12. Juni 2025 06:00

„Öffentliche Güter“: Unlautere Rechtfertigung für staatliches Eingreifen

Beispiel Bildung

von Olivier Kessler drucken

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Bildquelle: Orion Production / Shutterstock Bildungseinrichtungen: Inkompatibel mit dem freien Markt?

In der Mainstream-Ökonomie, die hauptsächlich von der Politik bezahlt wird und dieser zudient, wird gerne zwischen privaten und öffentlichen Gütern unterschieden. Private Güter wie Joghurts und Deos seien solche, die man dem freien Markt überlassen könne (wenn auch mit regulatorischen Einschränkungen und Begleitmaßnahmen, versteht sich). Öffentliche Güter wie zum Beispiel Bildung und Gesundheitsversorgung seien von Natur aus nicht dazu geeignet, dem freien Markt ausgesetzt zu sein. Hier müsse der Staat anpacken und sicherstellen, dass diese Güter in ausreichender Menge bereitgestellt würden. Doch bei genauem Hinsehen entpuppt sich die vorherrschende Lehrmeinung als unbegründete Willkür.

Bei der Bildung wird etwa argumentiert, dass sie positive Externalitäten habe, weil sie positive Auswirkungen auf andere habe. Der Staat müsse sie deshalb fördern, weil ohne das staatliche Tun zu wenig Bildung entstünde. Doch wer mit positiven Externalitäten argumentiert, um staatliche Interventionen in den freien Markt zu rechtfertigen, bewegt sich auf dünnem Eis. Denn es ist es völlig unklar, wie man kollektive Gewinne und Verluste einer staatlich finanzierten Bildung gegeneinander abwägen soll.

Es ist ja nicht so, dass staatsfinanzierte Bildung nur positive Externalitäten hätte. So stehen Studierende dem Arbeitsmarkt beispielsweise lange nicht zur Verfügung, wo sie Wohlstand für alle hätten schaffen können. Einige studieren das Falsche und erlernen auf Kosten der Allgemeinheit Fähigkeiten, die auf dem Arbeitsmarkt überhaupt nicht gefragt sind und deshalb bei der Befriedigung vordringlicher Bedürfnisse der Mitmenschen nicht hilfreich sind. Auch wird den Schülern und Studenten an den staatlich finanzierten Bildungseinrichtungen oftmals Unfug beigebracht und fragwürdige Ideologien eingetrichtert, was sich wiederum schlecht auf die Gesamtwohlfahrt auswirkt. Es ist unmöglich, die „Netto-Externalität“ zu bestimmen. Daher kann man auch nicht zwingend davon ausgehen, dass der Nutzen dem angerichteten Schaden unter dem Strich überwiegt.

Erschwerend kommt die Tatsache hinzu, dass Externalitäten kaum einzelnen Individuen oder Gruppen zugeordnet werden können. So ist die Annahme, dass positive Externalitäten allen gleichermaßen zugutekämen, höchst zweifelhaft. Es wäre beispielsweise möglich, dass ein staatlich subventioniertes Studium vor allem positive Externalitäten für Akademiker hat, jedoch weniger für Nicht-Akademiker. Weshalb sollten dann die Kosten für dieses Studium auch Nicht-Akademikern aufgezwungen werden? Und woher will man wissen, ob die von den Steuerzahlern hier Ausgebildeten auch tatsächlich im selben Kanton oder Land tätig sein werden und nicht auswandern? Wenn sie wegziehen, käme kein einziger Steuerfranken in die Staatskasse zurück, was ein klares Minusgeschäft wäre.

Doch das Argument, Bildung sei ein öffentliches Gut, ist schon im Grundsatz problematisch. In der Mainstream-Ökonomie ist ein „öffentliches Gut“ klar definiert: Nötig sind gemäß Lehrmeinung eine Nichtrivalität und Nichtausschließbarkeit im Konsum. Es leuchtet unmittelbar ein, dass Menschen selbstverständlich vom Konsum von Bildungsangeboten ausgeschlossen werden können – der Numerus clausus oder ein Maturitätsabschluss als Aufnahmekriterium an Universitäten dienen genau diesem Zweck. Auch wenn die Theorien der öffentlichen und meritorischen Güter unter Politikern und staatsnahen Ökonomen beliebt sind, damit der Staat „tätig werden“ kann, sind diese genau genommen unbrauchbar: Es wird behauptet, es würde auf dem freien Markt „zu wenig“ von einer angeblich wichtigen Leistung angeboten, weshalb der Staat ein entsprechendes Angebot sicherstellen müsse. Doch dies ist lediglich eine Rechtfertigung für eine weitgehende Monopolisierung einer ganzen Branche und für die politische Einflussnahme in einem Gebiet, wo die Politik nichts zu suchen hat.

Eltern und Erziehungsberechtigte wollen in den allermeisten Fällen nur das Beste für ihre Kinder. Das Bedürfnis nach einer qualitativ guten Bildung ist also zweifelsohne vorhanden, ohne dass hier mittels staatlichen Zwangs nachgeholfen werden müsste. Wo eine Nachfrage existiert, da werden Bildungsunternehmer auch eine Gewinnmöglichkeit erblicken und entsprechende Angebote zur Verfügung stellen.

Betreibt der Staat eigene Schulen, so sind die üblichen Folgen staatssozialistischer Einflussnahme unvermeidbar: Es kommt statt zu einer wünschenswerten Vielfalt an möglichen Angeboten zu einem von staatlichen Funktionären vorgegebenen Bildungseinheitsbrei mit vereinheitlichten Lehrplänen und Methoden. Größere Ineffizienzen und Ressourcenverschleiß sind die Folgen der von Ludwig von Mises beschriebenen Unmöglichkeit der wirtschaftlichen Kalkulation im Sozialismus: Die wahren Bedürfnisse der Kunden geraten zunehmend aus dem Fokus und die Kosten steigen ins Unermessliche. Die Kostenwahrheit und die tatsächlichen Zahlungspräferenzen der Studierenden sowie der Arbeitgeber gehen verloren. Politisch motivierte Indoktrination und machttragende Ideologien verdrängen echte Bildung, Aufklärung und die Vorbereitung auf ein selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben.

Doch was ist mit den Armen, die sich nicht ausreichend Bildung leisten könnten? Braucht es nicht gerade für sie staatliche Bildungsangebote? Armut ist dank des Aufkommens des Kapitalismus größtenteils zu einem Randphänomen verkommen, sodass es völlig unverhältnismäßig wäre, das Bildungswesen aufgrund weniger Einzelfälle zu verstaatlichen. Werden mit dieser Rechtfertigung staatliche Schulen errichtet, die sich aufgrund der beschriebenen Anreize auf relativ tiefem Niveau bewegen, dürften sich bald qualitativ hochstehende private Bildungsanbieter positionieren, die sich wesentlich stärker am Kundenwohl orientieren. Der private Sektor nimmt zunehmend eine Ventilfunktion an: Wer besonders unzufrieden ist und es sich leisten kann, weicht auf ein teures, aber überlegenes privates Angebot aus. Die weniger Vermögenden bleiben dann wieder auf den schlechteren Angeboten der Staatsschulen sitzen, weil sie sich die teuren Privatschulen nebst den Steuern, die sie für die Staatsschulen zu begleichen haben, nicht auch noch leisten können.

Ein möglicher – wenn auch aus liberaler Sicht nicht ganz konsequenter – Mittelweg wäre die vom Nobelpreisträger Milton Friedman vorgeschlagene Ausgabe von Bildungsgutscheinen, die auch den Mittellosen die Möglichkeit verschafft, eine Schule ihrer Wahl und gemäß ihren Präferenzen zu besuchen. Friedman schrieb: „Der Staat könnte das unabdingbare schulische Minimum dadurch erreichen, dass er den Eltern Gutscheine gibt, die bis zu einer bestimmten Summe pro Kind und Jahr eingelöst werden können, um dafür ‚staatlich anerkannte‘ Ausbildungsleistungen einzukaufen. Die Erziehungsdienstleistung könnte dabei auf privater Basis von gewinnorientierten Unternehmen angeboten werden – oder auch von nicht gewinnorientierten. Die Rolle des Staates würde sich darauf beschränken, dafür zu sorgen, dass alle Schulen einen bestimmten Mindeststandard aufweisen.“

Tatsächlich traute sich Schweden schon früh an das Modell der Bildungsgutscheine heran. Der schwedische Ökonom Gabriel Heller Sahlgren untersuchte die Auswirkungen des seit 1992 implementierten Modells und fasste sie im Buch „Markt für Bildung“ (Edition Liberales Institut) so zusammen: „Es wurde verdeutlicht, dass die Sorge, wonach das Gewinn-Motiv in der Bildung für den Bildungserfolg schädlich sein könnte, einer empirischen Prüfung nicht standhält. Zudem zeigen die Ergebnisse auf, dass Schüler mit nachteiligem sozioökonomischem Hintergrund am meisten von profitorientierten Privatschulen profitieren, während alle anderen Schüler ebenfalls profitieren.“


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