19. Oktober 2024 06:00

Zeitqualität: Wie vor allem junge Menschen darunter leiden Eine Gesellschaft kurz vorm kollektiven Burnout?

Wie viel Druck hält ein Mensch noch aus?

von Manuel Maggio

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Bildquelle: eanstudio / Shutterstock Gestresste Kinder: Lebensfreude, Neugier und Wissensdurst bleiben immer mehr auf der Strecke

Nein, Sie brauchen sich um mich keine Sorgen machen, auch wenn ich letzte Woche berufsbedingt mit meiner Kolumne ausgesetzt habe. Ich bin sehr gut mit Arbeit ausgelastet, aber alles im Rahmen – ich kenne ja meine eigenen Belastungsgrenzen. Wenn ich jedoch meinen Blick auf mein Umfeld und etwas darüber hinaus richte, dann fällt mir durchaus auf, dass es den Menschen generell schlechter geht. Der Druck und auch die Spannungen der letzten Jahre sind an meinen Mitmenschen nicht spurlos vorbeigegangen.

Irgendetwas stimmt einfach nicht mehr. Das Leben und auch die Qualität der Zeit haben sich drastisch verändert und dies leider nicht zum Vorteil für die Menschen. Ich erinnere mich noch an meinen Besuch beim Physiotherapeuten vor ein paar Monaten, der mir berichtete, dass bereits Kinder im Grundschulalter mit enormen Verspannungen zu kämpfen haben und vermehrt unter Rückenproblemen leiden. Natürlich mag da auch die Zombie-Haltung, wenn man auf das Smartphone blickt, einen Teil dazu breitragen, doch meiner Auffassung nach sind es auch seelische Spannungen und innere Konflikte, die den jungen Menschen zu schaffen machen. Ich selbst bin seit vielen Jahren auch als Dozent und Ausbilder tätig und habe somit mit jungen Menschen im Alter zwischen 18 und 22 Jahren zu tun. Neben einem enormen Leistungsabfall fällt mir bei meiner Arbeit auch der Rückgang von Leistungsbereitschaft in den letzten Jahren auf. Auf gut Deutsch: Die haben in der Regel einfach keinen Bock mehr, die Azubis von heute.

Selbstverständlich habe ich keine Studie verfasst oder eine repräsentative Umfrage durchgeführt – ich gebe hier ausschließlich meine sehr subjektive Sicht wieder. Doch wenn ich alle mir zur Verfügung stehenden Informationsquellen in Kombination mit meinen eigenen Wahrnehmungen analysiere, dann geht es vor allem der jungen Generation von Jahr zu Jahr schlechter. Auf der einen Seite könnte man zu Recht behaupten: Die haben es so leicht wie noch nie, die jungen Menschen wissen ja nicht, was echtes Leid, was Hunger und Not bedeuten. Doch auf der anderen Seite sind vor allem die Jugendlichen heutzutage komplett entwurzelt, identitätslos und der Manipulation auf allen Ebenen ausgeliefert.

Wissen Sie, was ich noch seltsam finde? Der Anspruch sowie die Messlatte bei Bildungsabschlüssen aller Art wurden in den letzten Jahren massiv gesenkt. Da könnte man doch meinen, dass die heute alle einfach so durch ihre Schullaufbahn spazieren. Die Realität ist aber eine andere. So berichtete mir meine Frau vor einiger Zeit, dass es keine Seltenheit ist, dass Musikschüler aufgrund von zu viel Stress und Druck seitens der Schule den Unterricht absagen oder andere Hobbys auf der Strecke bleiben. Und das gerade in einem Alter, in dem sich die Kinder und Jugendlichen ausprobieren sollen, um ihre Fähigkeiten und Begabungen zu entdecken. Zudem fehlt vielen somit der Ausgleich zum monotonen Schulalltag. Wo sind wir heute schon angekommen, wenn sogar schon Grundschüler so viel Stress haben, dass sie Probleme mit ihrem Alltag bekommen? Welche Rolle spielt dabei der erhöhte Bildschirmkonsum? Liegt es an der Desozialisierung innerhalb der Familien, in denen mit den eigenen Kindern nicht mal mehr in ganzen Sätzen gesprochen wird? Oder liegt es an den von Ideologien durchtränkten Weltbildern, die man den jungen Menschen heute so schmackhaft anbietet? Irgendwoher muss ja diese komplette Entfernung von einem selbst kommen. Wie sind Ihre Erfahrungen in diesem Bereich? Ich persönlich erkenne fast keinen Unterschied, wenn ich mir Jugendliche aus der Stadt oder vom Land ansehe – dieser Druck und dieser Stress sind überall vorhanden. Selbstverständlich sind das hier auch Verallgemeinerungen, doch sind, etwas überspitzt gesagt, meisten Heranwachsenden heutzutage eher faul, am eigenen Leben desinteressiert und kaum noch belastbar.

Selbstverständlich erlebe auch ich immer mal wieder Ausnahmen, doch die hellen Lichter werden pro Jahrgang immer weniger – um das mal vorsichtig auszudrücken. In der Welt der Erwachsenen sieht es natürlich auch nicht viel besser aus, auch hier erkenne ich einen Leistungsabfall. Doch wir Erwachsenen hätten es selbst in der Hand, am eigenen Leben etwas zu ändern. Irgendjemand hat es aber auf die Jüngsten in unserer Gesellschaft abgesehen und spielt ein schreckliches Spiel mit ihnen. Daher mein Apell und meine Bitte an Sie, sei es durch Ihre Position als Vorgesetzter in einer Firma, als Lehrkraft oder als Elternteil mit den eigenen Kindern: Nehmen Sie den Druck von den Kindern und Jugendlichen!


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