Schützenhilfe durch: Marcel Kay: Das woke Väterchen mit der Plüsch-Schleife
Wie ein wandlungsfähiger Satiriker in den sozialen Medien den Zeitgeist aufs Korn nimmt
von David Andres
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Das hat er sicher nicht geplant. Das konnte er ja nicht ahnen. Doch seit die Innenministerin gemeinsam mit ihren angeschlossenen Exekutivgestalten kürzlich verkündet hat, dass fortan sogar „die Verhöhnung des Staates“ ernste Konsequenzen hat und das „weit unter der Strafbarkeitsschwelle“, braucht es für den Alltag neue Lösungen. Andere Wege, um sich voller beißendem Spott zu äußern. Zum Beispiel den, sich nicht über „den Staat“ – also die derzeitige, narzisstisch gestörte Regierung, die sich mit ihm gleichsetzt – lustig zu machen, sondern über den Zeitgeist. Das wurde noch nicht verboten, denn der Zeitgeist selber kann ja nicht sprechen und einen „Zeitgeistschutz“ mit treuem Präsidenten und V-Leuten einsetzen. Und einer, der sich ganz hervorragend über den Zeitgeist lustig macht, ist Marcel Kay.
In seinem Profil bei Instagram nennt sich der Mann einfach nur nüchtern „Video-Creator“. Nicht libertär, liberal, freiheitlich, anarchistisch. Auch nicht, was passen würde, „anti-woke“ oder „politically incorrect“. Nein, einfach nur „Video Creator“. Das macht seine Nummern anschlussfähig für den unbedarften Konsumenten, auch wenn „unsereins“ schon nach wenigen Sekunden merkt, in welche Richtung der Hase läuft und dass sich hier mit ganz harmloser Attitüde der böseste Spott entfaltet, dem man dem woken Zeitgeist überhaupt nur entgegenschleudern kann.
Eine seiner Paraderollen ist der Vater von heute, mit affektierter Stimme irgendwo zwischen feminin und spätem Hippie-Stuhlkreis, den alles „hart triggert“, der seinen Sohn „Sören-Merlin“ nennt und der vegane Kinderbücher wie „Wo ist die Möhre?“ in der „Friss-Wiese-Edition“ herausgibt, sogar in der „Divers“-Edition als „m/w/d“-Fassung unter dem Titel „Wo ist das Strichmänn/innen?“. Bei seinen urkomischen Monologen und Dialogen mit seiner gespielten Frau (deren Darstellerin sich das Lachen oftmals nicht verkneifen kann und dies daraufhin ungeschnitten drin bleib) trägt er als optisches Schlüsselmerkmal seiner Figur eine groteske Schleife aus Plüsch. Vater und Mutter nennt er in der KITA „das zeugende und gebärende Elternteil“.
Ebenfalls urkomisch und Beleg seines Talents wie seiner Wandlungsfähigkeit sind die Sketche, in denen er den woken Schneeflockenvater von heute mit dem rauchenden, hemdsärmlig krakeelenden Vatta der Neunziger kontrastiert. Die Kippe stets im Mundwinkel und ärmellose T-Shirts von Plus oder Schlecker auf dem hageren Leib, wandelt sich die Stimme direkt zum derben Ruhrgebietsdialekt. Sogar ein Spruch und ein T-Shirt in der Tradition des neueren Mario Barth ging kürzlich daraus hervor: „Ich gender nicht! Ich duze!“
Eine dritte Kategorie seiner Clips, die längst das Zehnfache der bislang 15.700 Follower auf Instagram und der 74.100 auf TikTok verdient hätten, besteht in völlig verschiedenen Rollen, mit denen er die Erfindung stets neuer Opfer-Identitäten oder die narzisstische Hysterie der heutigen Zeitgenossen auf die Schippe nimmt. Zum Beispiel den armen Tobias Gestock, der klagt: "Ich bin eingeschränkt, ich laufe beim Gehen.“ Oder den „Zauberer“ Jesus C. aus Wanne-Eickel, der im Löffel der Buchstabensuppe seiner Frau die Kombination T-O-M findet und sich daher sicher ist, dass er sie betrügt.
Wer also seine Verwandten und Bekannten über das trojanische Pferd scheinbar bloß gekonnt alberner Comedy die derbste Satire gegen den Zeitgeist weiterleiten möchte, dem sei der Schützenhelfer Marcel Kay hiermit wärmstens empfohlen.
Quellen:
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