08. Mai 2024 11:00

Angst vor dem (Welt-) Untergang „Kollapsologen“: Falsch abgebogen …

… und politisch belogen

von Axel B.C. Krauss

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Bildquelle: lassedesignen / Shutterstock „Fünf vor zwölf“: Panikmache für politische Zwecke – und das nicht erst seit gestern

Was es nicht alles gibt: „Kollapsologen“ nennt man offenbar Leute, die glauben, „dass das Ende bereits begonnen habe“ („Die Welt“, 6. Mai 2024). Es wird ausgiebig untersucht, „wann das Ende der menschlichen Zivilisation eintritt und wie wir uns darauf vorbereiten sollten“.

Ergibt es sonderlich viel Sinn, seine Geisteskraft ständig dem „Untergang“ zu widmen? Natürlich kann es viele Gründe geben, warum eine Zivilisation dahinscheidet. Der amerikanische Historiker Carroll Quigley bewertete die Überlebensfähigkeit von Kulturen und Zivilisationen nach ihrer Anpassungsfähigkeit an geänderte Umstände, seien es politische oder wirtschaftlich bedingte, vor allem in Verbindung mit ihrer Expansions- beziehungsweise Wachstumsdynamik: „Das Nachlassen der Expansionsdynamik einer Zivilisation markiert den Übergang in ihre Konfliktphase. Letztere ist die komplexeste, interessanteste und wichtigste Periode im Lebenszyklus einer Zivilisation. Für sie sind vier Hauptmerkmale kennzeichnend: Es handelt sich a) um eine Phase schwindender Expansionsdynamik, b) um eine Zeit wachsender Spannungen und Klassenkonflikte, c) um eine Zeit immer häufigerer und heftigerer imperialistischer Kriege und d) um eine Zeit, in der sich Irrationalität, Pessimismus, Aberglauben und Weltfremdheit zunehmend ausbreiten. Alle diese Phänomene treten im Kernbereich der Zivilisation auf, bevor sie weiter in die Randbereiche der Gesellschaft vordringen“ (Carroll Quigley, „Tragödie und Hoffnung“, Seite 17).

Als gewiefter Historiker kannte Quigley natürlich sein Persien, Griechenland und Rom, sein britisches Kolonialreich („British Empire“) und somit – aufgrund der unübersehbaren Parallelen – auch die offizielle Erbin des Letzteren, also das „American Century“. In den letzten knapp zweieinhalb Jahrzehnten fiel das US-Imperium (darin seinem Vorgänger, also dem britischen Imperium sehr ähnlich) besonders durch c) auf, also expansionistische Kriege sowie die nachfolgende Installation höriger Marionettenregime in den „demokratisierten“ Ländern, sekundiert von einem historisch beispiellosen Propagandaapparat, der mittels moderner Massenmedien eine nahezu flächendeckende Verbreitung gewünschter Narrative erzielte, die stets die vorgebliche Gutartigkeit dieses Expansionismus, die „Führungsrolle“ der USA als Weltwachtmeister und Wertelieferant Nummer eins betonte. Allerdings – wie Brzezinski richtig feststellte – hatte das US-Empire (und hat nach wie vor eine gewisse) Strahlkraft in kultureller und technologischer Hinsicht, was viele kreative und innovative Köpfe ins Land zog. Sei es nun die größte und wirkmächtigste Filmindustrie der Welt (Hollywood), deren Erzeugnisse weltweit verbreitet und popkulturell prägend wurden (wobei diese Industrie derzeit auch krisengeplagt ist), sei es amerikanische Popmusik, seien es Vorsprünge gegenüber anderen Ländern in Wissenschaft und Forschung oder technologische Errungenschaften, egal, ob zivil oder militärisch.

Diese „Poleposition“ ist allerdings zunehmend abgeschmolzen – heute sieht sich das American Empire wachsendem Konkurrenzdruck aus anderen Ländern gegenüber. Doch geht es mir hier nicht um den Punkt a) aus Quigleys obiger Aufzählung, sondern vor allem um d), denn – das kann niemand ernsthaft bezweifeln wollen – ist unsere Zeit tatsächlich geprägt von Pessimismus, Irrationalität und Weltfremdheit.

Der Pessimismus in Teilen der Wirtschaft ist einer destruktiven, übergriffigen Politik geschuldet, deren Vorgehen allerdings nicht – wie man zunächst vielleicht glauben könnte – den anderen beiden Punkten aus Quigleys Aufzählung geschuldet ist, also Irrationalität und Weltfremdheit, sondern einem Sozialingenieurswesen und planwirtschaftlich-technokratischen Wunschdenken, das seine Ziele mit aller Macht zu erreichen versucht. Da ich bereits mehrfach ausführlich darüber geschrieben habe, kann ich mich hier kurz fassen: Die seit Jahren immer wieder zu beobachtenden Vorstöße Richtung digitaler Rundum-Kontrolle und Rückverfolgung von Bürgerdaten, die Bemühungen um Meinungshoheit und Narrativkontrolle unter dem Banner des „Kampfes gegen Desinformation“, der Ab- beziehungsweise „bessere Rückbau“ von Wirtschaftstätigkeit mit Klima-Wohlfühletikett, obwohl es auch dabei letztendlich nur um Kontrolle geht, vor allem eine Konzentration und Konsolidierung von Wirtschaftsmacht in den Händen eines „neuen Hochadels“ korpokratisch-korporatistischer Provenienz, wie vom WEF euphemistisch als „Globale öffentlich-private Partnerschaft“ betitelt oder der vermeintliche „Kontrollverlust“ einer gewollten Immigrationspolitik, deren „Früchte“ sich heute immer deutlicher abzeichnen: Das alles sind keine Untergangs-, sondern Umbau-Symptome.

Ebenso die ständige Angstmacherei zum Zwecke der emotionalen Verwirrung, psychischen Desorientierung sowie zur Vermittlung eines Gefühls von Hilflosigkeit, von Ohnmacht: Die Menschen mögen doch bitte einfach akzeptieren, dass sie jetzt im Zeitalter der „Polykrisen“ leben – wobei man im Einzelfall mit Fug und Recht nach den Ursachen fragen darf, ob es sich also um eine ganz natürlich entstandene Krise handelt oder nachgeholfen wurde, um Probleme künstlich zu schaffen, für die dann eine machtinteressierte Lösung geboten wird.

Wenn also zum Beispiel ein Andrew Gilmour seinen am 24. April in der „Welt“ erschienenen Gastbeitrag – ein regelrechtes Musterbeispiel für Klimakatastrophen-Angst-Agitprop – mit dem Titel überschreibt „Die Klimapolitik entscheidet über Krieg und Frieden“ und wenn man obendrein weiß, dass Gilmour die üblichen machtelitären Karrierestationen beziehungsweise -schmieden durchlief (Eton, Oxford, London School of Economics) und zudem dreißig Jahre lang für die UN tätig war, also diejenige Organisation, auf deren Wunschliste die „Sustainable Development Goals“ (Agenda 2030) ganz oben stehen, könnte man fast versucht sein, seinen Worten fast schon eine Drohung zu entnehmen: Entweder ihr folgt alle unserer Klimapolitik oder ihr fangt euch einen Satz heiße Kriegsohren ein!

„Der Westen muss mehr Verantwortung für die Folgen seiner Klimaversäumnisse übernehmen“, schreibt Gilmour, weil er natürlich weiß, dass man Menschen, die seit langer Zeit bestimmte Freiheiten gewohnt sind – so wie es in westlichen Gefilden ja der Fall ist –, diese nicht so einfach wegnehmen kann. „Tut er es nicht, werden die Konsequenzen auch im privilegierten Teil der Welt verheerend sein, meint unser Gastautor, ein Experte für den Zusammenhang zwischen Klima und Konflikten.“

Wenig verwunderlich also, dass bei diesen Leuten in ziemlich auffälliger Weise immer nur „der Westen“ sich in die „Pflicht“ nehmen soll. Und ob es auf einem Forschungsfeld wie dem „Zusammenhang zwischen Klima und Konflikten“ überhaupt so was wie „Experten“ geben kann, da es sich dabei weniger um eine evidenzbasierte als vielmehr um eine hochgradig „hermeneutische“ „Wissenschaft“ handelt – soll heißen: eine recht „biegbare“ –, sei mal dahingestellt.

Bis nächste Woche.


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