16. Juli 2025 11:00

Der Kreml scheint nichts gelernt zu haben … … und der Westen scheint ihm allmählich folgen zu wollen

Aufmerksamkeitsmanagement und Informationskanalisierung statt roher Gewalt

von Axel B.C. Krauss drucken

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Bildquelle: Markus Wissmann / Shutterstock „Experte“ Yuval Noah Harari: Der Leib- und Magenhistoriker der Technokraten

Sehr geehrte politische Eliten,

ich habe manchmal das Gefühl, dass ihr nichts aus der Geschichte lernen wollt. Ihr solltet doch eigentlich längst begriffen haben, dass der beste Unfreie derjenige ist, der sich frei wähnt. Wie Goethe einmal sagte – ihr habt dieses Zitat sicher schon mal irgendwo gelesen: „Niemand ist mehr Sklave, als der sich für frei hält, ohne es zu sein.“

Und was macht ihr? Droht mit Zensur, Abschaltung von Internetportalen, „Debanking“ beziehungsweise Demonetarisierung und, und, und. No offense, aber das ist schrecklich töricht.

„Seit Beginn des Ukraine-Kriegs“, schrieb die „Welt“ am 12. Juli, „hat die staatliche Zensur der russischen Kulturszene neue Höhen erreicht. Gefolgsleute von Machthaber Putin rufen nun gar nach einer Wiedereinführung des sowjetischen Zensursystems. Doch der Plan hat einen Haken“ („Jetzt setzt der Kreml zum Angriff auf die russische Kulturszene an“).

Schaut mal, es ist doch viel geschickter – um nur ein Beispiel zu geben –, einen sogenannten „langen Marsch durch die Institutionen“ durchzuführen. Diese Formulierung sollte gerade euch in Russland doch eigentlich sehr bekannt vorkommen, aber egal. Jedenfalls hat eine solche Strategie zwei sehr gewichtige Vorteile: Erstens besetzt man dadurch strategisch wichtige, sprich „meinungsbildende“ Positionen in Politik und Presse mit Leuten aus dem eigenen Stall, dem eigenen Denklager. Zweitens erreicht man durch das langsame, schrittweise Vorgehen, dass die nächste Generation zunächst mal gar nichts von dieser Eroberung der Lufthoheit über ihren Wiegen weiß, was bedeutet, dass sie die vom „Juste Milieu“ – der vorherrschenden dominanten Klasse – verbreiteten Informationen als ganz natürlich empfindet, ungefähr so, als sei „die Welt nun mal so“ und als gebe es quasi gar keine Alternativen. Als sei dieses System, wie eine ehemalige DDR-Physikerin einmal sagte, „alternativlos“.

Versteht ihr? Wenn ein Mensch in so einem Umfeld des kontrollierten oder „gemanagten“ Meinensollens aufwächst, lernt er – ein ganz wichtiger Punkt – gar nichts anderes mehr kennen. So hält er sich, wie Goethe ganz vortrefflich formulierte, für frei, obwohl er in Wahrheit natürlich gedanklich unfrei ist. Aber manche von euch können natürlich wieder nicht an sich halten und schlagen allen Ernstes die Holzhammermethode vor. Trottel.

Die Methode, die ich gerade beschrieben habe, ist trotz einer gewissen Raffinesse trotzdem noch Amateurliga. Und jetzt betreten wir mal den Boss Level. Dort, wo die wirklich klugen, sehr klugen, ausgefuchsten, abgewichsten „Konditionierer“ sitzen, wie C.S. Lewis sie einmal nannte, die Menschen-„Dompteure“, die es richtig draufhaben.

Stellt euch vor, ihr erlangt die Kontrolle über das Geldsystem, indem ihr Zentralbanken gründet, deren Chefs – analog zur Methode des „Langen Marsches“ – zu eurem Stall gehören. Die also genau so denken, wie ihr euch das wünscht. Zu diesem Behufe gründet ihr sogenannte „Denkfabriken“, „Thinktanks“ – nicht nur eine Handvoll, sondern ein ganzes Netzwerk aus „Denkschulen“ – wie zum Beispiel die „London School of Economics“. So züchtet ihr euch regelrecht eine ganze Generation von Ökonomen, die die von euch erwünschte wirtschafts-„wissenschaftliche“ Lehrmeinung erarbeitet. Über die von euch auf der finanziellen Schiene kontrollierte und somit erpressbare Torwächterpresse sorgt ihr dann dafür, dass nur solche Ökonomen auf das Podest der öffentlichen Aufmerksamkeit gehoben werden, sodass der Eindruck steht – siehe oben – diese Art, über Geld und Wirtschaft zu denken, sei „alternativlos“.

Oder stellt euch vor, ihr wollt ein ganz spezifisches Welt- und Menschenbild hoffähig, also zum „Mainstream“ machen, zur dominanten Denke der Zeit. Sagen wir mal ein technokratisches und transhumanistisches. Nichts leichter als das, ihr braucht nur die in den Wirtschafts-„Wissenschaften“ erprobte Methode zu wiederholen: Lasst eure Presse nur solche Köpfe zu „Experten“ und „weltweit führenden“ Geistern hochblödeln, die eben die erwünschten Narrative verbreiten.

Konkretes Beispiel: Yuval Noah Harari, der Leib- und Magenhistoriker der Technokraten, Trend-Resetter, technofaschistoiden „Der Mensch ist ein Auslaufmodell“-Futuristen und KI-„Singularitäts“-Priester vom Weltwirtschaftsforum (WEF). Wenn er also von der Torwächterpresse ständig zum überragend brillanten Fachmann verklärt wird, der er natürlich gar nicht ist – er ist weder ein herausragender Historiker noch ein besonders tiefschürfender Denker –, dann dient dies eben dazu, eure Meinung durchzusetzen. Aber nicht mit dem Knüppel, nicht durch Diktate, nicht durch Zensur und derlei plumpes, grobschlächtiges, ungeschickt-elefantöses Herumtrampeln im Porzellanladen des Denkens, sondern „weicher“. Kurz, Aufmerksamkeitsmanagement: Richtet den Aufmerksamkeitsfokus durch entsprechende Werbekampagnen auf eure Stallpferdchen. So wie man es seit geraumer Zeit ja auch im Internet macht.

Dort hat man über Jahre hinweg sorgfältig einen politischen Influencer nach dem anderen „großgezogen“. Das ist heute gar kein Problem mehr, es kostet nur ein bisschen Geld, und davon habt ihr als Eliten ja nun wirklich mehr als genug: Likes, Retweets, Follower, Videoviews und so weiter kann man sich bei den mittlerweile in großer Zahl vorhandenen Firmen kaufen. Wenn ihr erst mal genug solcher Influencer aufgebaut habt, schaltet ihr sie zusammen: Die gekauften Influencer zitieren und interviewen sich dann nur noch gegenseitig, alles andere wird – genau wie im Mainstream – ignoriert und totgeschwiegen. So funktioniert effizientes Aufmerksamkeitsmanagement, so funktioniert Informationssteuerung. In den USA läuft das übrigens genauso: Dort hatte man vor einiger Zeit einen Limited Hangout namens Tucker Carlson mit viel Werbeaufwand populär gemacht, damit möglichst viele Leute ihm „folgen“, statt sich selber nach Informationen umzusehen. Sogar der technokratische Trojaner Donald Trump und Elon Musk waren bei ihm, um seine Reichweite zu erhöhen und ihm mehr Zulauf zu verschaffen. Noch mal: Das ist effizientes Aufmerksamkeitsmanagement. So macht man das.

Also hört doch auf, euch das Leben selber schwerzumachen. Meine Güte. Habt ihr nichts dazugelernt? Die Menschen in der DDR oder der Sowjetunion wussten natürlich, dass sie unfrei sind: Ja, ich lebe in einer Diktatur. Ja, es ist ein totalitäres System. Ja, wenn ich mich zu weit aus dem Fenster lehne, kann man mich „abgreifen“ und „pazifizieren“. Sprecht mir nach: un-ge-schickt. Man gibt dadurch ein klar erkennbares Feindbild ab. Gegen das man ebenso klare Widerstandsstrategien entwickeln kann. Zeigt mir mal eine Diktatur der Weltgeschichte, die nicht irgendwann untergegangen wäre. Es funktioniert nun mal nicht. Also: Be soft! Geht subtiler vor. Lasst den Menschen die Illusion einer „völligen“ Freiheit. Aldous Huxley hatte das doch schon vor Jahrzehnten kapiert: Konstruiert ein Gefängnis „ohne Tränen“. Dessen Gitterstäbe man nicht sehen kann, weil es keine aus Stahl sind, sondern Gitterstäbe des Geistes, des Bewusstseins und Denkens. Formt das Bewusstsein der Menschen. Dann erledigt sich der Rest wie von selbst. Gerne auch über das Schulsystem: Dressiert Menschen darauf, Vorbetern an der Tafel zu „folgen“. Könnt ihr alles selber nachlesen. Bei Wundt. Bei Bertrand Russell. Und so weiter.

Ein letztes Beispiel zum Schluss: Eine Zeitung veröffentlicht einen kritischen Artikel über das unethische Vorgehen eines Konzerns in irgendeinem Land am Arsch der Welt, egal wo. Dieselbe Firma schaltet regelmäßig schweineteure Werbeanzeigen in dieser Zeitung. Was macht ihr? a) „Wenn ihr so was nochmal bringt, hauen wir euch in die Fresse!“ oder b) ihr schreibt der Chefredaktion eine ganz höfliche und zivilisiert formulierte Mail wie zum Beispiel: „Es tut uns schrecklich leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir uns nicht mehr vorstellen können, in Ihrem Blatt Werbeannoncen zu schalten. Das werden Sie sicher verstehen. Es ist nichts Persönliches. Schauen Sie, die Zeiten sind für uns alle hart, und wir können das Geld ja nun auch nicht mit vollen Händen ausgeben. Wir müssen kalkulieren und bitten herzlich um Verständnis für unsere Entscheidung.“

Und wenn ihr nicht wollt, dass ein Autor populär wird, veröffentlicht einfach seine Manuskripte nicht. Gründe sind kinderleicht zu finden. Auch dabei gilt: Nicht rabiat werden! Wenn ihr dem Autor sagt: „Wir wollen nicht, dass die Öffentlichkeit davon erfährt, deshalb werden wir dein doofes, krudes, unseriöses Manuskript nicht veröffentlichten, du selberdenkendes Arschloch!“, wird er sich seinen Teil schon denken. Ergo? „Es tut uns leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir uns nicht vorstellen können, Ihr Manuskript in unserem Hause zu veröffentlichen. Sie sind jedoch völlig frei und können Ihr Buch im Selbstverlag herausbringen. Fragt sich halt nur, wer es dann überhaupt liest und welche Reichweite Sie damit erzielen werden, wenn Sie keinen großen Verlag im Rücken haben, der in der Lage ist, hohe Werbebudgets aufzuwenden, um Sie zu einem ‚Bestsellerautor‘ zu machen. Hehe.“

Alles klar? Begreift ihr jetzt, wie das läuft? Nichts für ungut: Stalin ist tot, werte Betonschädel im Kreml. Menschen mit brutaler Gewalt „wegretuschieren“, zieht nicht mehr. Retuschiert sie durch Schweigen.

Bis nächste Woche.


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