Freiheit in der Popkultur: Halloween von 2007
Der klassische Mörder, der mit einem Messer bewaffnet Morde begeht, ist heut ja schon fast eine Traumvorstellung.
Halloween von 2007 wird von vielen gehasst, und ich glaube, das gehört dazu, wenn man sich einen echten und zeitlosen Klassiker vornimmt. Aber wenn das Studio ein Remake will, dann wird es eines bekommen, und in 99,9 Prozent der Fälle bekommt man denselben Film nochmal, aber in viel schlechter. Rob Zombie ist hier meiner bescheidenen Meinung nach etwas geschickter vorgegangen. Wie? Das erkläre ich gleich, allerdings ist mir beim erneuten Ansehen etwas aufgefallen, das mich mehr schockiert hat als der Film selbst, und das hat logischerweise mit der aktuellen Lage in Deutschland zu tun. Denn der klassische Mörder, der mit einem Messer bewaffnet Morde begeht, ist heute ja schon fast eine Traumvorstellung.
Der erste Akt: Michael Myers’ Ursprung
Rob Zombie hat mit Halloween (Extended Cut: 121 Minuten) einen sehr schön erzählten Drei-Akt geschaffen. Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass der dritte Akt der Halloween-Film ist, den wir von John Carpenter aus dem Jahr 1978 kennen. Der erste Akt konzentriert sich auf Michael Myers und sein familiäres Umfeld. Und ach du Kacke, ist das eine wilde Familie. Es ist die Klischee-White-Trash-Familie schlechthin. Von der alleinerziehenden Stripper-Mama, die auch hier und da weitreichendere Dienste als Tanzen anbietet, über die Dorfmatratzen-Schwester hin zum arbeitslosen Alkoholiker-Freund der Mutter. Halloween stellt uns hier vor eine explosive Mischung. Auf der einen Seite ist Michael Myers ein Psychopath, wahrscheinlich angeboren, wie zum Beispiel bei Ted Bundy, der ja in einer Vorzeigefamilie großgeworden ist. Auf der anderen Seite wird der Psychopath Michael Myers aber auch noch in einem Umfeld groß, aus dem tendenziell psychisch gesunde Menschen auch häufiger zu Mördern werden. Michael Myers wächst also mit doppelter Vorbelastung heran, und ich finde besonders diesen Aspekt des Films faszinierend. Muss aber an dieser Stelle auch gleich meine erste Rüge aussprechen, denn ich weiß, was Rob Zombie mir zeigen will, aber er geht meines Erachtens nach nicht all in.
Was meine ich damit? Die Familie ist kaputt und der Haushalt voller verbaler Gewalt, und ja, auch ich hasse „verbale Gewalt“ im politischen Kontext, und ja, auch ich erachte es als albern. Aber wenn Kinder mit Drohungen und widerwärtig sexualisierten Aussagen konfrontiert sind, Tag ein, Tag aus, dann ist das verbale Gewalt. Nicht, wenn Robert Habeck weinen muss, weil jemand meint, einen Schwachkopf in ihm erkannt zu haben. Rob Zombie gibt Michael Myers also diese Welt, aber ich bin der Meinung, dass dem Film mehr Missbrauch und Verwahrlosung gutgetan hätte. Das klingt jetzt schlimm, aber lasst es mich erklären. Der erste Mord von Michael Myers an einem Menschen, den wir sehen, verwirrt den Zuschauer. Er tötet ein Arschloch, und nur für eine Sekunde sind wir auf seiner Seite, wir versuchen, ihm ein positives Motiv unterzujubeln. Wir tun das nicht für ihn, wir tun das für uns. Wir wollen uns besser fühlen, wir wollen ihn verstehen. Umso besser ist es, wenn Michael Myers dann, wie im Original, seine ganze Familie abschlachtet, wo wir es bei dem einen verstehen, bei den anderen aber nicht. Aber wieder nicht. Wir betrachten den ersten Akt aus der Perspektive von Michael Myers, und eigentlich ist es für den Zuschauer wichtig, diese Figur im Fokus nachempfinden zu können, aber ich finde es gut, wenn ich das nicht kann, man mich aber zwischendurch glauben lässt, ich könnte es. Und genau das wäre deutlich mehr zum Tragen gekommen, wenn Zombie sich etwas mehr getraut hätte. Der erste Akt endet übrigens da, wo John Carpenter beginnt. Aber der zweite Akt ist auch noch sehr interessant.
Der zweite Akt: Michael Myers in der Irrenanstalt
Der zweite Akt ist schon nicht mehr so stark wie der erste, aber im Extended Cut durchaus interessant. Im Original spricht Michael Myers kein einziges Wort mit Dr. Samuel Loomis. Dieser ist aber dennoch von dessen bösartiger Natur überzeugt. Warum? Wir wissen es nicht. In Halloween von 2007 bekommen wir aber durchaus einen Eindruck, warum das so ist, denn wir begleiten die beiden durch Therapien. Wir begleiten Michael Myers dabei, wie er eine immer tiefere Obsession für Masken entwickelt. Wir erleben, dass weder Dr. Samuel Loomis noch Michaels Mutter noch richtig an ihn drankommen. Er entgleitet Stück für Stück. Er spricht immer weniger, zieht sich immer mehr in sich zurück. Michael Myers’ Kindheit schließt mit dem Mord an einer Krankenschwester, und dann gehen wir in einen Zeitsprung von 15 Jahren. Der Ausbruch ist in Teilen besser und schlechter als im Original. Ich liebe es im Original, wenn Dr. Samuel Loomis mit seinem Auto auf die Irrenanstalt zufährt und die ganzen Verrückten wie Geister draußen im Regen stehen. Der Autodiebstahl von Michael Myers selbst hat mir dann aber etwas weniger gefallen, weil es ihn vermenschlicht. In der Version von 2007 gibt es zwei Versionen: Kinofassung und Extended Cut. Ich finde, der Extended Cut macht es deutlich besser. Was hier noch besonders hervorgehoben gehört, ist, dass Michael Myers während des Ausbruches einen Wärter tötet, der immer gut zu ihm war. Das zahlt ordentlich auf den Charakter von Michael Myers ein. Der zweite Akt endet damit, dass wir sehen, wie Michael Myers an seinen Overall kommt.
Der dritte Akt: Das Remake beginnt
Erst der dritte Akt macht uns deutlich, dass wir es mit einem Remake zu tun haben, und das finde ich gut, denn es gibt nichts zu verbessern an John Carpenters Halloween, und um ganz ehrlich zu sein, hätte ich mir zwanzig Minuten mehr Michael Myers als Kind gewünscht und die eigentliche Geschichte unberührt gelassen. Als Rob Zombie die Möglichkeit bekommen hat, einen Halloween zu machen, da tat er, was sich in Hollywood gehört. Er fragte John Carpenter um Erlaubnis. Dieser gab sie ihm und ergänzte um: „Mach dein eigenes Ding.“ Das macht er im dritten Akt aber nur noch sehr bedingt. Er erzählt eigentlich Halloween nach, nur in blutiger und mit mehr „Bahr-Busigkeit“. Der dritte Akt ist aber als Horrorfilm völlig in Ordnung, nur verkümmert er im gewaltigen Schatten des Originals.
Fazit
Ich wollte unbedingt mal über Halloween von 07 schreiben, da er häufig sehr hart angegangen wird. Also habe ich ihn mir angemacht und voller Vorfreude auf die Abenteuer vom kleinen Michael gewartet. Nachdem dieser dann aber im Film seine Familie abgeschlachtet hat und ein Nachrichtensprecher verkündet, wie brutal und ungewöhnlich dieses Verbrechen sei, da wurde ich aus der Erosion gerissen. Wir leben in Europa, einem Kontinent, auf dem es schon fast Normalität ist, dass Einwanderer mit Messern in Kinderwägen stechen, um Babys und Kleinkinder abzuschlachten. Michael Myers tut den ganzen Film über nichts, das auch nur im Ansatz an den Alltag in Europa heranreicht. Will ich damit sagen, dass man mit derlei Filmen keinen Spaß mehr haben kann oder sollte? Nein, aber sie wirken halt nicht mehr so wie 2007, denn was damals undenkbar war, ist heute die Schlagzeile jeder Zeitung, und das nicht nur an Halloween und an Freitag, dem Dreizehnten. Aber zurück zum Film, denn Film soll eine der Dinge bleiben, die der Staat mir nicht kaputtmacht. Ich halte Halloween 2007 für absolut gelungen. Wir sind weit weg von einem perfekten Film, auch glaube ich nicht, dass er mal ein Klassiker sein wird wie das Original, aber er ist sehenswert. Ich empfehle ihn allerdings mit einem kleinen Augenzwinkern.
Kommentare
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