20. August 2025 14:00

Ukraine-Krieg Traum und Wirklichkeit

Was sein sollte und was tatsächlich ist

von Andreas Tögel drucken

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Bildquelle: miss.cabul / Shutterstock Nach Alaska-Gipfel: Wie geht es nun weiter?

Zum Zeitpunkt, da dieser Beitrag geschrieben wird, ist noch nicht klar, was die Verhandlungen zwischen den Präsidenten Trump, Putin, Selenskyj und den europäischen Vasallen der USA im Hinblick auf einen Friedensschluss in der Ukraine ergeben werden. In den zurückliegenden Tagen haben allerdings viele militärisch unbedarfte Couchstrategen, die meinen, ihren Senf zur Causa absondern zu müssen, mit ihren moraltriefenden Statements geglänzt. Der Tenor dieser Einlassungen lautete:

  • Der Kriegsverbrecher Putin darf nicht ungestraft mit seiner Beute davonkommen
  • Mit dem Essen kommt der Appetit – bald könnten Russenpanzer durch Berlin rollen
  • Die territoriale Integrität der Ukraine darf nicht angetastet werden und die künftigen Grenzen der Ukraine müssen denjenigen vor der Okkupation der Krim entsprechen
  • Staatsgrenzen dürfen nicht durch den Einsatz militärischer Mittel verändert werden
  • Völkerrechtsverletzungen sind nicht hinnehmbar
  • Der wirtschaftliche Druck auf die Russen muss bis zu ihrem Abzug aus der Ukraine noch weiter erhöht werden

Die Liste erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, spiegelt aber die weit verbreitete Stimmungslage unter Politikern der Systemparteien und der Hauptstromjournaille wider. Im Fokus stehen nicht ihre Beurteilung der Gegebenheiten und das, was realistischerweise zu erreichen ist, sondern das, was unter in Wolkenkuckucksheim herrschenden Bedingungen sein sollte. Der Kontrast zwischen Traum und Wirklichkeit könnte nicht größer sein. Der Reihe nach:

Wer den Täter nicht mit seiner Beute davonlaufen sehen will, muss über die Mittel verfügen, sie ihm wieder abzujagen. Das ist ganz offensichtlich nicht der Fall. Wer sollte denn die „territoriale Integrität der Ukraine“, also deren vor der Okkupation der Krim durch Moskau gegebenen Grenzen – mit welchen Mitteln – wiederherstellen? Sachdienlicher Hinweis: Die Bundeswehr verfügt aktuell über weniger als 300 (!) Kampfpanzer. Davon abgesehen, liegt kein Beistandspakt eines Nato-Staates mit der Ukraine vor.

Wenn mit dem Essen der Appetit kommt, dann bedingt das eine erfolgreiche Verdauung. Davon kann aber im Fall des gegenwärtig tobenden Krieges keine Rede sein. Russland hat – nach dreieinhalb Jahren Krieg! – gerade einmal 20 Prozent des Territoriums der Ukraine erobert. Wie sollte es wohl einen erfolgreichen Feldzug gegen die vergleichsweise deutlich stärker gerüsteten europäischen Nato-Staaten führen?

Wer will – mit welchen Mitteln – für die Wiederherstellung der völkerrechtwidrig veränderten Grenzen sorgen? Das gilt natürlich auch für die 2014 von den Russen annektierte Krim. Wer ernsthaft glaubt, die Russen würden diese für sie besonders wichtige „Beute“ (Stichwort Schwarzmeerflottenbasis) je wieder herausrücken, hat jeden Sinn für die Macht des Faktischen verloren.

Wenn Völkerrechtsverletzungen dieser Tage nicht mehr hingenommen werden dürfen, wie verhält es sich dann mit Verstößen in anderen Weltgegenden – beispielsweise in Tibet, in Palästina oder auf den Golanhöhen? Wie war das mit der völkerrechtswidrigen Invasion des Irak durch die USA im Jahr 2003? Was war – kurz vor der Jahrtausendwende – mit der Nato-Intervention auf dem Balkan, die ebenfalls ohne UN-Mandat erfolgt ist? Was war mit dem Massaker an der Tutsi-Minderheit in Ruanda anno 1994? In all diesen Fällen war das Schweigen der ansonsten so lautstarken Moralapostel geradezu ohrenbetäubend.

Wenn Staatsgrenzen nicht gewaltsam verändert werden dürfen, dann hätte ich als Österreicher gerne Südtirol zurück. Und die Deutschen könnten dann auch Ostpreußen, Pommern und Schlesien wieder „heim ins Reich“ holen. Sollte in diesem Zusammenhang auf nach dem Krieg geschlossene „internationale Abkommen“ verwiesen werden, dann läuft allerdings auch der Hinweis auf den in der Verfassung der Ukraine niedergelegten Ausschluss von Gebietsabtretungen ins Leere, denn Papier ist geduldig. Verfassungen können umgeschrieben und angepasst werden.

Nach bisher 18 von der EU gegen Russland verhängten Sanktionspaketen, die faktisch wirkungslos blieben (wenn man von ihren autodestruktiven Konsequenzen einmal absieht), mit der Forderung nach einem 19. Sanktionspaket daherzukommen, mutet an wie ein schlechter Scherz. Es ist, als ob ein Unfallchirurg einen Oberschenkelhalsbruch durch den Einsatz von Franzbranntwein kurieren wollte, und, nachdem die erwünschte Wirkung ausbleibt, die Frequenz der Einreibungen erhöht. Fährt Euro-Land mit dem auch auf anderen Politikfeldern (beispielhaft genannt seien der „Green Deal“ und das „Gender Mainstreaming“) betriebenen Irrsinn fort, könnte seine geopolitische Bedeutung schon bald mit der Vanuatus gleichziehen.    

Ein Glück, dass in Washington derzeit ein Mann das Sagen hat, dem das Hirn nicht durch einen zu langen Aufenthalt in den Sumpfbiotopen der Politik vernebelt wurde, wie das bei vielen der traurigen Figuren an der Spitze europäischer Regierungen und bei der Brüsseler Bonzokratie der Fall ist. Denn die Aktivitäten des „Dealmakers“ Trump bieten zumindest eine Aussicht darauf, dass demnächst Nägel mit Köpfen gemacht werden und das Sterben im Ukraine-Krieg nach dem Motto „Frieden für Land“ zu einem Ende kommt. Die europide Kriegstreiberfront dagegen ist wild entschlossen, in diesem längst verlorenen Krieg bis zum letzten Ukrainer weiterzukämpfen.

Es ist an der Zeit, sich den im August 2025 vorliegenden Tatsachen zu stellen, so schmerzhaft es auch sein mag. Die militärische Lage der Ukraine, die nach dreieinhalb Jahren Abnützungskrieg schwer gezeichnet ist, verschlechtert sich zunehmend. Täglich sterben junge Männer in einem aus Sicht der Ukraine inzwischen aussichtslos gewordenen Waffengang. Ein möglicherweise demütigender Friedensvertrag ist allemal besser als ein sinnloser Krieg!


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