16. April 2025 10:00

Erwiderung Nicht nur die Babyboomer haben es „versaut“

Es gäbe noch einige andere „Schuldige“ zu nennen

von Axel B.C. Krauss

von Axel B.C. Krauss drucken

Artikelbild
Bildquelle: Freeograph / Shutterstock Uraltes Phänomen: Reibung zwischen den Generationen

Am 19. März erschien hier auf den Freiheitsfunken ein Artikel aus der Feder von Oliver Gorus („Generationenkonflikt: Die Boomer haben es schlicht versaut. Wie die jungen Leute von den Alten verraten und verkauft wurden“), der mich etwas entsetzte. Zwar weist Gorus gleich zu Beginn darauf hin, es gehe ihm keinesfalls um pauschale Verurteilungen einer ganzen Generation, letztendlich aber beschuldigt er sie dann doch – siehe Überschrift –, die Jungen „verraten und verkauft“ zu haben.

Eine Formulierung, die mich deshalb extrem stört, weil „Verrat“ natürlich eine bewusste Handlung impliziert. Davon kann wohl kaum die Rede sein. Als hätten die allermeisten dieser Menschen aus Achtlosigkeit, Nachlässigkeit, Fahrlässigkeit oder gar böswilliger Absicht gegenüber der nachfolgenden Generation gehandelt.

Gorus: „Auf das Konto der Boomer gehen Energiewende, Euro-Rettung, Atomausstieg, Grenzöffnung, Corona-Maßnahmen, Rekordsteuern und -abgaben und jetzt die Schuldenorgie und die suizidale Eintragung der ‚Klimaneutralität‘ ins Grundgesetz.“

Wie gesagt: Da nützt mir auch der Hinweis nicht, es ginge nicht um kollektive Verurteilungen, wenn es dann doch „die Boomer“ sein sollen, die das alles zu verantworten hätten. Einige der Politiker, die das alles angerührt haben, sind zwar sicher Boomer – aber der Rest der Bevölkerung kann wirklich nicht viel dafür, egal, ob Boomer oder nicht. Denn dazu hätten sie erst mal die nötigen Informationen haben müssen, um fundiertere bessere Entscheidungen treffen oder sich entsprechend wehren zu können – Informationen, die ihnen vom politmedialen Komplex vorenthalten wurden. Zudem wurden dann auch noch Exempel statuiert, wenn jemand aus der Reihe zu tanzen wagte – und man kann nun mal nicht davon ausgehen, dass jeder Mensch die Resilienz besitzt, solchem Gesinnungsterror dauerhaft standzuhalten.

Gorus: „Sie stießen ihre Eltern vor den Kopf und brachen die Kommunen, die Mao-Begeisterung, den Sozialismus, die Studentenrevolten und die RAF vom Zaun und gründeten die Grünen. Und sie wählen bis heute vor allem Union und SPD, zu 60 Prozent beispielsweise bei der gerade gelaufenen Bundestagswahl.“

Die Eltern vor den Kopf zu stoßen – vielleicht, weil man sie als „Establishment“, „konservativ“, „starrköpfig“, „unbeweglich“ oder dergleichen empfindet –, ist beileibe kein boomerspezifischer Wesenszug: Es ist nun mal der „Job“ jeder jüngeren Generation, sich an den Eltern zu reiben. Das war doch schon immer so, und ich glaube, alle Eltern – und alle älter gewordenen ehemaligen „Rebellen“ – können Liederbücher damit füllen. Daher empfinde ich diesen Vorwurf als völlig überzogen. Es handelt sich um ein uraltes, zahllose Generationen überspannendes Phänomen.

Und was hilft es zu sagen, sie wählten immer dieselben Parteien wie CDU und SPD, solange sie tagtäglich von einer willfährigen Presse mit Quatsch über eine vermeintlich gut funktionierende „pluralistische Demokratie“ oder dergleichen bombardiert werden? Was nützt es, ihnen eine Art „Zerstörungswut“ anzudichten, die – was die weit überwiegende Mehrheit dieser Generation betrifft – keineswegs darauf basierte, sondern schlicht auf Unkenntnis oder auf vielleicht naiver Gutgläubigkeit an die „Lenkungskompetenzen“ einer Regierung?

Die Boomer erfanden auch keineswegs den Sozialismus. Der reicht viel weiter zurück, da kann man getrost bis in die Revolutionsära in Frankreich zurückgehen. Dort entstanden übrigens auch die ersten „Kommunen“ sowie der Begriff „Kommunismus“. Die „68er“ waren diesbezüglich nur eine Art „historisches Echo“. Oder, vielleicht besser, eine Fortführung dieser viel älteren ideengeschichtlichen Wurzeln mit langhaarigen und kiffenden Mitteln. Eine klare Zäsur läßt sich da gar nicht ziehen dergestalt, als wäre alles auf dem Mist einer einzigen Generation gewachsen.

Gorus schreibt ferner, die zwischen „1946 und 1964 geborenen Babyboomer fingen an, den ganzen Wohlstand und die ererbten Strukturen erst langsam und dann immer schneller zu zerstören, während sie selbst es sich gut gehen ließen. Als Nächstes behaupten sie störrisch, dass sie doch so viele Beitragsjahre in die Sozialsysteme eingezahlt und dass sie deshalb auch das Recht hätten, die Kassen zu leeren und es sich gut gehen zu lassen. In einem Umlagesystem bedeutet das: Sie beanspruchen das Recht, auf Kosten ihrer Kinder und Enkel zu leben – eine ganz und gar egozentrische und keinesfalls fürsorgliche Haltung, die sich die Jungen nicht gefallen lassen werden.“

Was voraussetzt, dass sie die Funktionsweise des Kredit-, sprich Geld-, Gesundheits- oder Rentensystems und so weiter überhaupt genau verstanden hätten – ganz sicher? Abermals setzt Gorus einen absichtlichen Zerstörungswillen voraus. Aus seiner Formulierung geht klar hervor, dass er sich dabei eben nicht nur auf eine politische Kaste bezieht. Meine Erfahrung – und ich wage zu behaupten, nicht nur meine – sagt mir klar und überdeutlich, dass ein tiefgreifendes Verständnis der Funktionsweise dieser Systeme, aus der eine Intention abgeleitet werden könnte dergestalt, sie hätten es bewusst ausgenutzt oder wissentlich „schleifen lassen“, gar nicht angenommen werden kann.

Noch ein letztes Beispiel: „Und der Mastermind der Energiewende, Trittin, ist auch Jahrgang 1954.“

Wenn Jürgen Trittin der „Mastermind“ der Energiewende war, bin ich ein Trüffelschwein mit WLAN und integrierter Wärmepumpe. Ich frage mich, wie viel unermüdliche Arbeit zu den Hintergründen dieser Politik eigentlich noch achtlos übersehen oder ignoriert wird, bis sich die simple Tatsache herumspricht, dass die sogenannte Energiewende aka Degrowth- beziehungsweise Deindustrialisierungsagenda bereits zu einem Zeitpunkt entworfen wurde, als die Grünen noch nicht mal gegründet waren. Das war im Jahre 1980; die Grundzüge der Politik, die sich gerne in Euphemismen wie „Energiewende“ et al. kleidet, reichen bis in die 1960er, einige davon sogar in die 1950er Jahre zurück – zu Denkfabriken mit stark misanthropischem, neomalthusianischem und „kreativ-destruktivem“, zuweilen sogar kaum verhohlenem totalitären Einschlag: Man müsse die „Verbraucher“ eben zu ihrem „Glück“ zwingen, weil sie dazu selber nicht in der Lage seien, die kleinen Dummerchen.

Das alles geht nicht einfach aufs Konto der Boomergeneration. Olaf Scholz oder Friedrich Merz? Pah. Politische Durchlauferhitzer. Ich erkenne keinen Sinn darin, der jungen Generation zu sagen, ihre Vorgänger hätten sie „verraten und verkauft“, denn damit lenkt man sie nur davon ab, dass es vor allem ganz bestimmte ideengeschichtliche Strömungen sind, die in diese Politik mündeten und ihre Grundlage bilden – diese müssen näher untersucht und ihre Hauptprobleme analysiert werden, nicht Menschen, die um sie erfahrungsgemäß oftmals gar nicht wissen.

Bis nächste Woche.


Sie schätzen diesen Artikel? Die Freiheitsfunken sollen auch in Zukunft frei zugänglich erscheinen und immer heller und breiter sprühen. Die Sichtbarkeit ohne Bezahlschranken ist uns wichtig. Deshalb sind wir auf Ihre Hilfe angewiesen. Freiheit gibt es nicht geschenkt. Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit.

PayPal Überweisung Bitcoin und Monero


Kennen Sie schon unseren Newsletter? Hier geht es zur Anmeldung.

Artikel bewerten

Artikel teilen

Kommentare

Die Kommentarfunktion (lesen und schreiben) steht exklusiv nur registrierten Benutzern zur Verfügung.

Wenn Sie bereits ein Benutzerkonto haben, melden Sie sich bitte an. Wenn Sie noch kein Benutzerkonto haben, können Sie sich mit dem Registrierungsformular ein kostenloses Konto erstellen.