Personalprüfung zu Thomas Wangenheim: Der Außerzeitliche
„Goetheaner, geistig und körperlich auf Reisen“
von David Andres
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So beschreibt er sich selbst, dieser außergewöhnliche Mann namens Thomas Wangenheim: „Goetheaner, geistig wie körperlich auf Reisen“. Ein junger Mensch von heute, der über Wangenheims Instagram-Profil stolpert, wird sich sofort irritiert erschrecken. Wie der Mann da steht, neben einem uralten Motorrad, in die Abenddämmerung schauend. Oder beim Wandern in einer alten militärischen Jacke. Wie er ernst in die Kamera schaut mit Jackett, weißem Hemdkragen, roter Krawatte und Hut. Wangenheim lebt wie in den Zwanzigern, den Dreißigern, er singt Wanderlieder und trägt unter freiem Himmel einen Viertaschenrock. Der sprachliche Ausdruck in den Videos seines Youtube-Kanals ist mit „elaboriert“ noch untertrieben beschrieben, seine Stimmfarbe und Intonation regen an und beruhigen zugleich. Alles begann mit Lesungen von und über Oswald Spengler, dessen „Der Untergang des Abendlandes“ dieser Wangenheim eine eigene Geschichtsphilosophie entgegengesetzt hat – „Kultur und Ingenium“. Ein dickes, kluges Buch, das darlegt, wie sich im Fortgang der Menschheit immer wieder Phasen des inspirierten, verschnörkelten Genies mit Phasen eines schlichten Funktionalismus abwechseln. Wangenheim hat es selber verlegt und extra dafür einen Verlag gegründet. Qualitativ hat es Suhrkamp-Niveau, er könnte neben Peter Sloterdijk sitzen und ein neues „Philosophisches Quartett“ eröffnen, doch welcher Sender würde es sich trauen? Googelt man Thomas Wangenheim, vervollständigt die amerikanische Suchmaschine der reinen und alternativlosen Demokratie seinen Namen automatisch als zweiten Vorschlag zu „Thomas Wangenheim AfD“, obschon sich zu dieser Verbindung nichts finden lässt. Wahrscheinlich kann sich nicht einmal ein Algorithmus vorstellen, dass ein aristokratisch-kultiviertes Dasein in Anzügen und Wanderröcken möglich ist, ohne Mitglied oder Anhängsel der blauen Partei zu sein.
In seiner Reihe „Zurück zum Anzug“ beschreibt Wangenheim, wie der junge Mann von heute sich Teil für Teil endlich wieder seines barbarischen Daseins entledigen und zur „Kulturgarderobe“ zurückkehren könnte. In „Das Bauhaus. Extremistische Moderne“ beschreibt er die „moderne“ Architektur jener Schule als sozialistischen Terror und zieht eine ebenso provokante wie schlüssige Parallele zu den Raumschiffen des „Borg-Kollektivs“ in „Star Trek“. Er entkräftet so gelassen wie niemand anderer das Narrativ vom menschengemachten Klimawandel. Sein Video über „Korrelation und Kausalität“ kann man sich auf jedes Thema bezogen fünfmal anschauen und zieht daraus noch immer geistige Nahrung. Dies alles geschieht in einem Szenebild aus altem Sekretär und antiken Büchern und stets mit einem Intro, in dem Wangenheim sich ein geistiges Getränk einschenkt, prüfend noch einen Tropfen nachkippend, bevor es losgeht.
In seinem jüngsten Video, dessen Bezeichnung als „Teil 1“ einen zweiten erhoffen lässt, zeichnet Wangenheim nach, wie der „Gentleman“ aus der Gesellschaft verschwunden ist und dass es dessen hervorstechendstes Merkmal sei, seinen Standpunkt gerade gegen den Zeitgeist zu behaupten. Junge Männer, die verstehen, was diese Form von Rückgrat bedeutet, gebe es durchaus noch und das Bedürfnis, in diesem Sinne ein Aufrechter zu sein, sei weiter vorhanden. Daher habe heute der „Ehrenmann“ den „Gentleman“ ersetzt, vor allem in Milieus, die – ob migrantisch oder autochthon – mit Anzügen und Vorspannmusik von Bruckner nichts zu tun haben. Eher mit weiten Jeans, dunklen Jacken und Gangster Rap. Aber im Vergleich zu den Klebemännchen, die Werke des „Ingeniums“ zerstören, scheinen Wangenheim selbst diese Gesellen lieber zu sein.
Was für ein interessanter Mann in diesem Neuland Internet. Was für eine Entdeckung, die Sie alle machen können … aber nehmen Sie sich Zeit, denn von Wangenheim schaut man mehr als nur ein Video, wenn man einmal angefangen hat.
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