Freiheit der Popkultur: Signs: Zwischen Grusel und Glaube
Ein Film, der mich wie einen Erwachsenen behandelt
von Sascha Blöcker
Heute möchte
ich mich dem Oktober entsprechend einem Film widmen, der einerseits auch heute
noch Gruselmomente für mich bereithält und der andererseits kriminell
unterschätzt ist.
Ein Film, der viele Fragen stellt und die Beantwortung dem Individuum
überlässt. Ein Film, der mich behandelt wie einen Erwachsenen, der mir komplexe
Aufgaben gibt, die mich ins Grübeln bringen. Ein Film, der mir in Lebens- und
Glaubenskrise immer ein guter Begleiter war.
Signs – Zeichen
Beginnen wir mit der Handlung: Graham Hess (Mel Gibson) lebt mit seinen zwei Kindern Bo und Morgan Hess sowie mit seinem Bruder Merrill Hess (Joaquin Phoenix) auf einer Farm. Graham hat nach dem Tod seiner Frau den Glauben an Gott verloren und seinen Beruf als Pfarrer aufgegeben. Eines Tages werden Kornkreise in einem der Maisfelder gefunden, mysteriöse Dinge häufen sich. So greift einer der beiden Schäferhunde die Kinder an. Eines Nachts scheinen außerdem auch Fremde auf der Farm herumzulaufen. Doch nicht nur bei Graham spielen sich unheimliche Dinge ab. Auf dem gesamten Planeten sind Kornkreise aufgetaucht und die Menschen haben das Gefühl, dass etwas in der Luft liegt. Unerklärliche Situationen häufen sich. Graham und Merrill wollen – wohl mehr aus einer Machtlosigkeit heraus – nicht glauben, dass es sich tatsächlich um nicht irdische Phänomen handelt, bis 14 Lichter am Himmel erscheinen und der Fall ganz klar wird.
Soviel zur Handlung, und um ganz ehrlich zu sein, klingt das nicht besonders gut. Es mutet an, wie der hundertste Film, in dem uns eine Alieninvasion gezeigt wird. Doch das genaue Gegenteil ist der Fall, denn die Invasion spielt sich eigentlich nur hintergründig ab. Was wir wirklich sehen, ist ein hervorragendes Charakterdrama. Wir verlassen kaum die Farm und bewegen uns im familiären Kreis. Der Fokus ist so spezifisch und liebenswürdig, dass wir kein Interesse daran haben, was außerhalb des Hauses der Hess passiert. Es geht an keiner Stelle um die Nation, das Kollektiv oder gar eine Menschheitsfamilie, nein, es ist der „Liebe deinen Nächsten“-Film schlechthin. Das zeigt sich so deutlich in Graham, der in einer eventuell aussichtslosen Situation versucht, seinen Kindern eine heile Welt zu bewahren. Dieser Druck wird für ihn aber zunehmend untragbarer. Sein Bruder, der kurz mit dem Gedanken spielt, sich zur Armee zu verpflichten, braucht seinen großen Bruder jedoch ebenfalls. Hierzu ein Dialog:
Merrill:
„Manche Leute könnten
meinen, das sei das Ende der Welt.“
Graham: „Das stimmt.“
Merrill: „Hältst
du es für möglich?“
Graham: „Ja.“
Merrill: „Wie
kannst du sowas sagen?“
Graham: „Gefällt dir die Antwort nicht?“
Merrill: „Kannst du
nicht wenig so tun, als wärst du wie früher? Tröste
mich ein bisschen.“
Graham: „Die Menschen unterteilen sich in zwei Gruppen und wenn sie im
Leben Glück haben, sieht die erste Gruppe mehr als nur Glück darin. Mehr als
nur Zufall. Sie sieht es als Zeichen, als Beweis, dass es da oben jemanden
gibt, der auf sie aufpasst. Für die zweite Gruppe ist es nur Glück, eine Fügung
des Schicksals. Ich bin mir sicher, dass die Menschen aus der zweiten Gruppe
diese 14 Lichter da oben sehr misstrauisch beäugen. Für Sie steht die Sache
fifty-fifty, könnte schlimm
sein, könnte gut sein. Aber
tief drin spüren Sie, egal, was auch passiert, dass sie allein sind, und das
erfüllt sie mit Furcht. Ja, solche Menschen gibt's, aber es gibt eine ganze
Menge Menschen in der ersten Gruppe. Wenn sie die 14 Lichter sehen, dann sehen
Sie ein Wunder, und tief in ihrem Inneren spüren sie, egal, was auch passiert,
dass jemand da sein wird, um zu helfen, und das erfüllt sie mit Hoffnung. Du
wirst dich also fragen müssen, was für ein Mensch du bist. Gehörst du zu denen, die Zeichen sehen, die
Wunder sehen, oder glaubst du, dass die Menschen einfach nur Glück haben? Oder
betrachte es mal von der Warte: Ist es möglich, dass es keine Zufälle gibt?“
Die Dialoge sind nie dumm, aber sie sind auch typisch für M. Night Shyamalan und damit in den genau richtigen Ausmaßen anders.
Was kann der Film handwerklich?
Betrachten wir einmal das Handwerkliche: das liegt hier im Schwerpunkt auf dem Schauspiel, aber auch die Atmosphäre des Films soll nicht unerwähnt bleiben. Der Name „Signs“ ist schon genial, denn M. Night Shyamalan (The Sixth Sense) führt uns mehr oder weniger von Beginn an auf die falsche Fährte. Wir gehen davon aus, dass die Zeichen, welche ja titelgebend sind, eben jene sind, welche wir sehr früh in den Maisfeldern zu sehen bekommen. Aber eigentlich geht es um die Zeichen Gottes, die immer wieder subtil eingestreut werden und welche uns beim erstmaligen Konsum gar nicht relevant erscheinen. So hat der Film auch beim zweiten und dritten Mal noch immer etwas, das wir entdecken können. Das Spiel mit Licht und Schatten, so wie der sparsame Umgang mit Musik, funktioniert ausgezeichnet. Es wirkt permanent bedrohlich, ohne dass uns jene Bedrohung permanent auf den Bildschirm gebracht wird. Dieses Gruseln, nicht Horror, sondern echtes Gruseln, kann Kino heute anscheinend nicht mehr und ich vermisse es. Die beeindruckendste Technik kann die Stimmung und die Anspannung nicht ersetzen, welche mir dieser Film vermittelt.
Das Technische:
Wo wir gerade bei der Technik sind, da gibt es nicht viel zu sagen. Der Film kommt sehr gut ohne zurecht. Die Kostüme sind gut und der Film fühlt sich einfach sehr organisch an.
Die schauspielerische Leistung:
Wir sehen die letzten Sekunden, die Graham mit seiner
sterbenden Frau verbringt. Sie ist zwischen einem Baum und einem Pick-up
eingeklemmt. Diese Bilder gehen nahe, insbesondere, wenn er diese Zeit nutzen möchte, um ihre letzten Worte für
die Familie aufzunehmen, und dabei scheinbar nur Zusammenhangloses herauskommt.
Mel Gibson spielt den ganzen Film über so hervorragend, dass er uns nie
erzählen muss, wie enttäuschend dieser Abschied für ihn war. Wir sehen es.
Überhaupt ist das Spiel von allen Darstellern im gesamten Film überragend. Wenn wir Merrill dabei beobachten, wie er zum ersten Mal ein Alien im Fernsehen sieht, dann ist seine Reaktion sehr viel beängstigender als das Alien selbst. Auch die Kinderdarsteller liefern hier eine beeindruckende Performance ab. Die Chemie innerhalb dieser Familie ist unglaublich und nahegehend.
Als Graham jedem seiner Familienmitglieder das liebste Essen kocht, weil er davon ausgeht, dass es ihr letztes Abendmahl sein wird, und keiner außer ihm Appetit hat, da gibt uns der Film einen so herzzerreißenden, nachvollziehbaren, aber auch glaubwürdigen Moment, dass ich bei meiner Recherche ganz allein im Wohnzimmer Szenenapplaus gab. Das passiert mir selten.
Ich will damit sagen, schaut euch den Film an und wenn ihr ihn schon gesehen habt, dann schaut ihn noch einmal. Sollte er euch beim ersten Mal nicht gefallen haben, so denke ich, dass ihr ihn jetzt mit anderen Augen seht. Dieser Artikel darf gerne als Zeichen gewertet werden.
Ich bedanke mich herzlich für Ihre Zeit beim Lesen.
Kommentare
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