2019 den Höchstwert von 200.000 Prozent erreichte. Bei Bitcoin etwa ist die Geldmenge auf 21 Millionen Bitcoins beschränkt, was ein Wettbewerbsvorteil gegenüber staatlichen Währungen ist. Natürlich erweisen sich Kryptowährungen aktuell noch als volatil, doch solche Preisschwankungen und -veränderungen stehen am Anfang jeder neu entdeckten Technologie.
Es wäre nun am Gesetzgeber, dem Währungswettbewerb zum Nutzen aller freien Lauf zu lassen und diesen nicht durch eine unnötige Privilegierung des Staatsgeldes zu verzerren. Es gilt beispielsweise, den gesetzlichen Annahmezwang für die staatliche Währung abzuschaffen und von entsprechender Überregulierung möglicher Alternativen abzusehen.
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