Quatschquadrell: An ihren Taten werdet ihr sie nach der Wahl erkennen
Ein einziger Rhetorik-Zirkus
von Axel B.C. Krauss
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Wir müssen Brücken bauen, Gräben zuschütten, Fehler der Vergangenheit korrigieren, den Aufbruch wagen, Zuversicht zeigen, Mut haben und Entschlossenheit an den Tag legen. Es muss sich etwas ändern. Jetzt!
Sie lasen die Kurzzusammenfassung des Quadrells. Die ganze Rhetorik ist Beschiss, und sie kam von Kandidaten – um einen berühmten Schlager Hape Kerkelings etwas freier, aber dem Anlass angemessen zu interpretieren.
Andererseits wäre es unfair, ihnen alles in die Schuhe schieben zu wollen, denn das Format selbst erzwingt es ja: Die Redezeit ist nun mal sehr begrenzt, da darf man keine ausführlichen und voll zufriedenstellenden Antworten erwarten. Es ist nun mal Platitüden-Bingo, zu dem jeder ein, zwei kernige Sätze beitragen darf. Medienbla.
Trotzdem: Ein wenig mehr Mühe hätte man sich schon geben können. Was soll ich als potenzieller Wähler denn bitte anfangen mit folgenden Worten Friedrich Merz’, frisch aus dem Stanzwerk: „Wir haben ein richtig gutes Programm für Deutschland. Ich möchte eine Regierung führen, die aufhört, zu streiten, die dafür sorgt, dass Deutschlands Stimme in Europa wieder gehört wird. Dafür setze ich mich mit aller Kraft ein.“ Unz Unz Unz.
Oder der hier: „Es gibt nicht nur den 23. Februar, es gibt auch den 24. Februar. Dann müssen wir die Probleme unseres Landes lösen.“ Ja ich glaube, das kann man so stehenlassen: Es gibt Probleme, die von der CDU maßgeblich mit angerührt wurden und die müssen gelöst werden. Schneeflöckchen, Weißröckchen.
Habeck: „Ich bin 55 Jahre alt. Ich hab’ mein Leben in einem Land gelebt, in dem Frieden und Wohlstand auf ewig garantiert schienen. Diese Garantie ist brüchig geworden. Wir müssen nach der Wahl politisch zusammenarbeiten.“
Ich: „Ich bin 57 Jahre alt. Ich lebe in einem Land, dessen Bevölkerung einen Habeck erstaunlicherweise als Wirtschaftsminister duldete. Jahrelang. Dessen Partei wirtschaftspolitische Scheiße so hochstapelte, dass man, wenn man ganz oben steht, die Fenster der Internationalen Raumstation putzen kann.“
Olaf Scholz, auch bekannt als „Das Phantom der Amtszeit“, brillierte mit hochverdichteter inhaltlicher Substanz: „Diese Sendung hat gezeigt: Am besten wieder die SPD und der Bundeskanzler, der eine Runde weiterkommt.“ Moment mal: Wer hat die Steuerkohle verbraten? Sozialdemokraten! Doch nicht nur sie. Denn davor waren es ja die Christdemokraten (unter Angie).
Ach ja, und eine Reform der Schuldenbremse muss her. Mit anderen Worten: Rauf bis zum Hals mit den Spendierhosen, sichtbarer! Mehr „Sondervermögen“? Das wird mächtig im Schritt kneifen.
Leider sah es bei Alice Weidel auch nicht so viel anders aus. Dass die Energiepreise sinken sollten, ist eine Binsenweisheit. Dass man den Klimakappes zurückschrauben will, also die gezielte Umverteilung von unten nach oben, ist zwar löblich, aber es bleibt eben abzuwarten, wie viel davon nach der Wahl umgesetzt wird und in welcher Machtverteilung zwischen den Parteien.
Das Gleiche bei „Sozialem“ und der „Verteidigung“: Woher soll das Geld kommen? Einerseits will man die Bürger „stark entlasten“, aber dann würde ja die Steuerwolle fehlen, um die versprochenen Wohltaten an anderen Baustellen überhaupt finanzieren zu können. Anders ausgedrückt, fehlte in der Runde von einem „Kettensägen-Massaker“ jede Spur. Als wolle niemand wirklich den Boden berühren, hingen die Phrasen in der Luft wie Fürze, aber niemand will es gewesen sein. Die AfD kann derzeit vor allem beim Aufregerthema Migration punkten – was zwar verständlich ist, sie aber nicht davon entlastet, auf anderen Gebieten wirklich tragfähige Konzepte vorlegen zu müssen. Keiner der Kandidaten konnte mich auch nur annähernd überzeugen – auch Weidel nicht.
Nun gut: Es war eben nur eine Show. Und es heißt auch nicht ganz umsonst Wahlkampf-„Arena“: ein Rhetorik-Zirkus. Es hilft alles nichts: Erst nach der Wahl wird sich – so wie immer – zeigen, was das ganze Gerede vor der Wahl wirklich wert ist.
Natürlich echauffierte man sich auch über die unfassbar verlogene Rede des amtierenden US-Vizepräsidenten J.D. Vance – und redete auch dabei am Kernproblem eigentlich vorbei. Wenn jemand wie Vance, der aus einer vor lauter Korruption und Nepotismus förmlich platzenden Schlangengrube wie Washington stammt und der selber auch nicht ganz demokratisch, sondern mithilfe von Millionen Dollar an Schmiergeldern und fleißiger Lobbyarbeit seitens eines Elon Musk und Peter Thiel in die Regierung gelangte, anderen Vorträge über „Volkssouveränität“ und korrekte demokratische Prozeduren halten will, kann man das getrost als Heuchelei verbuchen und seines Weges gehen.
Ich könnte jetzt die Prognose wagen, dass sich nach der Wahl nicht allzu viel ändern wird; dass man sich weiterhin „durchwurschteln“ wird, höchstwahrscheinlich in Gestalt der CDU, die eine Koalition entweder mit FDP oder SPD und Grünen eingehen wird (Letzteres dürfte wahrscheinlicher sein, da die FDP eigentlich restlos erledigt ist), während die AfD im Bundestag weiterhin das Ventil für Wut- und Frustwähler spielt, aber das wäre müßig.
Ich habe nur zwei Bitten. Eine an Friedrich Merz und seine Mitstreiter der anderen Parteien: Hört auf mit dem Gequatsche von der „Brandmauer“. Ich bitte nicht deshalb darum, weil ich der AfD sonderlich nahestünde, sondern weil Ihr – das Parteienkartell – in den letzten zwei Dekaden so viel Schaden angerichtet habt, dass eigentlich eine Brandmauer gegen Euch nötig wäre. Wer so viel kaputtschlägt, sollte andere nicht beschuldigen, darob die Fäuste zu ballen.
Zweitens: Wenn die AfD jemals wirklich ernstgenommen werden will, wird sie weitaus professioneller auftreten müssen. Heißt konkret: Sie wird sich a) von diversen nach wie vor in ihren Reihen herumwuselnden dubiosen Elementen und b), auch wenn sie das natürlich nicht gerne hören wird, vor allem von den unerträglichen Tölpeln im Internet trennen müssen, die sie engagiert – denn die stiften in propagandistischer Hinsicht definitiv mehr Schaden als Nutzen. Wenn die AfD schon solche Figuren beschäftigen will, braucht sie dringend eine bessere Qualitätskontrolle.
Konkretes Beispiel: Wenn einer dieser Obertölpel genau in der „heißen Phase“ des Wahlkampfes – gerade mal zwei Wochen vor dem Termin – seinen Lesern und Zuschauern ernsthaft verklickern will, der „Deep State“ plane einen „Angriff auf die AfD“ und er habe dafür „brisante Dokumente“ des FBI – bloße Behauptungen, die natürlich nie wirklich substanziiert wurden –, braucht sich die Parteispitze nicht zu wundern, wenn sie eher als, na, ich sage mal Magnet für Gelächter dasteht. So was fällt negativ auf sie zurück. Und wenn derselbe AfD-Werbeträger seinem Publikum ausgerechnet einen Martin Sellner, der früher einmal Hakenkreuz-Aufkleber auf eine Synagoge pappte, als regelrechte Lichtgestalt und Helden des Widerstands anzudrehen versucht, wird der Partei so lange der entsprechende Geruch anhaften, wie sie sich von solchen Schmuddelkindern und unseriösen Amateuren nicht ganz klar distanziert. Stattdessen gab Weidel ihm auch noch ein Interview. Gut mitgedacht!
An sich ist es kein Kino, dass die AfD eine halbe Armada an Online-„Influencern“ hochgezogen hat, die ständig die Werbetrommel rühren. Schließlich machen die anderen Parteien dasselbe – auch sie haben natürlich ihre Pressepudel, ihre NGOs, ihre Youtuber. In der Politik geht es immer auch um die – wie Olaf Scholz sich einmal ausdrückte – „Lufthoheit über den Kinderbetten“. Will sagen: Agitprop gehört dazu, das ist bei jeder Partei so. Auf einem so laienhaften und unseriösen Niveau schießt man sich allerdings selbst in Bein.
Bis nächste Woche.
Kommentare
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