29. November 2022 07:00

Personalprüfung zu Thies Gundlach Der ehemalige evangelische Cheftheologe

Ein garantiert politikferner Transformator

von David Andres

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Wäre die Politik ein Mensch in einer Beziehung, würden Psychologen und Profiler diesem regelmäßig emotionalen Missbrauch des Partners vorwerfen, ebenso schwarze Rhetorik und womöglich eine latente schizoide Störung – aufgrund von Manipulation und Lügen, von ausgesprochenen und gebrochenen Versprechen, von unberechenbaren Launen, die sich als vernunftgeleitete Anpassung der Haltung an alternativlose äußere Gegebenheiten verkaufen. Aber auch, weil sie es schafft, gleichzeitig sich widersprechende Dinge zu tun und dabei so unschuldig aus der Wäsche zu gucken, als sei nicht sie verwirrt und irrational, sondern der Partner, der dies zur Sprache bringt.

So unterstützt die Bundesregierung auf der einen Seite die Organisation Frontex, welche die illegale Migration über das Mittelmeer eindämmen soll … und seit Neuestem aber auch gleichzeitig die Initiative United4Rescue, die unter dem Hashtag #wirschickeneinschiff die private zivile Seenotrettung im Mittelmeer fördert. Zwei Millionen pro Jahr fließen künftig direkt aus dem Bundeshaushalt in den Verein, der auf einem evangelischen Kirchentag aus der Taufe gehoben wurde und von Diakonie und Caritas getragen wird. Sein Slogan auf der Website lautet: „Man lässt keine Menschen ertrinken. Punkt.“ Ein weiterer Satz simuliert Distanz und sogar Kritik an der herrschenden Elite: „Durch Spendenaktionen unterstützen wir Rettungsorganisationen, die dort humanitär handeln, wo die Politik versagt.“ Die Politik, sie versagt, sie ist unmenschlich, sie lässt ertrinken … Wahnsinn, dass der Verein es also nun geschafft hat, ebendieser Politik nun wenigstens ein paar Millionen für die kommenden Jahre abzuknöpfen.

Der Verein selber ist glaubhaft politikfern, eine Graswurzelorganisation idealistischer, nahezu mittelloser Menschen, wie man sie früher in linken Zentren angetroffen hat, wo man noch das letzte Gramm Demeter-Brotaufstrich aus dem Glas kratzt. Nehmen wir das bedeutsame Vorstandsmitglied Dr. Thies Gundlach als Beispiel, privat ein Segler und als gebürtiger Lübecker dem Wasser verbunden. Sein Theologiestudium in Hamburg und Tübingen führte zu einer grundsoliden Betätigung als Pastor in Hamburg-Harvestehude, wo er mit seiner ersten Gattin eine Kirche leitete. Ab 2001 führte er wiederum als Oberkirchenrat die Abteilung Kirchliche Handlungsfelder im Kirchenamt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und wurde 2010 einer von drei Vizepräsidenten jenes Amtes. Er führte Reformprozesse innerhalb der im Vergleich zur Katholischen Kirche ohnehin schon sehr reformfreudigen und dem Zeitgeist anschmiegsamen Evangelischen Kirche an und erarbeitete sich den inoffiziellen Titel des evangelischen „Cheftheologen“. In den frühen Nullerjahren schrieb er ein paar griffige, populäre Sachbücher zum Glauben im Alltag. Seine Frau verstarb im Jahre 2017, und mittlerweile ist Gundlach, der mit seinem Verein dafür sorgt, die Versäumnisse der Politik im Mittelmeer auszugleichen, mit einer gewissen Katrin Göring-Eckardt liiert, einigen bekannt aus dem Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages und, vage klingelt dort etwas, ebenfalls politisch engagiert.

Kürzlich ging Gundlach in den Ruhestand und gab in einem Interview mit Franziska Hein vom Evangelischen Pressedienst noch zum Besten, was ihm in den vergangenen Jahren wichtig war und gefallen hat. „Wir müssen zurückbauen“, sagt er, als hätte er mit Joe Biden ein Bierchen getrunken und den „Build Back Better“-Slogan aus der großen Politik für die Kirche ausgeborgt. „Wir sind in einer Transformation“, führt er das Schlagwort-Bingo weiter, „in einem Übergang zu einer neuen Form von Kirche.“ Wie die aussehen soll? Gerne virtueller, abstrakter, denn „Corona hat uns die Chance gegeben, die digitalen Feierformen wirklich zu professionalisieren. Dadurch, dass keine Gottesdienstgemeinde vor Ort war, ist der Zuschauer ins Zentrum gerückt. Corona war bei allem Kummer auch der erste Schritt einer Transformation, die gut ist.“

Und da das Gespräch im Oktober 2021 stattfand, als die hohe Weihe der gesegneten Gabe aus dem Hause Pfizer noch aktueller war, machte er klar: „Die Kirche sollte nicht zum Hort von Impfskeptikern werden, weil wir denken, dass ein Gottesdienst in jedem Fall zugänglich sein sollte. Diejenigen, die sich aus wenig überzeugenden Gründen nicht impfen lassen wollen, schließen sich selbst aus. Es ist nicht die Kirche, die jemanden ausschließt.“

Ob er auch 2022 mit United4Rescue dafür sorgt, dass die frisch Geretteten zügig in eine Impfpraxis gebracht werden, ist nicht überliefert.

United4Rescue

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