17. Juni 2025 18:00

Freiheit der Popkultur I.S.S.: Ein Triller im Orbit

Krieg auf der Erde, Chaos im All

von Sascha Blöcker drucken

Die I.S.S. - erstellt von der KI Grok
Bildquelle: KI: Grok (X) Die I.S.S. - erstellt von der KI Grok

Was passiert eigentlich auf der I.S.S., wenn es Krieg zwischen Russland und den U.S.A. gibt? Diese spannende Frage stellt sich der Film I.S.S. und das Ergebnis lässt sich sehen, auch wenn es Kleinigkeiten gibt, die bemängelt werden können. Es gibt keine guten Ideen mehr im heutigen Film. So oder so ähnlich klingen etliche Vorwürfe an das heutige Kino. Der im Jahr 2023 erschienene I.S.S. ist hier eine von vielen Ausnahmen. Der Film I.S.S. zeigt, wie drei kleine Nachrichten von Menschen, die wir gar nicht kennen, uns dazu bewegen können, Freunden und Folgern zu misstrauen. Denn diese Nachrichten kommen ja vom Staat und der Staat ist die Autorität.

Die Prämisse: Krieg auf der Erde, Chaos im All

Die Handlung von I.S.S. ist so simpel wie genial: Sechs Astronauten – drei Amerikaner, drei Russen – leben und arbeiten in harmonischer Enge auf der Internationalen Raumstation, einem Symbol für globale Zusammenarbeit. Alle sind miteinander vertraut und respektieren einander. Doch als auf der Erde ein nuklearer Konflikt zwischen den USA und Russland ausbricht, erhalten beide Teams geheime Befehle von ihren Regierungen: Übernehmen Sie die Kontrolle über die Station – mit allen Mitteln. Plötzlich verwandelt sich die wissenschaftliche Oase in ein Schachbrett voller Misstrauen und Verrat. Die Prämisse ist ein Volltreffer: Sie kombiniert die beklemmende Isolation von Alien mit der geopolitischen Spannung eines Kalten-Kriegs-Thrillers und würzt das Ganze mit der Schwerelosigkeit eines Gravity. Doch wie so oft liegt der Teufel im Detail – oder in diesem Fall im Drehbuch.

Die Besatzung: Talente in der Umlaufbahn

Die Besetzung von I.S.S. ist ein echtes Highlight. Ariana DeBose, frisch von ihrem Oscar für West Side Story (2021), führt als Dr. Kira Foster, eine Neuastronautin, die sich in der Schwerelosigkeit ebenso schwer tut wie im Umgang mit menschlicher Tücke. DeBose bringt eine natürliche Authentizität in die Rolle, weil ihr Charakter manchmal mehr reagiert als agiert. Chris Messina als Commander Gordon Barrett und John Gallagher Jr. als Christian Campbell komplettieren das amerikanische Trio, während Masha Mashkova, Costa Ronin und Pilou Asbæk als russische Kosmonauten Weronika, Nicholai und Alexey überzeugen. Besonders Asbæk sticht heraus: Seine Darstellung eines zwiegespaltenen Kosmonauten, der zwischen Pflicht und Gewissen hin- und hergerissen ist, verleiht dem Film emotionale Tiefe, wo das Drehbuch sie zuweilen vermissen lässt.

Die Chemie zwischen den Darstellern ist spürbar, besonders in den frühen Szenen, in denen die Crew noch wie eine dysfunktionale Weltraum-WG wirkt, die sich über Wodka-Stereotype und Schwerelosigkeits-Witze verbindet. Doch sobald die Befehle von der Erde eintreffen, bricht die Harmonie schneller zusammen als ein Kartenhaus in einem Windkanal oder ein staatliches Rentensystem, das auf Analphabeten setzt. Die Dynamik zwischen den Figuren – von romantischen Verstrickungen bis hin zu brüderlicher Loyalität – sorgt für genug Drama, um die 95-minütige Laufzeit zu tragen, auch wenn die Charakterentwicklung nicht bei allen sechs gleichmäßig verteilt ist.

Der Ton: Spannung mit Stolpersteinen

Regisseurin Gabriela Cowperthwaite, bekannt für ihren Dokumentarfilm Blackfish und das Drama Our Friend, beweist ein Händchen für emotionale Intensität und visuelle Enge. Die Kameraarbeit von Nick Remy Matthews fängt die beengte Atmosphäre der I.S.S. mit geschickten Schwenks und Nahaufnahmen ein, die das Gefühl von Klaustrophobie verstärken. Die Schwerelosigkeit ist beeindruckend umgesetzt – kein Wunder, denn die Produktion hat sichtlich Mühe investiert, um die Illusion von schwebenden Körpern glaubwürdig zu machen (auch wenn man hier und da vergessen hat, Gegenstände schweben zu lassen). Die Musik von Anne Nikitin unterstreicht die Spannung mit einem minimalistischen, aber effektiven Score, der die Stille des Alls nutzt, um die Nerven der Zuschauer zu strapazieren.

Doch wo I.S.S. glänzt, stolpert es auch. Das Drehbuch von Nick Shafir hat seine Stärken – die Idee, hochtrainierte Wissenschaftler in einem Moment der Krise in paranoide Überlebenskünstler zu verwandeln, ist faszinierend. Doch die Ausführung bleibt oft hinter den Erwartungen zurück. Die Handlung gibt zu früh zu viel preis, wodurch die Spannung, die ein Hitchcock’scher Ansatz hätte maximieren können, schnell verpufft. Charaktere treffen Entscheidungen, die mehr der Dramaturgie als der Logik dienen. Plotlöcher, wie die fragwürdige Motivation für einen Verrat, lassen den Zuschauer gelegentlich die Augenbrauen heben.

Die Themen: Menschlichkeit im Vakuum

Die Dynamik im Film macht den Film. Die Protagonisten sind sich einig: Keine Politik auf der I.S.S. Als die Politik dann aber doch die I.S.S. erreicht, vergessen einige, dass sie buchstäblich über den Dingen stehen (sollten).

„Overview Effect“, jenem spirituellen Erwachen, das Astronauten erleben, wenn sie die Erde aus dem All betrachten und die Fragilität unseres Planeten erkennen. Diese Idee wird vertieft, auch wenn man es uns nicht mit Zwang in einem Dialog mitteilt. Der Film behandelt mich wie einen Erwachsenen, und das ist gut so.

Besonders interessant ist die Darstellung der russischen und amerikanischen Crewmitglieder, die zwar mit einigen Stereotypen spielt (ja, es gibt Wodka), aber auch zeigt, wie schnell Zusammenarbeit in Misstrauen umschlagen kann. Der Film vermeidet es glücklicherweise, eine Seite als die „Bösen“ darzustellen, sondern zeigt beide Parteien als Opfer ihrer Regierungen, so wie es sie wohl auch millionenfach auf der Erde gibt. Einige hätten sich eine „mutigere Auseinandersetzung“ mit den politischen Implikationen gewünscht, besonders in Zeiten realer globaler Spannungen, um dem Film mehr Relevanz zu verleihen. Ich bin allerdings der Meinung, dass der Film nur ohne die Bindung an echte Konflikte die Chance hat, zeitlos zu sein.

Der Empfang: Ein gemischter Orbit

I.S.S. erhielt nach seiner Premiere beim Tribeca Film Festival 2023 gemischte Kritiken. Auf Rotten Tomatoes liegt die Zustimmungsrate bei 61 Prozent, mit einer durchschnittlichen Bewertung von 6,0/10, während Metacritic einen Score von 53/100 vergibt, was „gemischte oder durchschnittliche“ Bewertungen widerspiegelt. Kritiker loben die starke Besetzung und die visuellen Effekte, bemängeln aber die schwache Charakterentwicklung und die verpassten Chancen des Drehbuchs. Mark Kermode nannte es „einen unterhaltsamen B-Movie“, der seine Prämisse nicht voll ausschöpft, während andere wie Tim Robey von „The Daily Telegraph“ das Ende als „katastrophal“ bezeichneten. Das Einspielergebnis von 6,6 Millionen Dollar bei einem Budget von 14 Millionen deutet darauf hin, dass der Film kommerziell kein Volltreffer war, aber seine kurze Laufzeit und die spannenden Momente machen ihn zu einem soliden Kandidaten für einen Streaming-Abend.

Fazit: Ein fast perfekter Schwerelosigkeitsthriller

I.S.S. ist ein Film, der mit einer brillanten Idee startet, aber in der Umlaufbahn etwas an Schwung verliert. Die starken schauspielerischen Leistungen, die überzeugende Inszenierung der Schwerelosigkeit und die beklemmende Atmosphäre machen ihn sehenswert, doch die Schwächen im Drehbuch und ein umstrittenes Ende halten ihn davon ab, in die Stratosphäre großartiger Sci-Fi-Thriller aufzusteigen. Dennoch halte ich ihn für absolut sehenswert und unterschätzt.


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