09. Januar 2024 22:00

Linke im „Milei-Wahn“. Populäre Irrtümer der Linken „Wenn sie nicht zwangsversichert werden, versaufen sie die Kohle!“

Nein, im Kapitalismus herrscht kein „Arbeitszwang“

von Andreas Tiedtke (Pausiert)

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Bildquelle: Shutterstock Für viele Linke nicht nachvollziehbar: Menschen werden durch Zwang nicht glücklicher

Seit dem Amtsantritt des libertären Präsidenten Javier Milei in Argentinien und dessen Reformen drehen viele Linke intellektuell frei. Während die Linke den Libertarismus über Jahre hinweg erfolglos ignorierte, ihn dann als „rechts“ verleumdete, Strohmann-Argumente abbrannte und dergleichen, scheinen nun einige tatsächlich ins Argumentieren zu kommen – zwar zumeist mit moralischen Intuitionen anstatt mit handlungslogischen oder evidenzbasierten Argumenten, aber immerhin: Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, auch wenn aller Anfang schwer ist.

Nichtsdestotrotz, die Argumente der Linken lassen sich handlungslogisch, insbesondere ökonomisch widerlegen. Und sofern es sich nicht um Argumente handelt, sondern um Vorlieben, kann man nachweisen, dass diese unsozial sind, wenn ihre Handlungsziele das Androhen von Zwang gegenüber sich selbst friedlich verhaltenden Menschen erfordern.

Man kann Menschen mit Zwang nicht glücklicher machen

So kritisierte ein X (vormals Twitter) –„Influencer“, der sich als „Sozialanthropologen“ und „Business Economist“ beschreibt, dass Milei Beschäftigte im öffentlichen Dienst entlasse, dass Zuschüsse für Energie und Transport gekürzt würden und damit die Bus-Tickets teurer würden, dass Pensionen nicht entsprechend der Inflationsrate erhöht würden, dass Medienförderungen gestrichen würden und so weiter. Ich entgegnete, dass dies aus der Perspektive der vormals zur Finanzierung all dieser Ausgaben Gezwungenen gut sei. Wenn in Bereichen, die zwangsweise finanziert werden, die Mittel gestrichen werden, stehen mehr Mittel zur Verfügung, die entsprechend den Präferenzen der Menschen ausgegeben werden können. Die Erwiderung war voraussehbar. Erst kam der Strohmann, dass man „deswegen“ (?) Ausgaben für „Bildung“ und „Gesundheit“ streichen würde, wovon zuvor nicht die Rede war. Dann kam die Mutmaßung, dass die Leute dann „endlich“ mehr Geld für „Bier und Benzin“ hätten. Dann kam der allfällige, unvollständige Satz „Und alles besser werden“ und zum Abschluss ein Argument ad hominem, nämlich „wie simpel“, also einfach gestrickt, ich denken würde.

Hier soll es uns aber nicht um die formale Analyse linker „Argumentationsmuster“ gehen. Auch zunächst nicht darum, dass es keine „öffentlichen Gelder“ des Staates gibt, sondern der Staat sein Geld von den Netto-Steuerzahlern erhält und dies regelmäßig durch Erhöhung der Verschuldung, also im Endeffekt durch „Inflationsbesteuerung“ der Bürger. Sondern es soll zunächst um das Menschenbild des „Influencers“ gehen. Seine Aussage ist quasi folgende: Wenn die Menschen im Hinblick auf ihre Gesundheit nicht zwangsversichert werden oder nicht zur Finanzierung staatlicher Bildung gezwungen sind, dann kaufen sie von dem Geld „Bier und Benzin“, verhalten sich aus Sicht desjenigen, der hier Bevormundung wünscht, also „unvernünftig“.

Edward Bernays (1891–1995), der Neffe Sigmund Freuds und populäre Autor des Buches „Propaganda“ (neuerdings „Public Relations“) schrieb sinngemäß, dass ein Mittel gegen Propaganda sei – und hier haben wir es mit linker Propaganda zu tun –, darzulegen, dass diese falsch oder unsozial sei. Dies wollen wir im Folgenden tun:

Ludwig von Mises (1881–1973) schrieb:

„Wir mögen zugeben, dass einige Fachleute mit der Ansicht richtig liegen, dass die meisten Menschen sich bei der Verfolgung ihres Glückes unverständig verhalten. Aber man kann keinen Menschen glücklicher machen, indem man ihn bevormundet.“

Was der linke X-„Influencer“ mutmaßt, nämlich dass die Menschen das Geld, wenn sie mehr Mittel zur Verfügung hätten, nicht so ausgeben werden, wie er es für besser hält, mag im Einzelfall sogar zutreffen. Aber wenn man Menschen ein Übel androht für den Fall, dass sie keine Zwangsversicherungsbeiträge bezahlen, beispielsweise für Gesundheit, oder Steuern für ein staatliches „Bildungswesen“, dann macht man sie notwendigerweise unzufriedener und in diesem Sinne unglücklicher als ohne die Drohung. Einen friedlichen erwachsenen Menschen zu zwingen, sein Geld anders auszugeben als er es selbst möchte, ist unsozial, denn der Einsatz von oder die Drohung mit Zwang, um jemanden zu einer Handlung zu nötigen, zu der er ohne den Zwang nicht bereit wäre, ist handlungslogisch a priori eine feindliche Handlung und daher in diesem Sinne unsozial. Jemand, der für eine Zwangsversicherung von Arbeitnehmern plädiert, ist nicht deren Freund, sondern im Gegenteil. Freundliches Handeln ist freiwillige Kooperation, der Einsatz von Zwang ist das Gegenteil, eine feindliche zwischenmenschliche Interaktion – kurz: Aggression.

Der Gedanke, dass der nicht mehr Bevormundete sein Geld unvernünftig ausgeben würde, lässt zudem tief in das Menschenbild blicken. Die Arbeitnehmer werden infantilisiert, wie Kinder behandelt. Immanuel Kant (1724–1804) bezeichnete staatliche „Satzungen und Formeln“ als die Fußschellen, die die Menschen von der Erlangung der Mündigkeit abhielten. Wenn man aufhörte, so Kant, die Menschen in einen (geistigen) „Gängelwagen“ zu sperren und sie zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen, dann würden sie – nach einigem Hinfallen – quasi automatisch „Laufen lernen“, also mit dem eigenen Denken beginnen. Alleine, man lässt sie nicht, man hält sie klein.

Es spricht Bände, dass der X-„Influencer“ hier sofort auf die Idee kommt, dass der durch den Wegfall des Zwanges Begünstigte das Geld in die Kneipe und zur Tankstelle trägt, worüber er sich anscheinend echauffiert, anstatt den Vorteil zu sehen, dass der Begünstigte nun frei wählen kann, welche Gesundheitsdienstleistungen oder -versicherungen er möchte oder welche Bildungsangebote. Bei einem freiwillig finanzierten Gesundheitssystem müssen sich die Anbieter nach den Wünschen der Kunden richten, bei erzwungener Finanzierung nach den Wünschen derjenigen, die die Finanzierung erzwingen, also nach den politischen Akteuren und deren Unterstützern. Im letzteren Falle ist eben nicht der Kunde König, sondern der Produzent bestimmt über die Produktqualität und welche Leistungen wann, von wem und wie angeboten werden – ob es den Gezwungenen passt oder nicht. Dass der X-„Influencer“ hier glaubt, mit dieser Verantwortung könne der durchschnittliche Arbeitnehmer nicht umgehen, sagt etwas über seine Vorstellungswelt aus, aber nicht über den durchschnittlichen Arbeitnehmer.

Eine Kommentatorin auf X fügte noch die Antwort hinzu, dass, wenn Subventionen wegfielen, die Gesundheitsdienstleister ihre Leistungen teurer anbieten müssten. Hätte man kein Geld, könne man sich keine Gesundheitsversorgung leisten.

Ludwig von Mises erklärte sinngemäß mit der „Weihnachtsmann“-Parabel, wie man diesem Einwand begegnen kann:

 „Das ganze System des Interventionismus [zwangs- und fallweises Eingreifen in den Markt] kollabiert, wenn die Quelle erschöpft ist. Das Weihnachtsmann-Prinzip liquidiert sich selbst.“

Der Staat sei eben nicht der Weihnachtsmann. Er kann nichts ausgeben, was er nicht vorher jemand anderem weggenommen hat. Nimmt er es den Unternehmern, so fehlen Mittel zu Investitionen und die Wirtschaft und Produktivität – und damit auch die Reallöhne der Arbeitnehmer – wachsen langsamer als ohne diese Maßnahmen. Nimmt der Staat die Mittel den Arbeitnehmern selbst – und das ist in großem Umfang der Fall, beispielsweise bei Zwangsversicherungen, Lohnsteuern, Umsatzsteuern, Grundsteuern, CO2-Preisen und dergleichen –, so stammen die Subventionen aus den Taschen derjenigen selbst, die die Begünstigten sein sollen. Sie werden also wiederum in ihrer Mittelverwendung eingeschränkt und die Produktion von Gesundheitsleistungen und allen anderen Diensten und Gütern, die zwangsfinanziert werden, findet nicht mehr gemäß den Präferenzen der Menschen statt, sondern gemäß den Präferenzen derjenigen, die sich zu deren Vormündern aufschwingen.

Und hat jemand „kein Geld“, ist dies nicht die Schuld freiwilliger Kooperation oder des Kapitalismus, sondern es ist der Urzustand des Menschen, dass er mittellos dasteht, bevor er am gesellschaftlichen Austausch teilgenommen hat. Ermöglichen ihm die Eltern kein Auskommen und keine Ausbildung, mit der er ins Erwerbsleben eintreten kann, dann ist er auf die Hilfe und Unterstützung seiner Mitmenschen angewiesen, typischerweise der Verwandten oder der Menschen vor Ort. Aber Wohltätigkeit erfordert keinesfalls notwendigerweise den Einsatz von Zwang gegenüber friedlichen Menschen. Im Gegenteil, wenn Zwang gegenüber friedlichen Menschen eingesetzt wird, dann liegt kein Akt der Wohltätigkeit vor, weil die Mittelbeschaffung handlungslogisch nicht von der Mittelverwendung getrennt werden kann, sondern es handelt sich um Aggression.

Schlussbetrachtung und Ausblick

Wir können also festhalten, in welchen Punkten die linke Propaganda unwahr und unsozial ist. Unwahr ist, dass man Menschen durch Bevormundung glücklicher machen könnte. Unwahr ist, dass man die Masse der Menschen durch Interventionismus reicher machen könnte. Unsozial ist, wenn man möchte, dass die eigene Vorliebe für Bevormundung zwangsweise durchgesetzt wird. Unsozial ist, wenn man Zwang einsetzt, um selbst als Wohltäter dazustehen.

In meiner nächsten Kolumne will ich mich der linken Propaganda widmen, wonach man im Kapitalismus zur „Lohnarbeit fürs Kapital“ gezwungen würde. Nachdem die Linken – angefacht durch Javier Mileis Erfolg – nun langsam aus den Startlöchern kommen und von der Phase des Ignorierens und des als „Rechts“-Verleumdens des Libertarismus in die Phase des argumentativen Bekämpfens übergehen, können wir ihre Argumente gegen den Libertarismus Stück für Stück als unwahr widerlegen beziehungsweise als unsozial demaskieren.

Natürlich ist nicht damit zu rechnen, dass die überzeugten Linken dadurch einlenken werden. Der Grund für ihre Vorliebe für Zwang anstatt freiwilliger Kooperation liegt oftmals in unbewussten Einstellungen und Überzeugungen zu Schuld, Scham, Ungenügen und Angst vor Trennung. Wer hierüber mehr wissen will, der kann sich meine zwölfteilige Artikelserie „Die Psychologie der Politik“ durchlesen – den ersten Artikel verlinke ich unten in den Quellen. Aber diejenigen innerhalb des „Publikums“ (Immanuel Kant), die bereits bereit zum „Ausgang aus der Unmündigkeit“ und zum „eigenen Denken“ sind, können wir erreichen.

Quellen:

Der Beherrschungsdrang der Antikapitalisten (Ludwig von Mises, Auszug aus „Die Bürokratie“)

Leben wir in einem aufgeklärten Zeitalter? Zu Immanuel Kants 218. Todestag (Andreas Tiedtke)

Mises Explains the Santa Claus Principle (Ludwig von Mises)

Die Psychologie der Politik. Wieso wollen Menschen nicht in einer friedlichen Gesellschaft leben? (Andreas Tiedtke)


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