Islamismus: Wokistan – Teheran – Vatikan
Drei Welten vereint im etatistischen Ungeist?
von Thomas Jahn
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Den mehrheitlich immer noch politisch naiven Westeuropäern wurde in den letzten Wochen seit Beginn des Hamas-Überfalls auf Israel wieder einmal die Macht des politisch gesteuerten Islams schmerzhaft vor Augen geführt: Berlin, London und Paris erlebten pro-palästinensische Großdemonstrationen mit offen zur Schau getragenen antisemitischen Ausfällen und islamistischem Fanatismus, der sich auch medial nicht mehr verstecken ließ. Seitdem stehen die deutschen Funktionseliten, angeführt von den „Ampelparteien“, den Resten der SED-Erben und dem linken Rand der Union vor den Trümmern ihrer Migrationspolitik. Dieselben Ausländer, die Merkel, Schulz, Göring-Eckardt oder Ramelow noch vor acht Jahren mit Jubelreden, Blumen und Inshallah-Rufen freudig empfingen, sind nun als israelfeindliche Antisemiten in Deutschland plötzlich unerwünscht. Werden die Politeliten des Westens und die sie unterstützenden Hauptstrommedien ihre Irrtümer jetzt einsehen? Ist ihr buntes, klimagerechtes Wokistan, mit seinem queeren und multikulturellen Bullerbü endgültig abgebrannt?
Die Antwort lautet leider Nein. Denn Wokistan und Teheran stehen in einer engen Beziehung zueinander, wenn auch nicht immer gewollt. Die iranische Hauptstadt – Islamgelehrte mögen dies verzeihen – steht dabei stellvertretend für das Phänomen des Islamismus, das der große deutsche Historiker Ernst Nolte in einem seiner letzten Werke als dritte radikale Widerstandsbewegung gegen die Moderne bezeichnete. Mit dem Kunstwort Wokistan sollen gleichartige Phänomene der westlichen Gesellschaften erfasst werden, die in den (längst vergangenen) Zeiten der Meinungsfreiheit noch als „Dekadenz“ oder „Sittenverfall“ kritisiert werden durften. Anders als viele libertäre oder konservative-liberale Kommentatoren meinen, besteht Wokistan nicht erst, seit das Gender-Narrativ und der Regenbogenkult zu offiziellen Staatsdoktrinen der Bundesrepublik aufgestiegen sind, sondern als aus politisch-ideologischen Gründen gewollter Prozess, den Roland Baader in seinem Buch „totgedacht – Warum Intellektuelle unsere Welt zerstören“ 2002 mit dem Bild einer Waage zutreffend beschrieb. Für Baader lag in der einen Waagschale die natürliche Autorität tradierter menschlicher Gemeinschaften und die damit verbundenen, über Jahrhunderte gewachsenen Moralvorstellungen, während die andere Waagschale den politisch motivierten staatlichen Herrschaftsanspruch symbolisieren sollte. Die Wechselwirkung zwischen gewachsenen Konventionen und staatlicher Autorität entspricht den beiden Schalen einer Waage, wie Roland Baader sie veranschaulichte: „So wie sich nun die eine Schale neigt, so steigt die andere empor. Und so wie die Schale der privaten Autorität niedersinkt, so erhebt sich das Gefäß des staatlichen Zugriffs auf das Leben der Menschen zu immer neuen Höhen. Wo private Autorität schwindet, stößt staatlicher Herrschaftsanspruch in das entstehende Vakuum vor.“
Der fortwährende Kampf gegen gewachsene, informelle Normen, Konventionen und Moralvorstellungen ist kein Zufall. Menschen verabreden sich nicht aus eigenem Antrieb zum kollektiven Sittenverfall. Wer eine Gesellschaft beherrschen und die in ihr täglich millionenfach getroffenen Entscheidungen zentral lenken will, muss die „Macht“ natürlicher Autoritäten brechen. Diese Erkenntnis ist nicht neu, sondern wurde in dieser Klarheit wohl spätestens vor 100 Jahren von den damaligen Vertretern des Kulturmarxismus geprägt und verbreitet (siehe zu den Einzelheiten meinen unten noch mal verlinkten Freiheitsfunken-Beitrag). Im Westen galt das Christentum mit seiner individualistischen Ethik und der Zwei-Reiche-Lehre sowie der daraus abzuleitenden strikten Trennung zwischen weltlicher und göttlicher Macht als Hauptfeind der Etatisten. Fast 100 Jahre nach Gründung der kulturmarxistischen Frankfurter Schule wurden inzwischen nahezu alle christlichen Moralvorstellungen abgeräumt: Von A bis Abtreibung bis Z wie Zerrüttungsprinzip in der Ehescheidung. Dazwischen durchlebten alle westlichen Gesellschaften immer wieder neue Degenerationsprozesse: egal, ob Hippiekult, die Allgegenwart von Drogen, Pornographie oder neuerdings die Konstruktion eines sozialen Geschlechts.
Diese Entwicklung führte nicht nur zu dem von Roland Baader beschriebenen Prozess, in dem der Staat immer mehr private Lebensbereiche okkupierte. Auch der Islamismus profitierte und stieg, um Baaders Bild der Waage zu bemühen, in dem Maße auf, wie tradierte christliche Moralvorstellungen vor allem in Europa und den USA niedersanken. Diese Wechselwirkung, die vielleicht auf Anhieb absurd klingen mag, verdient es, genauer analysiert zu werden.
Noch am Vorabend des Zweiten Weltkriegs kontrollierten allein die europäischen Staaten etwa 85 Prozent der Landfläche der Erde. Zweifellos hatte sich das westliche Modell daher als erfolgreich erwiesen und fand auch in ehemals streng islamisch geprägten Gesellschaften begeisterte Nachahmer, wie zum Beispiel in Kemal Atatürk, dem Gründer der modernen Türkei. Diese „natürliche“ europäische Moderne betrat das Licht der Welt, weil sie der Freiheit des Individuums durch einen Jahrhunderte währenden Prozess zum Durchbruch verhalf und damit die kapitalistische Wettbewerbsordnung ermöglichte, die Europa und Nordamerika zunächst einen schnelleren technischen Fortschritt bescherte als den in Bürokratie und Günstlingswirtschaft erstickten Systemen eines jeweils zentral gelenkten Osmanischen oder Chinesischen Reiches. Vor allem die moslemische Welt erlebte noch bis vor etwa 50 Jahren eine bespiellose „Verwestlichung“. Alte Fotos aus den Hauptstädten Afghanistans, Pakistans, des Irans, des Iraks oder der Türkei und selbst aus einzelnen Städten Saudi-Arabiens, wie zum Beispiel der Hafenstadt Dschidda, zeigen unverhüllte, westlich gekleidete Frauen. Niemand hätte sich damals eine Machtübernahme der Taliban oder der Ajatollahs vorstellen können. Im Unterschied zur Zwei-Reiche-Lehre des Christentums und seiner freiheitlich-individualistischen Ethik wird im Islam, dessen Religionsgründer gleichzeitig auch ein arabisches Reich, also eine staatliche Herrschaft begründete, die Einheit von Religion und Politik betont. Das westliche Modell individueller Freiheit musste daher über kurz oder lang die Machtsphäre derjenigen bedrohen, die mit religiösen Gesetzen auch weltliche Macht ausüben wollten. Wie konnte man also ein Modell, das der westlichen Welt doch so sehr genutzt und den Europäern zu so viel Einfluss und Wohlstand verholfen hatte, in Misskredit bringen?
Die Antwort lag in Wokistan! Nicht die Kriege der USA in Afghanistan und im Irak oder das betrügerische Sykes-Picot-Abkommen aus dem Jahre 1916 brachten die moslemischen Massen gegen den Westen auf, sondern Bilder westlicher Gesellschaften, die atheistische Zivilisationsbrüche erahnen lassen und den Verfall von Moralvorstellungen zeigen, die auch im Westen noch vor wenigen Jahrzehnten Millionen Menschen schockiert hätten. Noch schockierender wirken solche von zügelloser Sexualität und hedonistischer Bindungslosigkeit geprägten Bilder aber in den Gesellschaften des Islams, zumal es für islamische Potentaten ein Leichtes ist, damit den Westen gleichzusetzen mit einem Sündenpfuhl aus Homosexualität, Drogenmissbrauch und vielen anderen Lastern. Doch damit nicht genug: Vor allem in der Türkei zeigen die Beispiele von zwei engen politischen Weggefährten Präsident Erdoğans, Numan Kurtulmuş und Ali Erbaş, dass sich die woke Bewegung des Westens auch hervorragend gegen Christen einsetzen lässt. Kurtulmuş, türkischer Parlamentspräsident, und Erbaş, Chef der obersten Religionsbehörde Diyanet, nutzen den westlichen Regenbogenkult seit Jahren, um Ressentiments gegen Christen zu schüren, denn schließlich handele es sich um Phänomene aus christlichen Ländern. Solche Vereinfachungen erleichtern es, sich nicht mit den Ursachen der wachsenden christlichen Untergrundkirchen befassen zu müssen. Denn immer mehr Menschen in der muslimischen Welt begreifen, dass die dortigen Regierungen den Islam als Herrschaftsinstrument gegen die eigentlichen Interessen der Bevölkerung einsetzen. Vor allem in der iranischen Theokratie gibt es einen beachtlichen Prozess der Entislamisierung. Da der Verfolgungsdruck auf Konvertiten enorm ist, existieren nur Schätzungen, wonach schon vor drei Jahren die Zahl der Christen auf mindestens 1,3 Millionen Iraner angestiegen sei.
Echtes Christentum mit seinem politikabgewandten, die Freiheit des Individuums betonenden Charakter erfährt aber nicht nur in der von zentralistischen Diktaturen geprägten Regionen des Nahen und Mittleren Ostens starke Ablehnung von offizieller Seite. Interessant ist, dass weder der Vatikan noch die protestantischen Kirchen in Europa sonderliches Interesse an der Verfolgung ihrer Glaubensbrüder außerhalb Europas zu haben scheinen, obwohl die Nichtregierungsorganisation „Open Doors“ von einem neuen Rekord angesichts von weltweit 360 Millionen verfolgter Christen berichtet. Die christlichen Kirchen in Deutschland blenden sogar die Verfolgung von geflüchteten Christen in den deutschen Asylunterkünften aus und verweigern ihre Unterstützung bei der Missionierung der Millionen nach Deutschland eingereisten Muslime, wie der Gründer von „Elijah21“, Andreas Sauter, zu berichten weiß. Sauter und seine christlichen Mitstreiter haben es sich seit 2015 zur Aufgabe gemacht, Muslime in Deutschland mit der Frohen Botschaft Jesu Christi zu konfrontieren, ohne aufdringlich zu sein. Sie bieten zwanglose Gespräche und die Teilnahme an einem Filmabend an, bei dem sie einen Film über das Leben Jesu auf Arabisch und in anderen Sprachen der einschlägigen Herkunftsländer anbieten.
Die äußerste Zurückhaltung, die deutsche Bischöfe, aber auch der Vatikan in Sachen Mission an den Tag legen, passt allerdings ins Bild eines möglichst zeitgeistkonformen Verhaltens, das keine Konflikte mit den Mächtigen riskiert. In Deutschland wurde die Kirche in einem jahrzehntelangen Prozess vor allem durch die staatsnahen Medien auf Linie gebracht. Kein Bischof, erst recht kein einzelner Priester würde heute noch einen Konflikt mit der woken Community riskieren, obwohl dieses regenbogenfarbig geschmückte Schaufenster wahrscheinlich der wichtigste Vorwand für alle islamistischen Machthaber, von Gaza bis Ankara und von Riad bis Teheran, ist, die immer lästiger werdende, wachsende Christengemeinde im eigenen Land kollektiv mit dem Vorwand westlicher Laster und des dortigen Sittenverfalls zu diskreditieren.
Es bleibt abzuwarten, ob der Gaza-Krieg und der auf deutschen Straßen zur Schau gestellte Antisemitismus moslemischer Zuwanderer auch die bislang migrationsfreundliche und missionsfeindliche Haltung der christlichen Kirchen Europas zu ändern vermag.
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