20. Juni 2023 20:00

Herrschaft. Eine uralte Idee zeigt ihre Krallen Juristische Kriegsführung – „Lawfare“

Von Trump bis Bhakdi

von Andreas Tiedtke (Pausiert)

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Bildquelle: Shutterstock Automatischer Teil von Zwangsherrschaft: Lawfare

In den USA bekannter als hier ist der Begriff des sogenannten „Lawfare“, abgeleitet von „Warfare“, also zu Deutsch etwa „Juristische Kriegsführung“. In den USA wird dieser Begriff verwendet, um zu beschreiben, dass unter Einsatz des staatlichen Rechtssystems wirtschaftlichen Konkurrenten oder politischen Gegnern schwerer Schaden zugefügt werden soll, von wirtschaftlichem Schaden über Rufschädigung bis hin zur Haft. Populär wurde jüngst ein Tweet des ehemaligen US-Nachrichtensprechers und Kommentators Tucker Carlson vom 14. Juni 2023, der den Prozess gegen Donald Trump wegen verspäteter Rückgabe geheimer Akten kommentierte. Deutsche Konzerne mussten in den USA laut Berichten bis heute etliche Milliarden Dollar an Geldstrafen oder Entschädigungen zahlen. Viele erinnern sich auch an WikiLeaks-Gründer Julian Assange, der seit Jahren in einem Londoner Gefängnis eingesperrt ist und sich davor jahrelang in der ecuadorianischen Botschaft in London vor einer Verhaftung zu retten versuchte.

Juristische Maßnahmen in Deutschland gegen Maßnahmen-Kritiker

In Deutschland gibt es zwar vergleichsweise nicht die „hochgerüsteten“ Großkanzleien wie in Manhattan, aber die Juristische Kriegsführung ist nach Ansicht mancher Publizisten und Kommentatoren auch nach Deutschland übergeschwappt. Der Arzt und Professor, Doktor Sucharit Bhakdi, wurde wegen Volksverhetzung angeklagt, dann freigesprochen, und mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel gegen den Freispruch eingelegt. Beim Berliner Arzt Doktor Paul Brandenburg, einem prominenten Kritiker der Zwangsmaßnahmen, die mit Corona begründet wurden, führten Spezialeinheiten der Polizei eine Razzia durch. Andere Publizisten oder Kommentatoren berichten von Hausdurchsuchungen etwa bei kritischen Richtern, Ärzten oder Veranstaltern von Protesten, von Verurteilungen, Untersuchungshaft und so weiter. Selbstverständlich wird – wie im Falle Donald Trumps – ein nicht-politischer Straftatbestand angeführt, wie etwa Rechtsbeugung, Volksverhetzung, Urkundenfälschung, Steuerhinterziehung, versuchter Betrug oder dergleichen, aber auffällig ist, dass sich all diese Personen gegen ein offizielles Narrativ gestellt haben, das nach Auffassung des belgischen Psychologen Mattias Desmet bereits das Stadium einer Art „Massenwahn“ im Denken und Fühlen einer fanatisierten Öffentlichkeit erreicht hatte; Desmet nennt es „Massenbildung“.

Das Grundproblem: Herrschaft

In meiner letzten Kolumne beschrieb ich die nach Einschätzung vieler zum selbständigen Denken Neigenden mehr und mehr aufkommende Zensur, wenn auch in neuem Gewand als „Fakten-Checking“, „Cancel culture“, „Shadow banning“, „Kontakt-Schuld“ und dergleichen. Scheint nunmehr auch die Juristische Kriegsführung auf dem Vormarsch zu sein? Ob man es nun „Todestrieb in der Geschichte“ nennt, wie Igor Schafarewitsch (1923–2017), „Neurose“ unserer Zeit wie Ludwig von Mises (1881–1973), „gefährlich“ und „so unvorstellbar kindisch, dass es einem graut“ wie Carl Gustav Jung (1875–1961), „eingepflanzte Vorurteile“ und geistigen „Gängelwagen“ wie Immanuel Kant (1724–1804) oder „Massenbildung“ wie jüngst Mattias Desmet: Es scheint ein Grundproblem zu geben, und dieses Grundproblem ist nach meiner Ansicht: Herrschaft. Franz Oppenheimer (1864–1943), der Doktorvater Ludwig Erhards, beschrieb dies bereits in seinem Buch „Der Staat“ (1909): Das Bewirtschaften des Menschen mit dem politischen Mittel Zwang. Richard Wagner (1813–1883) zeigte in seinem „Ring des Nibelungen“, wohin die Gier nach Macht über andere Menschen führt, und bemerkte enttäuscht: „Ich und mein Werk haben keinen Boden in dieser Zeit.“ J. R. R. Tolkien (1892–1973), Autor des „Herren der Ringe“, meinte, „die unpassendste Beschäftigung für jedweden Menschen, selbst für Heilige (die wenigstens eine solche Beschäftigung am aller­meisten ablehnen müssten), ist es, andere Leute herumzukommandieren“.

Praxeologisch ist erzwungene Herrschaft stets eine feindliche Handlung: Es werden Zwang und Täuschung friedlichen Menschen gegenüber als Mittel eingesetzt, um diese zu einer Handlung oder Unterlassung zu bewegen. Zwang kann nur dann in friedlicher Art und Weise zur Verteidigung von Leib, Leben und Besitz eingesetzt werden, wenn er gegen einen Angreifer oder Schädiger gerichtet ist. Das ist a priori so, also von vornherein, und muss nicht empirisch getestet werden.

Behaupteten die Sozialisten des 19. und 20. Jahrhunderts noch wahrheitswidrig, die Besitzer der Produktionsmittel schädigten die Arbeiterklasse, so gibt es heute Narrative wie Veränderungen des Erdklimas, Krankheitswellen, Kriege, Gleichheit und so weiter, mit denen Zwangsmaßnahmen und damit das Ausüben von Macht und Herrschaft über andere quasi „wissenschaftlich“ begründet werden sollen – was handlungslogisch unmöglich ist.

Freiwillige oder erzwungene Kooperation

Die Menschen scheinen sich nicht ruhig zurücklehnen zu können, um darüber nachzudenken, wie sie in freundlicher Art und Weise zusammenleben können (freiwillige Kooperation) oder zumindest friedlich (dem anderen nicht schaden) anstatt feindlich (Drohung, Täuschung oder Zwang und Gewalt gegen friedliche Menschen). Sie schaffen das, wenn sie die nicht-menschliche Ökologie betrachten und identifizieren beispielsweise Symbiose (Win-win-Beziehungen) oder Prädatoren oder Parasiten (Win-lose-Situationen). Aber innerhalb der menschlichen Gesellschaft hat sich Herrschaft (Win-lose-Beziehungen) und die mit ihr einhergehende Propaganda über Jahrtausende etabliert und die Masse der Bevölkerung sieht diese Herrschaftsstrukturen nicht, obwohl sie leicht identifizierbar sind. Sie wollen sie nicht sehen. Ihre – oft unbewussten – Haltungen zu Schuld und Scham, Ungenügen oder Angst vor Trennung hindern sie daran und lassen sie feindselige Handlungen gegen sich selbst und ihre Mitmenschen emotionieren. Sie nutzen herrschaftsbegründende Narrative, um diese feindlichen Handlungen vor sich selbst und ihren Opfern gegenüber zu „rechtfertigen“.

Aufklärung

Wir können nur wenig dagegen tun, außer versuchen, wieder und wieder über die Logik des Handelns aufzuklären und den Menschen dabei zu helfen, sich von ihren ungünstigen, feindseligen Haltungen zu sich selbst und der Welt zu befreien. Wir können ihnen zeigen, welche Haltungen mit der Lebenswirklichkeit des Handelns übereinstimmen. Und wir können aufzeigen, wie sie ihre feindseligen Haltungen ablegen können und friedliche und sogar freundliche Haltungen erwerben können.

Stolpersteine auf diesem Weg zur Aufklärung könnten sowohl Zensur als auch Juristische Kriegsführung werden, denn wie zu sehen ist, sind die Beharrungsinteressen gewaltig. Solange Menschen „noch in der Matrix“ sind, also ihr Denken und Fühlen von ihren unbewussten, feindseligen Haltungen bestimmt werden, reagieren sie aggressiv auf alles, was im Widerspruch zu ihren Einstellungen und Überzeugungen steht.

Quellen:

Tweet (Video) Tucker Carlson vom 14.06.2023 (Twitter)

300 Mio. Dollar wegen „krimineller Verschwörung“ (Auto, Motor, Sport)

Deutsche Bank kommt mit blauem Auge davon (Deutschlandfunk)

„Vier Jahre des täglichen Kampfes“ (tagesschau)

Tweet Stefan Homburg vom 26.05.2023 (Twitter)

SEK stürmt Wohnung von bekanntem Corona-Skeptiker nach anonymem Hinweis (Welt)

Die Psychologie des Totalitarismus (Mattias Desmet)

„Ich bin die Revolution“ – Im Ring des Nibelungen lässt es Richard Wagner Machtpolitikern und Geldmonopolisten dämmern (Andreas Tiedtke, Misesde.org)

Kiely, W. (2012). The Letters of J.R.R. Tolkien – From a letter to Christopher Tolkien (from his father J.R.R. Tolkien), 29. November 1943, zitiert in: „Der Kompass zum lebendigen Leben“ (Andreas Tiedtke), S. 41.

Immer dieselben! Die radikalisierte „Mitte“? (Andreas Tiedtke, Freiheitsfunken)


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