Deutschlands Demokratie: Wahl oder Scharade?
Ein Blick auf die jüngsten Ereignisse
von Joana Cotar
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In Deutschland, dem Land des Hambacher Festes und der Paulskirche, nagt eine beunruhigende Frage an den demokratischen Grundpfeilern: Haben wir noch eine Volksherrschaft?
Oberflächlich betrachtet präsentiert sich die Bundesrepublik mit einem lebendigen Mehrparteiensystem, freien Wahlen und einem Grundgesetz, das eigentlich mal als Leuchtturm der Stabilität galt. Doch unter dieser polierten Fassade rumort es – denn nach Wahlen schließen sich immer öfters altbekannte Akteure zu Koalitionen zusammen, die weniger den Willen der Wähler widerspiegeln als vielmehr ein vorgezeichnetes Ritual der Machtverteilung darstellen.
Nehmen wir die jüngsten Entwicklungen: die gebrochenen Wahlversprechen von Friedrich Merz, die Änderung des Grundgesetzes, der Schuldenwahnsinn – alles beschlossen mit einem abgewählten Bundestag und gegen den Willen der Bevölkerung, die bei den Wahlen im Februar genau diese Ampel-Politik abgestraft hat. Wirklich durchgesetzt haben sich dabei vor allem die Grünen, die die Deutschen nun gar nicht mehr in der Regierung sehen wollten – sie haben den zukünftigen Kanzler so lange vor sich hergetrieben, bis er ihnen sogar mehr gab, als sie wollten.
Die Arroganz und die Wählerverachtung, die dabei hinter und vor den Kulissen zur Schau gestellt werden, sind kein bloßer Stilbruch, sondern ein Symptom tieferliegender Probleme. Immer öfter muss sich der Bürger die Frage stellen: „Wähle ich hier noch oder werde ich lediglich dazu eingeladen, eine vorgegebene Ordnung zu legitimieren?“ Es ist eine Entwicklung, die sich mit jeder Wahl tiefer in die Köpfe der Bürger einbrennt – die Erkenntnis, dass ihre Stimme zwar gezählt, aber nicht wirklich gewichtet wird.
Eine
Politik, die sich über die Wähler erhebt, statt ihnen zu dienen, hat aber nur
noch wenig mit demokratischen Grundsätzen zu tun. Diese Art von „Wir
entscheiden für euch, weil wir es besser wissen“ ist – im Gegenteil - eine
Erosion des demokratischen Prinzips, die in Deutschland still und heimlich
voranschreitet, getarnt als pragmatische Notwendigkeit – zur Rettung „der
Mitte“ oder „unserer Demokratie“.
In den USA mag das Zweiparteiensystem seine eigenen Schwächen haben, doch die Wähler wissen zumindest, dass ihre Entscheidung Konsequenzen hat. Gewinnt eine Seite, verliert die andere – und die Politik ändert sich spürbar. In Deutschland hingegen scheint die Wahl oft nur ein Vorspiel zu sein, gefolgt von einem Akt der Selbstermächtigung der politischen Klasse. Die Koalitionsverhandlungen, die hinter verschlossenen Türen stattfinden, gleichen einem Schachspiel, bei dem die Figuren längst festgelegt und die Züge vorherbestimmt sind. Wie Anton Hofreiter freimütig im „Spiegel“-Interview zugab: Der Schulden-Irrsinn war bereits vor der Wahl zwischen Union und SPD abgemachte Sache und die Bilder von Armin Laschet und Annalena Baerbock aus Syrien zeigen deutlich, dass der private Wein-Abend bei Laschet eben gar nicht so privat war, sondern natürlich für politische Absprachen genutzt wurde.
Wo aber bleibt die Souveränität des Volkes, wenn das Ergebnis bereits vor der Stimmabgabe festzustehen scheint?
Ich will kein Plädoyer dafür halten, es genauso zu machen wie in den USA. Jede Nation hat ihre eigene Geschichte und ihre eigenen Werte. Doch eine Demokratie, die den Anschein von Wahlfreiheit erweckt, während sie in Wirklichkeit ein geschlossenes System der Machtverteilung betreibt, riskiert, ihre Legitimität zu verspielen. Die Bürger sind nicht dumm – sie spüren die Diskrepanz zwischen Versprechen und Realität, zwischen Wahlkampf und Koalitionsvertrag. Und genau diese Diskrepanz nährt Misstrauen, das sich in den Wahlerfolgen der AfD oder anderen Protestparteien zeigt.
Deutschland, ein Land, das seine Geschichte so gründlich reflektiert, läuft Gefahr, eine neue Form der Entfremdung zu schaffen – nicht durch Diktatur, sondern durch eine selbstherrliche Elite, die Demokratie als Kulisse nutzt. Die vielgepriesene Stabilität, auf die sich die Bundesrepublik so stolz beruft, wird zur Falle, wenn sie erstarrt und jede Veränderung als Bedrohung empfindet. Denn echte Demokratie lebt von Freiheit, von Bewegung, von Konflikt, von der Möglichkeit, dass das Volk nicht nur nickt, sondern auch widerspricht – und gehört wird.
Der Wählerwille ist kein störendes Hindernis, das man elegant umgehen kann, sondern das Herzstück einer lebendigen Demokratie, das tiefen Respekt verdient. Doch genau diesen Respekt versagen ihm die politischen Möchtegern-Eliten. Sie behandeln die Stimmen der Bürger wie Hintergrundmusik: nett zu hören, aber bitte nicht zu laut.
Für die Eliten mag das ein bequemes Arrangement sein, aber für die Idee der Demokratie und der Freiheit ist es ein schleichendes Gift, das früher oder später seine Wirkung entfalten wird.
Kommentare
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