05. August 2025 18:00

Freiheit der Popkultur Für ein paar Dollar mehr

Leone gibt den Figuren die Zeit, die sie brauchen, um Charaktere zu werden.

von Sascha Blöcker drucken

KI-generiertes Filmplakat "Für ein paar Dollar mehr"
Bildquelle: KI: ChatGPT KI-generiertes Filmplakat "Für ein paar Dollar mehr"

Ein Meilenstein des Italo-Westerns, „Für ein paar Dollar mehr“ (im Original: Per qualche dollaro in più, 1965), ist der zweite Teil der sogenannten „Dollar-Trilogie“ von Regisseur Sergio Leone, die das Genre des Italo-Westerns nachhaltig prägte. Der Film, der zwischen „Für eine Handvoll Dollar“ (1964) und „Zwei glorreiche Halunken“ (1966) entstand, gilt als eines der herausragendsten Werke Leones und als ein Klassiker des Western-Genres. Mit seiner innovativen Regie, den unvergesslichen Charakteren, der ikonischen Musik von Ennio Morricone und seiner stilisierten Darstellung von Moral und Gewalt setzte der Film neue Maßstäbe. Aber kann er bei seinem Vorgänger mithalten? „Für eine Handvoll Dollar“ hat das Kino verändert, hat Western verändert und hat den Helden auf der Leinwand verändert. Die Fußstapfen sind also riesengroß, und da er eine Fortsetzung ist, wiederholen sich auch in diesem Artikel, der ebenfalls eine Fortsetzung ist, ein paar Dinge rund um die Produktion und Hintergrundinformationen. 

Handlung 

Die Handlung von „Für ein paar Dollar mehr“ dreht sich um zwei Kopfgeldjäger, die zunächst als Rivalen, später als ungleiche Partner agieren, um eine berüchtigte Verbrecherbande zu jagen. Die Geschichte spielt im Wilden Westen, genauer gesagt in New Mexico, und ist durchzogen von Intrigen, Verrat und einem Hauch von Rache. Der Film beginnt mit einer ikonischen Szene, in der ein einsamer Reiter von einem Scharfschützen aus der Ferne erschossen wird – eine Sequenz, die sofort die tödliche Präzision und die raue Atmosphäre des Films etabliert. Danach werden die beiden Protagonisten vorgestellt: der Mann ohne Namen (gespielt von Clint Eastwood), ein lakonischer, zigarillorauchender Kopfgeldjäger, und Colonel Douglas Mortimer (Lee Van Cleef), ein älterer, disziplinierter Ex-Soldat und ebenfalls Kopfgeldjäger mit einem persönlichen Motiv. Beide Männer verfolgen unabhängig voneinander die Bande des skrupellosen Banditen El Indio (Gian Maria Volonté), eines der meistgesuchten Verbrecher des Westens, auf dessen Kopf eine hohe Belohnung ausgesetzt ist. Die Handlung entwickelt sich, als die beiden Kopfgeldjäger erkennen, dass sie nur gemeinsam eine Chance haben, El Indio und seine Bande zu stellen. Der Mann ohne Namen infiltriert die Bande, während Mortimer von außen agiert. Die Spannung steigt, als El Indios Plan, die Bank von El Paso zu überfallen, enthüllt wird – ein Überfall, der als einer der spektakulärsten Momente des Films gilt. Parallel dazu wird Mortimers persönliche Verbindung zu El Indio durch Rückblenden enthüllt: El Indio hat in der Vergangenheit eine schreckliche Tat begangen, die Mortimer antreibt, Rache zu suchen. Die Handlung kulminiert in einem dramatischen Showdown, der zu den bekanntesten Szenen des Western-Genres gehört. In einem Duell, das durch Ennio Morricones Musik und Leones meisterhafte Regie unvergesslich wird, stehen sich die Protagonisten und El Indio gegenüber. Der Film endet mit einer melancholischen Note, die die moralische Ambivalenz der Charaktere und die Einsamkeit des Kopfgeldjäger-Lebens unterstreicht. 

Charaktere 

Die Charaktere in „Für ein paar Dollar mehr“ sind komplex und vielschichtig, was sie von den oft eindimensionalen Figuren klassischer Hollywood-Western abhebt.

  • Der Mann ohne Namen (Clint Eastwood): Eastwood kehrt in seiner ikonischen Rolle zurück, die er bereits in „Für eine Handvoll Dollar“ spielte. Sein Charakter ist ein Antiheld – schweigsam, zynisch und von einer kühlen Pragmatik geprägt. Sein Poncho, sein Zigarillo und sein scharfer Blick wurden zu Markenzeichen, die ihn zur Ikone des Italo-Westerns machten. Im Film bleibt seine Hintergrundgeschichte jedoch weitgehend im Dunkeln. Wir bekommen nur kleine Häppchen und werden einfach von ihm gefesselt (wie der alte Mann im Telegrafenamt).
  • Colonel Douglas Mortimer (Lee Van Cleef): Lee Van Cleef liefert eine ebenso eindrucksvolle Leistung als Mortimer, der eine elegantere, aber ebenso tödliche Präsenz ausstrahlt. Seine Figur bringt eine tiefere emotionale Ebene in den Film, da seine Jagd nach El Indio von einem persönlichen Trauma motiviert ist. Mortimer ist methodisch, gebildet und ein Meisterschütze, was ihn zu einem perfekten Gegenpart zum Mann ohne Namen macht.
  • El Indio (Gian Maria Volonté): Der Antagonist des Films ist ein charismatischer, aber zutiefst gestörter Verbrecher. Volonté verleiht der Figur eine Mischung aus Wahnsinn, Grausamkeit und Melancholie, die durch Rückblenden verstärkt wird. El Indio ist nicht nur ein gewöhnlicher Bandit, sondern ein komplexer Bösewicht mit einer tragischen Vergangenheit, die ihn menschlicher, aber nicht weniger gefährlich macht.

Die Dynamik zwischen diesen drei Figuren – insbesondere die Spannung und das gegenseitige Misstrauen zwischen den beiden Kopfgeldjägern – trägt wesentlich zur Faszination des Films bei. Die Nebenfiguren, wie die Mitglieder von El Indios Bande, sind ebenfalls gut ausgearbeitet und fügen der Geschichte zusätzliche Tiefe hinzu. Kaum jemand in diesem Film ist uns egal oder gleichgültig. Leone gibt den Figuren die Zeit, die sie brauchen, um Charaktere zu werden. 

So muss ein Charakter weiterentwickelt werden. 

Nach anfänglichem Misstrauen und einer Reihe von Konfrontationen – darunter eine berühmte Szene, in der Manco und Mortimer ihre Schießkünste messen, indem sie auf den Hut des jeweils anderen schießen – erkennen die beiden Kopfgeldjäger, dass sie gemeinsam eine größere Chance gegen El Indio haben. Diese Szene zeigt mir übrigens alles, was ich von Film will, denn zunächst schießt Manco auf Mortimers Hut. Mortimer lässt Manco aber ganz bewusst immer wieder auf seinen Hut schießen, denn so findet er heraus, auf welche Distanz dieser zielsicher ist. Diese Handlungsweise wird uns aber nicht hinterher in einem Dialog erklärt, niemand nimmt mich an die Hand, um mir diesen Aspekt zu zeigen. Nein, entweder sehe ich es oder mir entgeht ein großartiger Moment, der mir Mortimers Besonnenheit und Geduld klug präsentiert. 

Produktion 

„Für ein paar Dollar mehr“ wurde in Italien und Spanien gedreht, wobei die kargen Landschaften der spanischen Wüste von Almería als Kulisse für den Wilden Westen dienten. Mit einem Budget von etwa 600.000 US-Dollar war der Film deutlich ambitionierter als sein Vorgänger, was sich in den aufwendigeren Sets, den detaillierten Kostümen und der größeren Anzahl an Statisten zeigte. Sergio Leone, der bereits mit „Für eine Handvoll Dollar“ das Western-Genre revolutioniert hatte, verfeinerte in diesem Film seinen Stil. Seine Markenzeichen – lange Einstellungen, extreme Nahaufnahmen von Gesichtern, dramatische Kamerafahrten und ein opernhafter Inszenierungsstil – sind hier voll ausgeprägt. Leone arbeitete erneut mit Ennio Morricone zusammen, dessen Soundtrack den Film maßgeblich prägte. Die Musik, insbesondere das Thema mit der Spieluhr, das im finalen Duell eine zentrale Rolle spielt, ist ein Paradebeispiel für Morricones Fähigkeit, Emotionen und Spannung durch Klang zu verstärken. Die Besetzung war ein weiterer Glücksgriff. Clint Eastwood, der nach dem Erfolg des ersten Films in Italien zum Star avancierte, festigte seinen Status als Western-Ikone. Lee Van Cleef, der zuvor hauptsächlich in kleineren Rollen in Hollywood-Westerns aufgetreten war, erhielt durch Leone die Chance, sein Talent als charismatischer Darsteller zu zeigen. Gian Maria Volonté, ein italienischer Theater- und Filmschauspieler, brachte eine intensive, fast shakespearehafte Qualität in die Rolle des El Indio. 

Filmische Besonderheiten 

„Für ein paar Dollar mehr“ zeichnet sich durch mehrere Elemente aus, die ihn von traditionellen Western abheben: 

Erstens: Visueller Stil: Leones Regie ist geprägt von einem einzigartigen Sinn für Raum und Zeit. Die langen, spannungsgeladenen Einstellungen, die oft ohne Dialog auskommen, lassen den Zuschauer die Atmosphäre förmlich spüren. Besonders die Nahaufnahmen der Augen der Charaktere – ein Markenzeichen Leones – verstärken die Intensität der Konfrontationen. 

Zweitens: Musik: Ennio Morricones Soundtrack ist nicht nur ein Begleitmedium, sondern ein integraler Bestandteil der Erzählung. Die Verwendung der Spieluhr als wiederkehrendes Motiv verknüpft die Handlung mit der emotionalen Tiefe der Charaktere und kulminiert im finalen Duell. 

Drittens: Moralische Ambiguität: Im Gegensatz zu den klaren Gut-gegen-Böse-Narrativen klassischer Western sind die Charaktere in Leones Film moralisch zwiespältig. Der Mann ohne Namen handelt aus Eigeninteresse, Mortimer aus Rache, und selbst El Indio zeigt Momente von Verletzlichkeit. Diese Grauzonen machen den Film zeitlos und universell. 

Viertens: Gewalt und Realismus: Der Film zeigt Gewalt auf eine Weise, die gleichzeitig stilisiert und brutal wirkt. Anders als in Hollywood-Westerns ist die Gewalt hier schmutzig und konsequent, was dem Italo-Western seinen rauen Charakter verleiht. 

Kultureller Einfluss 

„Für ein paar Dollar mehr“ festigte den Italo-Western als eigenständiges Genre und machte Sergio Leone zu einem der einflussreichsten Regisseure seiner Zeit. Der Film beeinflusste zahlreiche Filmemacher, darunter wieder Quentin Tarantino, der Leones Stil in Werken wie „Kill Bill“ oder „Django Unchained“ aufgriff und deutlich verschlechterte. (Tarantino ist einfach kein Leone. Quentin hat eigene Stärken, aber die Imitation des Großmeisters wollte ihm nie wirklich gelingen.) Die Figur des Mannes ohne Namen wurde zum Archetyp des schweigsamen Antihelden, der in unzähligen Filmen und Serien nachgeahmt wurde. Der Erfolg des Films trug auch dazu bei, dass Clint Eastwood zum internationalen Star wurde. Seine Darstellung des Mannes ohne Namen prägte das Bild des Western-Helden nachhaltig. Ebenso etablierte sich Lee Van Cleef als charismatischer Schauspieler, der in späteren Western oft als Antagonist oder zwielichtiger Charakter besetzt wurde. Der Film war auch kommerziell ein großer Erfolg. In Italien und Europa zog er ein großes Publikum an, und selbst in den USA, wo Italo-Western zunächst skeptisch betrachtet wurden, entwickelte er sich zum Kultklassiker. Die „Dollar-Trilogie“ insgesamt machte den Italo-Western zu einem globalen Phänomen und zeigte, dass europäische Filmemacher das amerikanische Genre neu interpretieren konnten. 

Fazit 

„Für ein paar Dollar mehr“ ist mehr als nur ein Western – es ist ein künstlerisches Statement, das die Möglichkeiten des Genres neu definierte. Mit seiner meisterhaften Regie, den unvergesslichen Charakteren, Ennio Morricones ikonischem Soundtrack und seiner moralischen Komplexität bleibt der Film ein zeitloses Werk, das sowohl Fans des Western-Genres als auch Cineasten begeistert. Sergio Leone schuf mit diesem Film nicht nur einen Klassiker, sondern ein Vermächtnis, das die Filmwelt bis heute prägt. Wer den Italo-Western verstehen will, kommt an „Für ein paar Dollar mehr“ nicht vorbei. Das Traurige an dem Film ist, dass er zwischen seinem Vorgänger und Nachfolger ein wenig klein wirkt. Nicht weil er nicht gut wäre oder nur durchschnittlich. Nein, es liegt daran, dass die beiden anderen so brillant sind, dass sie bis heute zu den bedeutendsten Filmen überhaupt gehören. Auf die Frage, ob er bei seinen Vorgängern mithalten kann, antworte ich: „Ja, aber mit leichten Abstrichen.“ Es ist nicht mehr so neu wie noch beim ersten Teil, aber die Geschichte und die Charaktere machen ihn zu einem Film, den man gesehen haben muss, und zwar bei ausgeschaltetem Handy! 

Die Dollar-Trilogie ist eine der besten Trilogien überhaupt und muss auch den Vergleich zu Filmen wie „Der Herr der Ringe“ nicht fürchten. Ich hatte beim Wiederansehen wahnsinnig viel Spaß und kann ihn Ihnen nur ans Herz legen und wärmstens empfehlen.


Sie schätzen diesen Artikel? Die Freiheitsfunken sollen auch in Zukunft frei zugänglich erscheinen und immer heller und breiter sprühen. Die Sichtbarkeit ohne Bezahlschranken ist uns wichtig. Deshalb sind wir auf Ihre Hilfe angewiesen. Freiheit gibt es nicht geschenkt. Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit.

PayPal Überweisung Bitcoin und Monero


Kennen Sie schon unseren Newsletter? Hier geht es zur Anmeldung.

Artikel bewerten

Artikel teilen

Kommentare

Die Kommentarfunktion (lesen und schreiben) steht exklusiv nur registrierten Benutzern zur Verfügung.

Wenn Sie bereits ein Benutzerkonto haben, melden Sie sich bitte an. Wenn Sie noch kein Benutzerkonto haben, können Sie sich mit dem Registrierungsformular ein kostenloses Konto erstellen.