22. November 2022 07:00

Guter Einkauf: Das Panini-Album Geheimkneipe und Klebebilder

Freude an der WM gegen den Empörungspopanz

von David Andres

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Die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar ist da … und mit ihr der Gratismut. Gastwirte lassen ihre Fernseher ausgeschaltet, Prominente verkünden in den sozialen Medien ihr Wegschauen, die Leinwände für das Public Viewing bleiben in ihren Hard Cases verschlossen. Menschen wenden sich ab, die Lippen geschürzt, den Kopf nach hinten geworfen. „Nein, wir schauen dieses Mal nicht.“

Selbstverständlich schauen sie doch, heimlich, zumindest jene, denen der Fußball etwas bedeutet. Die Gastwirte schalten daheim den Fernseher an oder lassen verstohlen unter der Theke den Stream auf dem Smartphone laufen. Die Veranstaltungstechniker und Sicherheitsleute, die beim Public Viewing gebunden gewesen wären, freuen sich darüber, sich endlich mal privat zum richtigen Hinschauen treffen zu können und nicht den Sack Flöhe hüten zu müssen, den die Party-Gesellschaft zwischen den Heizpilzen dargestellt hätte. Wobei Heizpilze, stets gasbetrieben, in diesem Winter sicherlich ohnehin verboten gewesen wären.

Spätestens jetzt – zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Kolumne sind bereits die ersten Partien gelaufen und der Gastgeber hat sich, so mein Tipp, die erste Niederlage gegen Ecuador eingefangen – hat jeder seine Eckkneipe, sein Vereinsheim oder sein Clubhaus gefunden, das den Verweigerungspopanz nicht mitmacht. Diese Etablissements sind, als erster Teil des guten Einkaufs, allein dafür zu unterstützen, gerade dann, wenn sie wiederum aus der Nicht-Verweigerung ebenfalls keinen Popanz machen.

Die Korruption in der FIFA, die Illiberalität eines Staates unter der Scharia, die faktische Leibeigenschaft der Wanderarbeiter – all das sind ja nicht die Gründe, wegen denen es Spaß macht, sich zum Entsetzen der Mitmenschen offen zur WM in Katar zu bekennen. Es ist der erneute selbstgerechte Moralismus, der sich in Deutschland auf wirklich alle Themen legt, im Falle der WM gerne ausgelebt von Menschen, die sich ohnehin kaum für Fußball interessieren und denen der Verzicht nichts abverlangt.

Der zweite Teil des guten Einkaufs dieser Woche ist das klassische Panini-Album mit den Klebebildern, das selbstverständlich auch für die WM im Reich des Bösen existiert. Ein sicherer Bestseller zu jeder Weltmeisterschaft … und ein Sammelobjekt, an dem sich übrigens die Diskrepanz zwischen dem Popanz und der Realität festmachen lässt. So verkündete mein Stamm-Tankwart angesichts meiner Frage, ob die Bilder dieses Jahr schlechter laufen, wo doch „alle die WM verweigern“, dass die Tütchen im Gegenteil weiterhin guten Absatz finden, bei großen wie kleinen Kindern. Kürzlich habe sogar ein älterer Herr einen großen Stapel als Geschenk für seinen 30-jährigen Sohn gekauft.

Ich persönlich habe großes Vergnügen daran, meine frischen Bilder nicht daheim, sondern in der Öffentlichkeit einzukleben … gerne in Cafés oder Bistros, in denen das Zielpublikum dann entsetzt schaut, sobald sie sehen, welches Album ich dort bestücke. „Ist es nicht toll, dass ein Fußballzwerg wie Katar mal bei einer WM antreten darf?“, frage ich dann. Sollte immer noch verbaler wie blicktechnischer Widerspruch auftreten, zitiere ich einfach den katarischen Außenminister Mohammed bin Abdulrahman Al Thani (Aussprache des Namens zuvor flüssig auswendig gelernt) und frage, ob das ganze Bashing dieses Landes nicht doch ein wenig „rassistisch“ sei.

So oder so wünsche ich viel Freude bei der persönlichen Ausgestaltung dieser WM!

Panini FIFA World Cup Katar 2022

„Tagesspiegel“: „Sehr arrogant und sehr rassistisch“: Katars Außenminister weist vor der WM Kritik aus Deutschland zurück


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