22. Februar 2024 07:00

Geldpolitik Können Zentralbanken die Gesamtwirtschaft feinregeln?

Die Gefahren des „Geldsozialismus‘“

von Olivier Kessler

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Bildquelle: Sergii Figurnyi / Shutterstock Europäische Zentralbank: Residiert seit 2015 in Frankfurt am Main

Hinter den meisten geldpolitischen Konzepten, die von der Notwendigkeit einer Zentralbank ausgehen, steckt die unausgesprochene Annahme, dass eine Zentralbank im Grunde genommen allwissend sei, weil sie sich die nötigen Informationen zur Bestimmung der optimalen Geldmenge und des optimalen Zinses schon irgendwie beschaffen könne.

Doch diverse Faktoren machen es unmöglich, die ideale Menge an Geld oder den richtigen Zins von oben herab zu verordnen und diese Größen laufend den wechselnden Gegebenheiten, menschlichen Bedürfnissen, unternehmerischen Entdeckungen und neuen Technologien anzupassen. Das liegt am Wesen des Wissens, über das Zentralbanken für ihr „Feintuning“ der Geldmenge und des Zinssatzes verfügen müssten. Denn dabei handelt es sich nicht ausschließlich um wissenschaftliches oder technisches Wissen, das anhand von Studien oder Untersuchungen erhoben werden könnte. Auch geht es nicht ausschließlich um zentralisierbares und explizites Wissen. Vielmehr müsste die Zentralbank zur unmittelbaren Anpassung der optimalen Geldmenge und der Zinsen über die folgenden Arten des Wissens verfügen:

-Subjektives Wissen praktischen Typs: Gemeint ist eine Art des Wissens, das nicht auf eine formale Weise dargestellt werden kann, weil es sich um ein einzelnes Subjekt handelt, das sich dieses Wissen durch die Praxis im jeweiligen Kontext aneignet.

-Privates Wissen: Jeder Mensch verfügt nur über einen winzigen Bruchteil derjenigen Informationen, die global in sozialer Interaktion produziert und übermittelt werden. Jedoch besitzt der Einzelne Informationen, die nur er kennt und bewusst interpretiert. Jeder Mensch tätigt seine Handlungen daher auf eine persönliche Art und Weise, die sich nicht wiederholen lässt.

  • Verstreutes Wissen: Weil ein Großteil des Wissens privater und persönlicher Natur ist, ergibt sich daraus, dass Wissen verstreut sein muss und nicht auf einer Art zentralen Festplatte abgespeichert werden kann.
  • Stillschweigendes Wissen: Auch handelt es sich oftmals um Wissen (Know-how), das meist nicht artikulierbar ist. Wer beispielsweise das Fahrradfahren lernt, lernt dies nicht anhand von wissenschaftlichen physikalischen Formeln, sondern anhand einer Reihe praktischer Verhaltensregeln.
  • Wissen, das durch unternehmerisches Handeln „ex nihilo“ erst geschaffen wird: Unternehmerisches Handeln schafft neue Informationen, die es vorher nicht gegeben hat. Ein Beispiel dafür ist die Entdeckung einer besseren Produktionsmethode, die einen anderen Rohstoff als bisher notwendig macht. Dadurch wird die Nachfrage nach diesem Rohstoff und damit auch dessen Preis erhöht. Die anderen Marktteilnehmer werden in der Folge diesen Rohstoff ebenfalls mehr wertschätzen, ihn vermehrt abbauen, horten und pflegen. Diese Informationen werden auf dem Markt via Preise übermittelt. Die freie Preisbildung jenseits der staatsinterventionistischen Manipulation und die Übermittlung der Informationen auf freien Märkten sind Voraussetzungen dafür, dass Akteure in Abhängigkeit der Bedürfnisse anderer handeln.

Diese Arten des Wissens lassen sich unmöglich von einer Behörde wie einer Zentralbank erheben, sammeln und auswerten. Und doch wären diese Informationen für das politische „Feintuning“ der Geldmenge und des Zinsniveaus unabdingbar. Daher müssen Zentralbanken auf Indikatoren zurückgreifen, die den Schein einer Kontrollierbarkeit erzeugen, bisher aber nie eine Krise oder schwerwiegende geldpolitische Fehler verhindert haben.

Die vom Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek beschriebene „Anmaßung von Wissen“ bei jedem politischen Zentralplaner gleicht einem Tasten im Dunkeln und führt zu einer Verzerrung der Märkte und zu einer Fehlallokation von Ressourcen. Indem der Gesetzgeber – wenn auch nur partiell – den Wettbewerb der möglichen Geldanbieter und die Wahlfreiheit der Bürger unterdrückt, ist es Bürgern nicht mehr möglich, ihre tatsächliche Nachfrage zum Ausdruck zu bringen, wie das auf freien Märkten der Fall wäre. In einer freien Marktwirtschaft übermitteln diese Willensäußerungen kontinuierlich Informationen im Wirtschaftssystem – vor allem mittels Zins- und Preissignalen – und tragen zur optimalen Bedürfnisbefriedigung bei.

Weil die Zentralbanken die Zinsen vom natürlichen Niveau wegmanipulieren, werden falsche Signale an Sparer und Investoren ausgesendet. Im Fall einer expansiven Geldpolitik wird in der Konsequenz in Wirtschaftszweige und Unternehmen investiert, die an den wahren Bedürfnissen der Menschen vorbeiproduzieren. Spätestens bei kommenden Korrekturen an den Märkten werden diese Fehlinvestitionen offensichtlich, müssen abgeschrieben werden, können dadurch negative Kettenreaktionen auslösen und führen deshalb zu wiederkehrenden Wirtschaftskrisen. Solche Krisen wären jedoch Schritte hin zur Gesundung der zerrütteten Wirtschaftsstruktur, weil sich die Produktion so wieder an die effektive Nachfrage annähern würde. Die Heilungsprozesse mit immer gigantischer Geldschöpfung und Tiefstzinsen zu bekämpfen, bedeutet, den Patienten mit aller Kraft daran zu hindern, wieder gesund zu werden.

Das Ironische dabei ist, dass sich die „Währungshüter“ bei jeder Krise als Feuerlöscher aufspielen, obwohl sie den Brand durch ihre riskanten geldpolitischen Interventionen selbst gelegt haben. Und die Schuld wird zuverlässig und dennoch zu Unrecht der liberalen Marktwirtschaft und einer zu laschen Regulierung in die Schuhe geschoben.

Zentralbanken haben jedoch wenig mit „Kapitalismus“ zu tun. Sie sind politisch eingeführte planwirtschaftliche Monopolanstalten und als solche strukturell suboptimal und besonders fehleranfällig. Sie verpflichten alle Bewohner zur Verwendung ihrer mittlerweile von realen Werten entkoppelten Papierwährungen – etwa durch einen gesetzlich verordneten Annahmezwang. Die für die Marktwirtschaft so zentrale Vertrags- und Wahlfreiheit der Menschen wird hier bei einem der wichtigsten Güter überhaupt – beim Tauschmittel – außer Kraft gesetzt.

Das Angebot dieses „gesetzlichen Zahlungsmittels“ – die Geldmenge – wird zudem von der Zentralbank selbst festgelegt. Ebenso folgen die Preise des Geldverleihs – die Zinsen – zentralplanerischen Vorgaben. Von einer freien Preisbildung auf freien Märkten kann also keine Rede sein. Weit mehr als der Ausdruck des „Finanzmarkt-Kapitalismus“ trifft es der vom Ökonomen Roland Baader geprägte Begriff des „Geldsozialismus“.

Nur freie Märkte ermöglichen die Übermittlung sozialer Informationen von einem Akteur auf andere, wobei Marktpreise eine entscheidende Rolle bei diesem Wissensaustausch spielen. Jede Zentralbank-Intervention in freie Märkte behindert diesen Prozess und hemmt damit einerseits die gesellschaftliche Koordination und Wohlstandsbildung und verursacht andererseits wiederkehrende Finanz- und Wirtschaftskrisen.


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