01. November 2022 07:00

Personalprüfung zum Personalmangel Geschlossen wegen Desinteresse

Wie die Jobs auf der Straße liegen und sie niemand mehr will

von David Andres

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Immerhin leuchten die Laternen. Ein goldgelbes, warmes Licht, das den ganzen riesigen Rastplatz erhellt: ein Areal, groß wie zehn Fußballfelder. Hier kann man sich tatsächlich meilenweit die Beine vertreten. Nachdem ich eine Weile spazieren gegangen bin, schreite ich den breiten geschwungenen Weg zum Rasthof selbst hinauf. Er ist beleuchtet, aber seltsam still. Eine Frau überholt mich, offenbar von einer vollen Blase getrieben. Ihr Entsetzen ist still, doch spürbar, als sie an der Eingangstür lesen muss, was auch ich wenig später entziffere: „Wir öffnen morgen um sechs Uhr wieder für Sie.“ Der Rasthof ist geschlossen, vollständig. Das riesige Gebäude, das über den zehn Fußballfeldern thront, hat zu. Wir schreiben gerade einmal 20:59 Uhr.

Zwei Stunden später fahre ich auf einen Autohof. Berlin, das heutige Ziel meiner geschäftlichen Reise mit Übernachtung vor einem terminreichen Tag, rückt näher. Ich halte auf dem Vorplatz eines McDonald’s. Zwei Strahler, die dieses kegelförmige Licht nach unten wie oben abgeben, werten die Fassade auf, können aber nicht davon ablenken, wie viele unabgeräumte Becher und zusammengeknüllte Papiertüten auf dem Mülleimer neben der Eingangsstür stehen. Im Gebäude ist zwar Licht, aber es ist ebenfalls niemand zu sehen. Die beiden Fahrzeuge auf dem Parkplatz könnten schon lange dort stehen. Ich steige aus, gehe zur Tür und erkenne schon von Weitem das Schild. Dieses Mal steht allerdings nicht darauf, dass es morgen früh weitergeht, sondern: „Aufgrund von Personalmangel ist derzeit nur der McDrive geöffnet.“ Ich steige wieder ein, fahre zum Schalter, erwerbe meinen Kaffee, drehe eine Runde ums Gebäude und stelle mich wieder auf den Platz von zuvor.

Die Personalprüfung dieser Woche stellt fest: Es gibt kein Personal mehr. Seit Monaten fällt es mir auf, seit einigen Wochen sogar verstärkt. Ich lege bis zu 50.000 Kilometer mit dem Auto im Jahr zurück und sehe dabei die Realität im Land, von Rasthöfen über Großstadtviertel bis hin zu all den winzigen Dörfern, die man auf den Umgehungen von Staus durchfährt. Und überall steht vermehrt: „Wir suchen …“

Fast-Food-Ketten suchen einfache Servicekräfte, aber auch Auszubildende … wie die Supermärkte, vor allem die Discounter, die große Kampagnen fahren, um junge Menschen in den soliden Beruf des Einzelhandelkaufmanns zu locken. Sie spielen Spots aus, die dafür werben, dass man sich schon am ersten Tag so fühle, als gehöre man schon lange zum Team. Sie buhlen. Sie sind verzweifelt.

Ich sehe Schilder an Baumärkten, an Handwerksbetrieben, sogar an sehr kleinen Steinmetzereien oder Bäckereien, die es weiterhin gibt. Hin und wieder spreche ich mit Leuten, höre, woran es liegt, was da los ist, wie eine Wirtschaftskrise und ein Überangebot an Jobs zusammenpassen. Ein Mann – ich lasse jeden Hinweis auf Ort und Branche weg – fasste es gut zusammen. Der Welt der einfachen Jobs, aber sogar die der grundsoliden Ausbildungen „werden systematisch die Leute geklaut“. Weiter meinte er: „Wer fähig ist, sich Anträge ausfüllen zu lassen, und darüber hinaus unfallfrei die Zeugung hinbekommen hat, holt sich spätestens jetzt direkt das neue Bürgergeld samt Kindergeld und Warmmiete von Vater Staat.“ Flüchtlinge mit unklarem Status hingegen, die durchaus derlei Jobs annehmen würden, „dürfen nicht arbeiten“ und bekämen von ihren Idolen in Rap und Halbwelt vorgelebt, wie viel Kohle sich abseits der Legalität machen lase. Wer hingegen als Migrant arbeiten dürfe, erweise sich häufig als überaus fleißig, anpassungsfähig, neugierig und aufstiegswillig. Er selbst habe Teamleiter bei sich, die vor sechs Jahren noch mittelllose Einwanderer ohne Sprachkenntnisse gewesen seien. „Die deutschen Kinder aus der unteren bis mittleren Mittelschicht hingegen“, die seien sich selbst nur als Nebenjob „zu fein“ für die Fritteuse oder das Regallager, „die ganze Wirtschaft an sich widert sie an“.

Ich notiere meine Gedanken, es wird halb elf, beim McDonald’s gegenüber erlischt das rechte Kegellicht.


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