Karol Nawrockis Wahlversprechen gegenüber Sławomir Mentzen: Noch ein libertärer Blick auf Polens Präsidentschaftswahl
Über den Acht-Punkte-Plan
von Lydia Flaß drucken

Die polnische Präsidentschaftswahl 2025 war ein politischer Showdown, der das Land in zwei Lager spaltete: die proeuropäischen Kräfte um Rafał Trzaskowski und die nationalkonservativen Anhänger von Karol Nawrocki. Doch im Schatten dieses Duells spielte Sławomir Mentzen, der charismatische und polarisierende Anführer der libertären Partei Konfederacja, eine entscheidende Rolle. Seine Wähler, jung und unzufrieden, wurden zum Zünglein an der Waage. Nawrocki, unterstützt von der rechtsnationalen PiS, erkannte die Macht dieser Protestwähler und ging ein riskantes Bündnis ein, indem er Mentzens „Acht-Punkte-Plan“ unterzeichnete. Was genau versprach Nawrocki?
Hier ist die deutsche Übersetzung des Acht-Punkte-Plans im Wortlaut, so nah wie möglich an den Originalformulierungen:
Erstens: Verbot von Steuererhöhungen
Mentzen forderte ein striktes Verbot jeglicher Steuererhöhungen, um die wirtschaftliche Freiheit der Bürger zu schützen und die Steuerlast zu minimieren.
Zweitens: Ablehnung der Euro-Einführung
Der Plan sieht vor, die polnische Währung, den Złoty, beizubehalten und eine Euro-Einführung entschieden abzulehnen, um nationale monetäre Souveränität zu wahren.
Drittens: Veto gegen neue EU-Kompetenzen
Wörtlich: „Ich werde nicht zustimmen, irgendwelche Kompetenzen der polnischen Regierung an EU-Institutionen abzugeben.“ Dies zielt auf die Begrenzung der EU-Übertragung von Entscheidungsbefugnissen ab, um die nationale Souveränität zu schützen.
Viertens: Veto gegen die Mitgliedschaft der Ukraine in der Nato
Mentzen forderte hier ein klares Nein, was seine skeptische Haltung gegenüber internationalen Verpflichtungen widerspiegelt.
Fünftens: Einführung niedriger und einfacher Steuern
Der Plan umfasst die Vereinfachung des Steuersystems und eine deutliche Senkung der Steuersätze, um wirtschaftliche Freiheit und Unternehmertum zu fördern.
Sechstens: Schutz der polnischen Landwirtschaft
Mentzen forderte ein klares Nein zum Mercosur-Handelsabkommen, da es die Interessen polnischer Landwirte gefährden könnte.
Siebtens: Nein zum Grünen Deal
Der Plan sieht die Ablehnung des Grünen Deals der EU vor, der als überregulierend und wirtschaftsschädlich angesehen wird.
Achtens: Förderung individueller Freiheiten
Mentzen betonte die Stärkung individueller Freiheiten, insbesondere durch liberalisierte Waffengesetze als Ausdruck libertärer Prinzipien.
Besonders die Punkte sieben und acht wurden im Gespräch mit Nawrocki intensiv diskutiert, wobei Nawrocki vorschlug, den Grünen Deal und das Mercosur-Abkommen explizit in den Plan aufzunehmen. Dem stimmte Mentzen zu.
Mentzen ist ein libertärer „Überzeugungstäter“. Und ein Stratege. Nach seinem Ausscheiden aus dem Rennen um die Präsidentschaft nutzte er seine Youtube-Plattform, um die beiden verbliebenen Kandidaten – Nawrocki und Trzaskowski – vorzuführen. Sein „Acht-Punkte-Plan“ wurde zur Bühne, auf der Nawrocki seine Loyalität beweisen musste.
Nawrockis Zugeständnisse: Freiheit oder Fassade?
In einer viel beachteten Diskussion auf Mentzens Youtube-Kanal am 20. Mai 2025 unterzeichnete Nawrocki vorbehaltlos Mentzens Forderungen. Aus libertärer Sicht klingen diese Versprechen verlockend. Doch ein genauerer Blick enthüllt Widersprüche. Nawrocki, ein Parteiloser mit starker PiS-Unterstützung, steht für ein konservatives, katholisch geprägtes Polen. Seine Vision von „Normalität“ – ein traditionelles Familienbild und weniger Migration – kollidiert mit der libertären Ablehnung staatlicher Bevormundung in persönlichen Lebensentwürfen. Während Mentzens Anhänger die Freiheit feiern, keine Steuern zu zahlen und Waffen zu tragen, könnte Nawrockis Fokus auf nationale Souveränität und katholische Werte neue Zwänge schaffen, etwa in Form restriktiver Sozialpolitik.
Der libertäre Blick: Chance oder Kompromiss?
Für Libertäre ist Nawrockis Unterzeichnung des Acht-Punkte-Plans ein taktischer Sieg. Doch hier liegt die Krux. Die PiS, Nawrockis wichtigster Unterstützer, ist alles andere als libertär. Ihre Politik der letzten Jahre war geprägt von staatlicher Kontrolle, etwa über Medien und Gerichte, und großzügigen Sozialprogrammen, die durch EU-Gelder finanziert wurden. Nawrockis Bekenntnis zu Mentzens Punkten könnte daher als opportunistischer Move gesehen werden, um Stimmen zu sichern, während seine tatsächliche Politik eher den PiS-Linien folgen dürfte. Für Libertäre stellt sich die Frage: Ist Nawrocki ein Trojanisches Pferd, das ihre Ideale in den Präsidentenpalast trägt, oder ein Konservativer, der ihre Stimmen missbraucht, um die PiS-Agenda fortzusetzen?
Die Konsequenzen: Freiheit in Gefahr?
Nawrockis Wahlsieg mit 50,89 Prozent gegen Trzaskowskis 49,11 Prozent zeigt, wie entscheidend Mentzens Wähler waren. Doch die libertäre Euphorie könnte schnell verfliegen. Die Zukunft wird zeigen, ob Nawrocki Mentzens Ideale verwirklicht oder ob die Libertären Polens erneut von einem Machtpolitiker getäuscht wurden. Eines ist sicher: In einem gespaltenen Polen bleibt die Freiheit ein Kampf, der weit über die Wahlurnen hinausgeht.
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