18. Mai 2024 10:00

Politik Das beste Wahlkampfvideo für Trump kommt aus dem Biden-Lager

Bidens oberster Wirtschaftsberater hat keine Ahnung, wie Geld und Staatsschulden funktionieren

von Karl-Friedrich Israel

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Bildquelle: Flickr Jared Bernstein: Als Jazzmusiker geradezu prädestiniert für den Job als Wirtschaftsberater …

In den vergangenen Monaten wurde ein Dokumentarfilm unter dem Titel „Finding the Money“ über die sogenannte „moderne Geltheorie“ („modern monetary theory“ oder MMT) gedreht und zum ersten Mal öffentlich ausgestrahlt. Nichts an dieser Theorie verdient das Prädikat modern. Nichts an ihr ist neu. Sie ist eine Anhäufung von alten Fehlschlüssen, die so manches Geldsystem in der Geschichte der Menschheit in den Ruin getrieben hat. Sie ist alles in allem nicht ernst zu nehmen, abgesehen von ein paar durchaus treffenden Beobachtungen, auf denen ihre Vertreter, wie zum Beispiel Stephanie Kelton, immer wieder herumreiten.

Eine von diesen Beobachtungen ist, dass der Staat beziehungsweise seine Zentralbank tatsächlich neues Geld aus dem Nichts schafft. Das stimmt natürlich. Aus diesem Umstand schlussfolgern die Vertreter der MMT nun, dass Staatsschulden grundsätzlich kein Problem darstellen, denn der Staat kann das Geld ja drucken und deshalb prinzipiell jede nominale Geldschuld begleichen. Auch das ist grundsätzlich richtig. Der Staat könnte prinzipiell das Geld einfach drucken und so seine Schulden begleichen. Praktisch tut er das auch oft auf indirektem Wege. Aber was folgt denn nun daraus? Einige Vertreter der MMT argumentieren, dass man sich über die Höhe der Staatsschulden überhaupt keine Sorgen zu machen brauche und dass die ständigen Warnungen von Ökonomen vor einer Überschuldung unbegründet seien. Sie halten die Schuldbeziehungen, die mit der Geldschöpfung entstehen, für eine unnötige Formalität, die Scheinprobleme erzeuge. Warum leiht sich der Staat das Geld, was er selbst über seine Zentralbank schafft? Kann der Staat das Geld nicht einfach so ausgeben, ohne dass er formal „Schulden“ aufnimmt?

Mit genau dieser Frage wurde Joe Bidens oberster Wirtschaftsberater Jared Bernstein während der Arbeiten für die MMT-Dokumentation konfrontiert. Seine Antwort spricht Bände. Sie ist einerseits schockierend, aber gleichzeitig muss man sich vor Lachen den Bauch halten. Jemand, der auch nur ein bisschen was von der Materie versteht, wird im ersten Moment denken, dass dieses Video nicht echt sein kann. Es ist so skurril, dass man es für ein KI-generiertes Deep Fake halten muss – vermutlich ein Wahlkampfinstrument von Trump. Als solches würde das Video auf einmal Sinn ergeben. Trump hatte schon 2016 eine äußerst erfolgreiche Kampagne über die sozialen Netzwerke durchgeführt und so die Wahl gegen Hillary Clinton gewonnen. Was dieses Video aber wirklich zu einem überragenden Wahlkampfvideo macht, ist der Umstand, dass es keines sein sollte. Es ist kein Deep Fake. Das Video ist echt, wie mir amerikanische Kollegen mehrfach beteuert haben. Das beste „Wahlkampfvideo“ für Trump kommt tatsächlich aus dem Biden-Lager. Das ist wiederum nicht so überraschend, wenn man bedenkt, wie viele peinliche Aussetzer Biden sich selbst schon erlaubt hat. Die Hoffnung war aber immer, dass zumindest seine Berater auf der Höhe des Geschehens sind. Sie sind es nachweislich ebenfalls nicht.  

Jared Bernstein ist Vorsitzender des Council of Economic Advisers, dem Pendant zum deutschen Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung oder, kurz, den Wirtschaftsweisen. Hier würde man geballten Sachverstand zu allen ökonomischen Fragen erwarten, insbesondere zu Fragen, die das Geldsystem betreffen. Sein Wissen über das Geldsystem ragt aber nicht über die Erkenntnis hinaus, dass der Staat „definitiv Geld druckt“. Er weiß auch nicht, wie Staatsanleihen und -schulden funktionieren. Er ist überfordert damit, zu erklären, warum der Staat Geld druckt, sich aber trotzdem verschuldet. Die glorreiche Idee einiger Vertreter der MMT ist nämlich folgende: Wenn der Staat Geld drucken kann, dann braucht er doch keine Schulden aufzunehmen. Er könnte das Geld einfach direkt ausgeben und alles wäre wunderbar.

Natürlich ist das grundsätzlich eine Möglichkeit, wie man es machen könnte. Und in der Tat ist das der Gedanke, auf den die meisten Grundschüler kommen würden, wenn man ihnen ein wenig vom Geldsystem erzählt. Also warum ist in unserem System die Notwendigkeit der Verschuldung innerhalb des Geldschöpfungsprozesses verankert? Die Antwort ist relativ einfach. Ohne diese Notwendigkeit gäbe es, neben zu hoher Inflation, überhaupt keine Anreize, die Geldschöpfung einzudämmen. Es könnte ganz einfach Geld für alle möglichen Dinge geschöpft und ausgegeben werden, ohne dass man sich Gedanken darüber machen müsste, ob das neu geschaffene Geld sinnvoll eingesetzt wird. Hängt am neu geschaffenen Geld aber eine Kreditschuld, dann hat der Schuldner einen Anreiz, sein Geld produktiv einzusetzen, sodass er ein zukünftiges Einkommen generiert, mit dem er den Kredit plus Zinsen zurückzahlen kann. Wenn er sein Geld produktiv einsetzt, wenn also im Endeffekt wirklich mehr reale Güter produziert werden, dann beugt dies gleichzeitig auch der drohenden Preisinflation entgegen. Es gibt viel an dieser Sichtweise zu kritisieren, aber sie ist ein wichtiger Gedanke hinter unserem modernen Geldsystem. Die an Kredit gekoppelte Geldschöpfung soll disziplinieren. Ohne die Kreditschuld wären der Verantwortungslosigkeit Tür und Tor geöffnet.

So oder so ähnlich hätte die Antwort eines Wirtschaftsberaters aussehen können, der seine Stellung verdient hat. Bernstein schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und gibt offen zu, dass er überhaupt keine Ahnung hat, wovon hier überhaupt die Rede ist. Das sei alles verwirrend!

Natürlich ist das Geldsystem verwirrend, insbesondere dann, wenn man sich niemals intensiver mit Ökonomie beschäftigt hat. Ein Blick in Jared Bernsteins Vita ist erhellend. Er studierte nämlich Musik an der Manhattan School of Music und war ein relativ erfolgreicher Jazzmusiker in der New Yorker Szene der 1980er. Außerdem hat er Soziale Arbeit an der Columbia University studiert, wo er sogar ein Doktorat ablegte. Er gilt als vehementer und progressiver Verteidiger der Arbeiterklasse. Anscheinend ist das die Schlüsselkompetenz, die gefordert ist, um in der Biden-Administration Karriere zu machen. Wenn man sich anschaut, welche Qualifikationen Bernstein für die ihm anvertraute Position mitbringt, so muss man an der Redlichkeit der Biden-Regierung zweifeln. Wie ist es möglich, dass ein Jazzmusiker mit einem Doktortitel in Sozialer Arbeit zum höchsten wirtschaftlichen Berater des Präsidenten wird? Diese Dekadenz und Verantwortungslosigkeit spotten jeder Beschreibung. Sie liefern im Grunde den Beweis dafür, dass die mit Kreditschuld einhergehende Geldschöpfung des Staates nicht ausreicht, um ihn zu disziplinieren.    

Jared Bernstein: Ein Ausschnitt aus der Dokumentation über MMT  


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