03. August 2024 10:00

Ökonomie China oder die USA?

Wer ist Europas wichtigster Handelspartner?

von Karl-Friedrich Israel (Pausiert)

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Bildquelle: Karl-Friedrich Israel EU-Warenhandel: Wohin geht die Reise nach einer möglichen Wiederwahl Trumps?

Amerika und Europa sind durch den internationalen Handel wirtschaftlich eng miteinander verbunden. Im Jahr 2022 importierten die USA Waren und Dienstleistungen im Wert von 723,3 Milliarden US-Dollar aus der Europäischen Union. Sie exportierten im Gegenzug Waren und Dienstleistungen im Wert von 592,0 Milliarden US-Dollar in die EU. Die USA hatten somit ein Handelsdefizit mit der EU von etwa 131,3 Milliarden US-Dollar. Der amerikanische Waren- und Dienstleistungsverkehr mit Europa war um satte 73,4 Prozent größer als der US-Handel mit China. Das amerikanische Handelsdefizit mit China war jedoch fast dreimal so groß wie das mit Europa.

Im Falle einer Wiederwahl Donald Trumps im November ist es daher wahrscheinlich, dass sich seine Handelspolitik, die nach wie vor ein zentraler Bestandteil seines Wahlkampfs ist, in erster Linie auf China konzentrieren wird, wie es in seiner ersten Amtszeit zwischen 2016 und 2020 der Fall war. Aber auch in Europa würde es wahrscheinlich einige Veränderungen geben. Die Frage, was eine Wiederwahl Trumps für die Handelsbeziehungen zwischen den USA und der EU bedeuten würde, ist aber mit großer Unsicherheit behaftet. In den vergangenen Jahrzehnten waren die Handelsbeziehungen zwischen keinen Großregionen der Welt enger als zwischen den USA und Europa. Aber wird das so weitergehen?

Trump hat bereits vorgeschlagen, einen zehnprozentigen Zoll auf alle Einfuhren in die USA aus der gesamten Welt, einschließlich der EU, einzuführen. Ein solcher Universalzoll wäre für Europa als wichtigstem Handelspartner der USA von besonderer Bedeutung. Obwohl oft behauptet wird, dass Trump Zölle nicht um ihrer selbst willen befürwortet, sondern lediglich als Drohung benutzt, um andere zum Abbau von Handelsschranken zu bewegen, könnte dies nur Wunschdenken derjenigen sein, die die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung verstehen und schätzen. Es fehlen schlichtweg die glaubwürdigen Indizien für Trumps prinzipientreue Affinität zum Ideal des Freihandels.

Im Jahr 2020 hat sich China zum zweiten Mal nach 2010 und 2011 vorübergehend zum größten Handelspartner Europas aufgeschwungen, wenn es speziell um Waren (im Gegensatz zu Dienstleistungen) geht, das heißt um greifbare physische Objekte, die verwendet, gelagert oder verbraucht werden können. Nur wenn Dienstleistungen mitgezählt werden, bei denen der Empfänger keine materiellen Güter erhält, bleiben die USA auch im Jahr 2022 der größte Handelspartner Europas. Sollten die Handelsbeschränkungen der USA allerdings zunehmen, könnten sich die Handelsbeziehungen zwischen Europa und China verstärken und den Trend fortsetzen, der bereits in den letzten Jahrzehnten zu beobachten war: Der gesamte europäische Warenhandel mit China ist von unter ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 1999 auf über fünf Prozent im Jahr 2022 gestiegen.  

Europa hat einen anhaltenden und zunehmenden Handelsüberschuss mit den USA, insbesondere wenn es um Waren geht. Die Importe aus den USA relativ zum BIP liegen 2023 etwa auf dem gleichen Niveau wie im Jahr 2000. Importe aus den USA sind also mehr oder weniger einheitlich mit dem BIP gestiegen. Der Anteil der Exporte in die USA am BIP der EU erhöhte sich um mehr als 21 Prozent. Im Gegensatz dazu besteht mit China ein anhaltendes und wachsendes Handelsdefizit. Sowohl die Importe als auch die Exporte relativ zum BIP haben um mehr als das Fünffache zugenommen, und das Defizit ist von 0,3 Prozent des BIP im Jahr 1999 auf 1,7 Prozent des BIP im Jahr 2023 gestiegen. 

Der europäische Warenhandel mit den USA war zwischen 1999 und dem Ausbruch der Finanzkrise 2007 zunächst rückläufig. Seitdem ist eine Trendwende eingetreten. Der Gesamtwarenhandel zwischen der EU und den USA ist fortan zusammen mit dem Gesamtwarenhandel der EU und China gewachsen und liefert sich ein enges Rennen um den Spitzenplatz. Mit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs kam es zu einem deutlichen Einbruch, insbesondere im Handel mit China. Es ist offensichtlich, dass sich geopolitische Konflikte auf Handelsströme und die internationale Arbeitsteilung gravierend auswirken können. Deshalb ist es unmöglich vorherzusagen, wie sich diese Zeitreihen weiterentwickeln werden. Die Potenziale scheinen aber gerade in China noch sehr groß zu sein. Dies wird unter anderem an den höheren durchschnittlichen Renditen für Direktinvestitionen in China, verglichen mit den USA, deutlich. Die EU hält zwar gegenwärtig (Stand 2022) nur 2,6 Prozent ihrer ausländischen Direktinvestitionen in China (Hongkong ausgenommen), im Gegensatz zu satten 28,3 Prozent in den USA. Aber die durchschnittliche Rendite auf die Investitionen in China liegt bei 13,5 Prozent. In den USA liegt sie im Vergleich bei mageren 3,6 Prozent.

Sollten die USA tatsächlich eine restriktivere Handelspolitik bevorzugen, könnten sie gegen ihre geopolitischen Interessen die EU in eine noch engere wirtschaftliche Beziehung mit China drücken. Dies ist vermutlich der Hauptgrund, warum ein solcher Kurs unwahrscheinlich ist und nur im Kontext eines verlängerten geopolitischen Konfliktes durchgeführt werden würde, in dem sich die EU aufseiten der USA und aktiv gegen China positioniert.    


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